Flurbereinigungsgericht Magdeburg, Urteil vom 08.06.2017 - 8 K 1/15 (Lieferung 2018)

Aktenzeichen 8 K 1/15 Entscheidung Urteil Datum 08.06.2017
Gericht Flurbereinigungsgericht Magdeburg Veröffentlichungen Lieferung 2018

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zur Frage, ob zusätzlich zur Überprüfung der Einhaltung des Gebots wertgleicher Abfindung eine umfassende gerichtliche Abwägungskontrolle erfolgen muss (im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 23.08.2006 - BVerwG 10 C 4.05 -, juris).
2. Es entspricht einem anerkannten Ziel der Neuordnung eines Gebietes im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens, wenn der Bodenordnungsplan die rechtlichen Grenzen zwischen Grundstücken mit den tatsächlichen Besitzverhältnissen in Einklang bringt.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist unbegründet.


Die Kläger haben keinen Anspruch auf Ausweisung des begehrten Grenzverlaufs zu dem Nachbargrundstück des Beigeladenen, d.h. auf einen bestimmten Zuschnitt des Abfindungsflurstücks 66. Der Bodenordnungsplan vom 29.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2015 ist rechtmäßig, verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten und war durch das Flurbereinigungsgericht daher auch nicht zu ändern (§ 60 LwAnpG i. V. m. § 138 Abs. 1 Satz 2, § 144 Satz 1 FlurbG, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat in Ausübung des ihm im Flurbereinigungsgesetz eingeräumten planerischen Gestaltungsermessens die bei der Abfindung eines Teilnehmers zu beachtenden gesetzlichen Grundsätze bei der Abfindung der Kläger ermessensgerecht berücksichtigt (§ 146 Nr. 2 FlurbG, § 114 VwGO); insbesondere ist die in dem angefochtenen Bodenordnungsplan verfügte Grenzziehung zwischen den Abfindungsflurstücken der Kläger und des Beigeladenen rechtlich nicht zu beanstanden.


Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG kann jeder Teilnehmer eine wertgleiche Abfindung in Land beanspruchen. Das Gebot wertgleicher Abfindung ist oberster Grundsatz des Flurbereinigungsverfahrens (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.1992 - BVerwG 11 C 3.92 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 72 S. 34 m.w.N.). Es verlangt, dass der Wert der gesamten Neuzuteilung, ggf. unter Berücksichtigung der Abzüge für Folgeeinrichtungen, dem Wert der Gesamteinlage entspricht (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.02.1959 - BVerwG 1 C 160.57 -, RdL 1959, 221 [222]). Maßgebend ist zunächst die Bemessung der Abfindung, bei der gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG die nach den §§ 27 bis § 33 FlurbG ermittelten, am Nutzwert für jedermann ausgerichteten Grundstückswerte zugrunde zu legen sind. Diese Werte bilden indes nicht den ausschließlichen Maßstab für die Bestimmung einer wertgleichen Abfindung. Zusätzlich sind vielmehr nach Maßgabe des § 44 Abs. 2 bis 4 FlurbG noch weitere, den Wert der konkreten Gesamtabfindung mit- bestimmende Faktoren einzubeziehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.11.1961 - 1 B 127.61 -, RdL 1962, 243 [244] <= RzF - 13 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>; Urt. v. 14.12.1978 - BVerwG 5 C 16.76 -, BVerwGE 57, 192 [193]). Hierbei ist auch auf die Verhältnisse des konkreten Betriebs abzustellen; insbesondere sind auch wertbildende Faktoren, die sich aus der Gestaltung der Abfindung ergeben, wie z.B. der Zuschnitt der Flächen und der Zusammenlegungsgrad, zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 27.11.1961, a.a.O.; Urt. v. 15.10.1974 - 5 C 30.72 -, BVerwGE 47, 87 [94] <= RzF - 61 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>; Urt. v. 16.12.1992, a.a.O.).


1. Der für jede Abfindung zwingend vorgeschriebene Gestaltungsgrundsatz, den Teilnehmer für seine in die Flurneuordnung eingebrachten Grundstücke unter Berücksichtigung der nach § 47 FlurbG vorgenommenen Abzüge mit Land von gleichem Wert abzufinden (§ 63 Abs. 2 LwAnpG i. V. m. § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG), ist rechnerisch erfüllt. Dies ergibt sich aus der Gegenüberstellung von Einlage und Landabfindung: Danach besitzt das von den Klägern eingebrachte Flurstück 444/156 einen Einlagewert von 22,72 WE, dem ein Abfindungsanspruch von 23,34 WE gegenübersteht, der mit der Zuteilung des Abfindungsflurstücks 66 unzweifelhaft erfüllt worden ist. Die Kläger haben die hierfür maßgeblichen Wertermittlungsergebnisse, die inzwischen bestandskräftig geworden sind, im Übrigen auch nicht in Zweifel gezogen.


2. Auf dieser rechnerischen Wertgleichheit im Sinne des § 44 Abs. 1 FlurbG aufbauend sind alle gleichwertigkeitsbestimmenden Faktoren (§ 44 Abs. 2 und 4 FlurbG) bei der Abfindung der Kläger erfasst und berücksichtigt worden; insbesondere haben die Kläger keinen Anspruch auf die von ihnen begehrte Grenzziehung. Ein Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens hat grundsätzlich keinen Anspruch, mit bestimmten Grundstücken oder mit Grundstücken in bestimmter Lage - auch nicht in der Lage seiner alten Grundstücke - abgefunden zu werden, da ansonsten die Zusammenlegung von Grundstücken erheblich erschwert oder unmöglich gemacht würde (BVerwG, Beschl. v. 19.11.1998 - BVerwG 11 B 53.98 -, juris). Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf bestimmte Einzelmaßnahmen, sondern nur darauf, dass sich die bisherige Nutzbarkeit nicht verschlechtert (Wingerter/Mayr, FlurbG, 9. Aufl. 2013, § 44 RdNr. 41). Dies gilt insbesondere auch für den Wunsch, einen besonderen Vorteil durch eine Abfindung zu bekommen (BVerwG, Urt. v. 27.11.1961, a.a.O.).


Soweit die Kläger die Gestaltung ihrer Abfindung im Hinblick auf die Grenzziehung rügen, lässt sich insbesondere nicht feststellen, dass es aus diesem Grund an der Gleichwertigkeit der ihnen zugewiesenen Abfindung fehlte. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass hierbei die in § 44 Abs. 2 FlurbG aufgeführten Umstände zum Nachteil der Kläger unzureichende Berücksichtigung gefunden hätten.


Die Kläger haben nicht nur die Gesamtfläche des von ihnen eingebrachten Flurstücks 444/156 vollständig in den bisherigen Grenzen, sondern zusätzlich noch die mit der Düngerhalle überbaute Fläche sowie eine weitere Fläche nördlich der Halle als Abfindungsflurstück 66 zugeteilt bekommen. Der angefochtene Bodenordnungsplan bringt folglich insbesondere bezogen auf die Grenzziehung zur Düngerhalle die rechtlichen Grenzen mit den tatsächlichen Besitzverhältnissen in Einklang, ein Ziel, das im Rahmen der Neuordnung des Verfahrensgebiets durchaus verfolgt werden darf (BVerwG, Urt. v. 18.10.1974 - V C 37.73 -, juris RdNr. 11 <= RzF - 23 - zu § 37 Abs. 1 FlurbG>). Dass durch die Grenzziehung möglicherweise die privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen den Klägern und dem Beigeladenen bestehen bleiben oder sich sogar verstärken, macht die Regelung nicht rechtswidrig; denn die Schlichtung privatrechtlicher Streitigkeiten zwischen Grundstücksnachbarn gehört nicht zu dem Aufgabenbereich der Flurneuordnung (BVerwG, Urt. v. 18.10.1974, a. a. O. RdNr. 10). Insoweit handelt es sich lediglich um eine Folge, nicht aber um den objektiv erkennbaren Zweck der Grenzänderung. Insoweit gilt das jeweilige Nachbarschaftsrecht des Landes, das die nachbarschaftlichen Rechtsbeziehungen umfassend regelt.


Dahinstehen kann schließlich, ob - wie die Kläger vortragen - auch nach der Neuordnung weiterhin ein Überbau vorhanden ist, weil die Grenzziehung am Fundament erfolgt sei, mit der Folge, dass die Wandverkleidung noch in das Nachbargrundstück hineinrage, oder - wie der Beklagte ausführt - die Grenzziehung an der Hallenaußenwand erfolgt sei. Denn jedenfalls steht fest, dass hinsichtlich der Benutzungsmöglichkeiten bzw. in der Nutzungsart und Verwertbarkeit des Abfindungsflurstücks im Vergleich zum Einlageflurstück kein Unterschied besteht (§ 44 Abs. 2 und 4 FlurbG), da die Fläche westlich der Halle auch vor der Flurneuordnung nicht im Eigentum der Kläger stand. Insoweit ist festzustellen, dass der Nutzwert des Abfindungsgrundstücks demjenigen der Einlage entspricht, so dass die Kläger durch den Bodenordnungsplan wertgleich im Sinne des § 44 FlurbG abgefunden worden sind.


3. Allerdings erschöpft sich die gerichtliche Überprüfung der im Bodenordnungsplan enthaltenen Regelung über die Landabfindung nicht in der Prüfung, ob der Anspruch des Teilnehmers auf wertgleiche Abfindung erfüllt ist. Vielmehr besteht daneben ein - allerdings nur schmaler - Anwendungsbereich für eine ergänzende Abwägungskontrolle. Sie bezieht sich auf solche Belange, die nicht die Wertsicherung des Bestandes betreffen und deren ordnungsgemäße Berücksichtigung deshalb durch eine wertgleiche Abfindung noch nicht gewährleistet ist. Abwägungserheblich sind die in einem Planwunsch des Teilnehmers zum Ausdruck kommenden Entwicklungsmöglichkeiten, wenn sie bereits so konkretisiert und verfestigt sind, dass ihre Verwirklichung nicht bloß theoretisch möglich, sondern voraussehbar ist. Die Teilnehmer trifft insoweit aber eine Mitwirkungspflicht, nach der sie gehalten sind, im Planwunschtermin (§ 57 FlurbG) auf die maßgeblichen Gesichtspunkte hinzuweisen und hierzu konkrete Gestaltungsvorschläge zu unterbreiten. Nur derart qualifizierte Planwünsche gehören zum Abwägungsmaterial (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.08.2006 - 10 C 4.05 -, juris RdNr. 30 <= RzF - 102 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>; Urt. v. 17.01.2007 - 10 C 1.06 -, juris RdNr. 37 <= RzF - 105 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>). Dementsprechend braucht die Flurbereinigungsbehörde bei der Aufstellung des Flurbereinigungsplans beachtliche Entwicklungstendenzen eines Betriebes, auf die der Teilnehmer im Planwunschtermin nicht hingewiesen hat, nur dann zu berücksichtigen, wenn sie ihr ohnehin bekannt gewesen sind (vgl. Wingerter/Mayr, a.a.O., § 57 RdNr. 3). Des Weiteren ist für eine gesonderte gerichtliche Abwägungskontrolle neben der Gleichwertigkeitsprüfung kein Raum, soweit es um die Berücksichtigung gleichwertigkeitsbestimmender Faktoren - abgesehen von gesondert geregelten Umständen, etwa in § 44 Abs. 5 Satz 1 FlurbG oder § 45 FlurbG - in der Abwägung geht (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.08.2006, a.a.O.).


Die Grenzziehung zwischen dem klägerischen Grundstück und dem Grundstück des Beigeladenen vermag hiernach einen Abwägungsfehler nicht zu begründen. Zwar haben die Kläger rechtzeitig auf ihren diesbezüglichen Wunsch hingewiesen. Für einen qualifizierten Abfindungswunsch und damit als gesondert zu berücksichtigenden Abwägungsbelang nach § 44 Abs. 2 Halbs. 1 FlurbG mangelt es aber an der weiterhin erforderlichen bereits konkretisierten und verfestigten betrieblichen Entwicklungsperspektive. Die von den Klägern geplanten Sanierungsmaßnahmen an der Düngerhalle sind jedenfalls keine konkreten, verfestigten und planungsrechtlich fundierten Vorhaben, die eine Weiterentwicklung ihres landwirtschaftlichen Betriebes erwarten lassen Eine weitergehende besondere Nutzungsabsicht haben die Kläger im Planwunschtermin oder in den nachfolgenden Schreiben nicht geäußert.


Ein Anspruch auf Zuweisung einer bestimmten Fläche in bestimmter Lage, d.h. mit einem ganz bestimmten Grenzverlauf, ergibt sich für die Kläger schließlich auch nicht aus § 45 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG. Danach dürfen Hof- und Gebäudeflächen nur verändert werden, wenn der Zweck der Flurbereinigung es erfordert. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Eigenschaft einer solchen Fläche als Hof- oder Gebäudefläche ist der des Eintritts der Rechtsänderung (BVerwG, Beschl. v. 11.01.1990 - BVerwG 5 B 103.89 -, Buchholz 424.01 § 45 FlurbG), hier also der 29.04.2010.


Den Schutz des § 45 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG genießen allerdings nur solche Flächen, die im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtsänderung in der bezeichneten Art genutzt werden oder die dort angeführten Anlagen aufweisen. Zu diesem Zeitpunkt diente die umstrittene Fläche, die die Kläger westlich der Düngerhalle beanspruchen, aber gerade nicht ihrer Betriebsführung, sondern allenfalls der Betriebsführung des Eigentümers des Nachbargrundstücks, das teilweise von der Düngerhalle überbaut war, mit der Folge, dass schon keine nach § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FlurbG privilegierten "Hof- oder Gebäudeflächen" in Rede stehen. Dies stellen auch die Kläger nicht in Frage.


Dass die Kläger meinen, diese Fläche zur Aufrechterhaltung des landwirtschaftlichen Unternehmens auch ohne Baulast als Bewirtschaftungsbereich zu benötigen, begründet nicht den besonderen Schutz des § 45 Abs. 1 FlurbG. Denn er kommt nur solchen Flächen zugute, die zu dem nach § 44 Abs. 1 Sätze 3 und 4 FlurbG maßgebenden Zeitpunkt in der in der einschlägigen Schutznorm bezeichneten Weise genutzt werden (BVerwG, Urt. v. 04.06.1997 - BVerwG 11 B 17.97 -, juris RdNr. 6). Dass eine Grenzziehung in einem Abstand von drei Metern der Halle grundsätzlich möglich ist, spielt insoweit keine Rolle. Dass die Kläger eine konkrete Bebauung in Form der Sanierung der mit Asbest verkleideten Halle beabsichtigen und hierzu eine Erweiterung der Hallenwand in das Grundstück des Beigeladenen hinein für notwendig erachten, genügt ebenfalls nicht; denn ein solches Vorhaben wird vom Flurbereinigungsgesetz weder mit dem besonderen Schutz des § 45 Abs. 1 FlurbG noch mit einer bestimmten "höheren Gewichtung" ausgestattet (BVerwG, Urt. v. 04.06.1997, a.a.O.).


Soweit die Kläger rügen, der Bodenordnungsplan führe für sie zu Betriebserschwernissen, fehlt es im Übrigen an der erforderlichen Substantiierung dieser Behauptung. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, warum nur durch die zusätzliche Zuweisung eines 3 m breiten Streifens von dem Grundstück des Beigeladenen eine Bewirtschaftung des zugeteilten Abfindungsflurstücks und der Düngerhalle möglich sein soll, zumal diese Möglichkeit auch vor der Bodenordnung aufgrund der Grenzziehung zwischen den Einlageflurstücken der Kläger und des Beigeladenen nicht bestanden hat. Zudem lässt sich den vorgelegten Lichtbildern entnehmen, dass sowohl das Abfindungsflurstück als auch die Düngerhalle der Kläger von dem die Fläche erschließenden Weg erreichbar ist. Die Halle verfügt auf der Süd- und Nordseite über jeweils ein Tor zum Hinein- und Herausfahren, so dass die Kläger in die Halle fahren und nach der Durchfahrt rückseitig wenden können, so dass sich aus einer Nichtzuteilung der begehrten Fläche schon keine signifikanten Bewirtschaftungserschwernisse, geschweige denn Eingriffe in die Betriebsstruktur ergeben können.


Es verbleibt daher bei dem Grundsatz, dass kein Teilnehmer verlangen kann, mit bestimmten Grundstücken oder mit Grundstücken in bestimmter Lage - auch nicht in der Lage seiner alten Grundstücke - oder mit Grundstücken mit bestimmten Eigenschaften abgefunden zu werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.05.1966 - IV B 69.65 = RzF - 25 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG; Urt. v. 05.06.1961 - IV C 231.58 = RzF - 12 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG).


Da die Kläger somit keinen Anspruch auf Änderung des Bodenordnungsplans haben, war die Klage kostenpflichtig abzuweisen.