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von Anonymer Benutzer

RzF - 23 - zu § 37 Abs. 1 FlurbG

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18.10.1974 - V C 37.73 = BVerwGE 47, 133= RdL 1975 S. 42= AgrarR 1975 S. 181= BayVBl 1976 S. 52

Aktenzeichen V C 37.73 Entscheidung Urteil Datum 18.10.1974
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen BVerwGE 47, 133 = RdL 1975 S. 42 = AgrarR 1975 S. 181 = BayVBl 1976 S. 52  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Der Eigentümer eines überbauten Grundstücks (§ 912 BGB) genießt nicht den besonderen Schutz des § 45 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG, wenn die überbaute Fläche nach den gegebenen tatsächlichen und betriebswirtschaftlichen Verhältnissen nicht seinem Grundstück zuzuordnen ist.
2. Mit dem gesetzlichen Aufgabenbereich der Flurbereinigung ist es vereinbar, wenn im Rahmen der Neuordnung des Verfahrensgebietes die rechtlichen Grenzen zwischen zwei Grundstücken mit den tatsächlichen Besitzverhältnissen in Übereinstimmung gebracht werden.

Aus den Gründen

Für die vom Flurbereinigungsgericht vorgenommene Änderung des Flurbereinigungsplans zum Nachteil des Beigeladenen bestand keine rechtliche Grundlage. Der Plan ist, soweit in ihm die Grenze zwischen den Flurstücken 1087 und 1097 neu festgelegt wird, weder rechts- noch zweckwidrig (§ 146 Nr. 2 FlurbG). Der Auffassung des angefochtenen Urteils, das Flurstück 1087 des Klägers sei eine Gebäudefläche, die nur dann einem anderen Teilnehmer gegeben werden dürfe, wenn der Zweck der Flurbereinigung in anderer Weise nicht erreicht werden könne, vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Die das Ermessen der Flurbereinigungsbehörde bei der Gestaltung der Abfindung einschränkende Vorschrift des § 45 FlurbG findet auf das Flurstück 1087 keine Anwendung. Dieses Grundstück ist, was den an den Beigeladenen abgegebenen Teil anbelangt, keine Hof- und Gebäudefläche im Sinne von § 45 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG. Den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils ist zu entnehmen, daß die Parzelle mit Ausnahme des von dem Flurstück 1097 ausgehenden Überbaues in dem hier in Frage stehenden Teil keine Bebauung aufweist, sondern landwirtschaftlich genutzt wird. Diese Nutzung gibt ihm, was seine Behandlung im Flurbereinigungsverfahren anbelangt, das entscheidende Gepräge. Die Tatsache allein, daß das von dem Beigeladenen auf seinem Grundstück errichtete Wohngebäude infolge des Überbaues eine Fläche von 73,97 qm der Parzelle 1087 in Anspruch nimmt, löst nicht zugunsten des Klägers den Schutz des § 45 FlurbG aus. Dieser Schutz findet seinen Sinn in dem besonderen Interesse, das der Eigentümer an einer unveränderten Erhaltung der in § 45 Abs. 1 Nrn. 1 bis 11 FlurbG bezeichneten Flächen und Anlagen hat. Für deren Wegnahme oder flächenmäßige Veränderung kann anders als bei landwirtschaftlich genutzten Flächen in aller Regel keine den Grundsätzen des § 44 FlurbG entsprechende Abfindung an anderer Stelle des Flurbereinigungsgebiets ausgewiesen werden. Die Regelung des § 45 FlurbG steht somit in einem engen Zusammenhang mit dem in § 44 Abs. 1 FlurbG normierten Grundsatz der wertgleichen Abfindung (Urteil vom 11.7.1957 - BVerwG I C 74.55 (Buchholz 424.00 § 48 Nr. 8)) und ist nur in diesem Zusammenhang zu verstehen.

Daraus folgt, daß der besondere Schutz des § 45 FlurbG nicht für Fälle gedacht ist, in denen die baulichen oder sonst durch § 45 Abs. 1 FlurbG privilegierten Anlagen und Einrichtungen nicht dem Grundstück, auf dem sie errichtet sind oder auf dem sie unterhalten werden, zuzurechnen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits zur Auslegung des Begriffs "Hof- und Gebäudeflächen" im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG klargestellt, daß es hierbei auf die betriebswirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse, nicht dagegen auf die grundbuch- und katastermäßige Zugehörigkeit ankommt (Beschluß vom 19.4.1963 - BVerwG I B 151.61 - (RdL 1963, 166)). Diese an der konkreten Zweckbestimmung orientierte Betrachtungsweise muß auch im vorliegenden Fall Platz greifen. Entgegen der Auffassung des Flurbereinigungsgerichts wird deshalb durch § 45 FlurbG nicht ohne weiteres derjenige geschützt, der mit dem Grundstück, zu dem die bebaute oder die in sonstiger Weise nach § 45 Abs. 1 FlurbG genutzte Fläche katastermäßig gehört, an dem Verfahren teilnimmt. Maßgebend ist vielmehr, ob die in dieser Weise genutzte Fläche seinem Grundstück auch nach den gegebenen tatsächlichen und betriebswirtschaftlichen Verhältnissen zuzuordnen ist. Hinsichtlich des von dem Überbau in Anspruch genommenen Teils der Parzelle 1087 ist dies nicht der Fall. Der Überbau geht von dem Flurstück 1097 des Beigeladenen aus, und er hat die überbaute Fläche unter Ausschluß des Klägers genutzt. Bei einer betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise ist daher ungeachtet der zivilrechtlichen Auswirkungen (§§ 94 Abs. 1, 95 Abs. 1 Satz 2, 912 ff. BGB) der Überbau jedenfalls nicht dergestalt dem Grundstück des Klägers zuzurechnen, daß er insoweit mit einer "Gebäudefläche" an der Flurbereinigung teilnähme. Die Beklagte durfte deshalb die Grenze zwischen den Flurstücken 1087 und 1097 zugunsten des Beigeladenen ändern, ohne an die Voraussetzungen des § 45 FlurbG gebunden zu sein.

Die in dem Flurbereinigungsplan getroffene Regelung würde sich allerdings dann als rechtswidrig erweisen, wenn die Änderung der Grundstücksgrenzen nicht durch Sinn und Zweck der Flurbereinigung gerechtfertigt wäre. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, daß die Flurbereinigungsbehörde aus Anlaß eines anhängigen Verfahrens nicht jedwede Maßnahme treffen kann, die sie im Rahmen ihres weit gespannten Tätigkeitsbereichs für notwendig und zweckvoll erachtet (vgl. u. a. Urteil vom 13.11.1958 - BVerwG I C 132.57 - (NJW 1959, 643); Urteil vom 14.6.1972 (BVerwGE 40, 143); Urteil vom 16.11.1972 (BVerwGE 41, 170)). Sie muß sich vielmehr jeweils auf eine konkrete Vorschrift des Flurbereinigungsgesetzes stützen können, die die einzelne Maßnahme zuläßt (BVerwGE 15, 72). Dem Flurbereinigungsgericht ist darin beizutreten, daß die Schlichtung privatrechtlicher Streitigkeiten zwischen Grundstücksnachbarn nicht zu dem Aufgabenbereich der Flurbereinigung gehört. Darum geht es hier indessen nicht. Im Rahmen ihres in § 1 FlurbG festgelegten Aufgabenbereichs hat die Flurbereinigungsbehörde das Flurbereinigungsgebiet neu zu ordnen und hierbei auch die gegeneinander abzuwägenden Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen (§ 37 Abs. 1 Satz 1 FlurbG). Dabei kann vernünftigerweise nur von der betriebswirtschaftlichen Einheit, so wie sie vor der Neuordnung des Verfahrensgebiets tatsächlich bestanden hat, ausgegangen werden. Eine Zerschlagung bestehender betriebswirtschaftlicher Einheiten wird nicht durch Sinn und Zweck der Flurbereinigung gedeckt. Hieran ist die Gestaltung der Abfindung auszurichten.

Dem entspricht die in dem Flurbereinigungsplan vorgenommene Neufestsetzung der Grenze zwischen den Flurstücken 1087 und 1097. Die Grenze verläuft nunmehr, wie das Flurbereinigungsgericht festgestellt hat, in diesem Bereich rechtwinklig, wodurch der Beigeladene von dem Flurstück 1087 eine dreieckig geformte 432 qm große Fläche erhält, die auch den Überbau umfaßt. Diese Regelung trägt der Tatsache Rechnung, daß auch bisher schon wegen der irrigen Vorstellungen der Beteiligten über den wahren Grenzverlauf zwischen beiden Flurstücken die abgegebene Fläche als Teil des Flurstücks 1097 angesehen und deshalb seit jeher von dem Beigeladenen bewirtschaftet wurde. Der Flurbereinigungsplan bringt somit die rechtlichen Grenzen zwischen beiden Grundstücken mit den tatsächlichen Besitzverhältnissen in Einklang. Das ist ein Ziel, das im Rahmen der Neuordnung des Verfahrensgebiets durchaus verfolgt werden darf. Daß im vorliegenden Fall dabei gleichzeitig private Streitigkeiten zwischen zwei Teilnehmern beigelegt werden, macht die Regelung nicht rechtswidrig. Insoweit handelt es sich lediglich um eine Folge, nicht aber um den objektiv erkennbaren Zweck der Grenzänderung.