Flurbereinigungsgericht Mannheim, Urteil vom 21.07.2022 - 7 S 1747/21 (Lieferung 2022)
Aktenzeichen | 7 S 1747/21 | Entscheidung | Urteil | Datum | 21.07.2022 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Mannheim | Veröffentlichungen | Lieferung | 2022 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Befugnis zur Sonderung nach § 68 Abs.3 FlurbG endet erst mit der Schlussfeststellung. (red. Ls.) |
2. | Das öffentliche Interesse an einer rechtmäßigen Entscheidung ermöglicht damit noch keine Änderung des Flurbereinigungsplans nach § 64 FlurbG. Die Rechtmäßigkeit wird durch die Rechtsbehelfsmöglichkeiten ausreichend gewährleistet. Diesem Interesse stehen die Interessen an der Beschleunigung des Verfahrens, der Rechtssicherheit und des Bestandsschutzes gegenüber, sodass es die Änderung nicht „erfordert“. (red. Ls.) |
3. | Die Berichtigung widersprüchlicher Eintragungen im Lastenblatt wäre, sollte die bloße Berichtigung erkannter Unrichtigkeiten nicht ohnehin von § 64 FlurbG unberührt bleiben, im öffentlichen Interesse erforderlich, um durch die Ausräumung von Widersprüchlichkeiten die noch ausstehende Eintragung der Reallast ins Grundbuch zu ermöglichen (red. Ls.) |
4. | § 68 Abs. 2 FlurbG stellt eine speziellere Regelung zu § 1106 BGB dar. Deshalb ist auch die Belastung eines Bruchteils eines Grundstücks mit einer Reallast möglich. (red. Ls.) |
5. | Die „endgültige Ausführung des Flurbereinigungsplans“(§ 149 Abs. 1 FlurbG) setzt die Berichtigung des Grundbuchs voraus.(red. Ls.) |
Aus den Gründen
…
Die Kläger wenden sich gegen den Plannachtrag 5 zum Flurbereinigungsplan für das Flurbereinigungsverfahren XXXXXX.
Die Kläger sind - als Rechtsnachfolger des Teilnehmers L. - seit 25.08.2014 unter der Ordnungs-Nr. 2xx Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens XXXXXXX, das mit unanfechtbar gewordenem Beschluss… angeordnet worden war. …
Der Teilnehmer L. hatte unter der Ordnungs-Nr. 147 insgesamt 55 Flurstücke mit zusammen 25,1446 ha und einem dazu festgestellten Bodenwert von 1.296,63 Werteinheiten (WE) eingebracht.
Im vom Landratsamt H aufgestellten Flurbereinigungsplan vom 16.09.2011 wurden ihm sechs Flurstücke mit 23,5341 ha mit einem Tauschwert von 1.224,67 WE als Landabfindung zugewiesen. Diese umfasste auch die Flurstücke Nrn. 2xx mit 382,52 WE und 7,1188 ha und 2yy mit 55,34 WE und 0,8066 ha. Auf letzterem befindet sich die Hofstelle.
In der Folge veräußerte L. seine Grundstücke mit Hofübergabevertrag vom 28.02.2014 an die Kläger, was am 25.08.2014 im Grundbuch vollzogen wurde.
In § 8 des Hofübergabevertrags hatten sich die Kläger verpflichtet, L. eine Geldrente zu bezahlen. Zu diesem Zwecke sollte aufgrund einer entsprechenden Bewilligung auch eine Reallast zu Lasten des (auch die Hofstelle umfassenden, rd. 305 WE großen) Grundstücks Flurstück Nr. 5xx (Alter Bestand) ins Grundbuch (Heft 1045 Abteilung II lfd. Nr. 12) eingetragen werden.
Die sich aufgrund dieses Hofübergabevertrags ergebenden Änderungen wurden in den Nachtrag 1 zum Flurbereinigungsplan vom 25.06.2015 aufgenommen. Danach umfasste die Abfindung der Kläger sechs Flurstücke mit 23,5889 ha und einem Tauschwert von 1.224,66 WE.
Um die Reallast auf die Abfindungsflurstücke im Neuen Bestand zu übertragen, sollten das Abfindungsflurstück Nr. 2yy (mit der Hofstelle) ganz (rd. 55 WE) und das Abfindungsflurstück Nr. 2xx (rd. 383 WE) zu einem Bruchteil von 240/383 belastet werden. Versehentlich wurden dann im Lastenblatt die beiden Flurstücknummern vertauscht, sodass danach das Abfindungsflurstück Nr. 2xx mit einem Bruchteil von 1/1 (55 WE) und das Abfindungsflurstück Nr. 2yy mit einem Bruchteil von 240/383 (240 WE) belastet erscheinen.
…
Am 15.11.2015 ordnete die untere Flurbereinigungsbehörde für das gesamte Flurbereinigungsgebiet die vorzeitige Ausführung an und setzte den Zeitpunkt des Eintritts des neuen Rechtszustandes auf den 30.12.2015 fest.
Weil davon ausgegangen wurde, dass eine Reallast tatsächlich nicht zu Lasten eines Bruchteils bestellt werden könne, wurden mit Nachtrag 5 vom 09.09.2019 zum Flurbereinigungsplan durch entsprechende Festsetzungen zunächst die Vertauschung der Flurstücknummern rückgängig gemacht und sodann das Abfindungsflurstück Nr. 2xx (382,52 WE; 7,1188 ha) in die Abfindungsflurstücke Nrn. 2xx (249,21 WE; 3,9862 ha) und 2xx/1 (133,30 WE; 3,1327 ha) geteilt (Nr. 2.1). Schließlich wurde die Reallast wiederum auf das Abfindungsflurstück Nr. 2yy (Hofstelle) und nur mehr auf das gesonderte Abfindungsflurstück Nr. 2xx übertragen. Beide Abfindungsflurstücke entsprechen in Form und Lage weitestgehend dem Einlageflurstück Nr. 5xx (Alter Bestand). Das neu gebildete Flurstück Nr. 2xx/1 blieb demgegenüber lastenfrei. Insgesamt wurde die Abfindung wiederum mit ca. 294 Werteinheiten belastet. Die Änderungen wurden im Flurbereinigungsplan vom 16.09.2011 nachgetragen.
…
Im Anhörungstermin am 16.10.2019 legten die Kläger gegen die sich aus dem Nachtrag 5 für sie ergebenden Änderungen Widerspruch ein. Dies begründeten sie damit, dass die vorgesehene Änderung für sie privat, aber auch für die weitere betriebliche Entwicklung nachteilig sein könne.
…
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage gegen den Plannachtrag 5 zum Flurbereinigungsplan hat mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Sachantrag Erfolg. Dieser ist allein auf die Aufhebung der für das Abfindungsgrundstück Flst. Nr. 2xx verfügten Änderungen und nicht auch auf Rückgängigmachung der Berichtigung der Flurstücknummern gerichtet.
Der Plannachtrag 5 des Landratsamts H vom 09.09.2019 zum dortigen Flurbereinigungsplan vom 16.09.2011 und der ihn aufrechterhaltende Widerspruchsbescheid des Landesamts für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg vom 31.03.2021 sind rechtswidrig, soweit im Wege der Sonderung die Abfindungsgrundstücke Flst. Nrn. 2xx und 2xx/1 ausgewiesen wurden und anstelle der bisherigen Bruchteilsbelastung nur mehr das Abfindungsgrundstück Flst. Nr. 2xx mit einer Reallast belastet wurde. Die Kläger sind dadurch auch in ihren Rechten verletzt, da ohne rechtliche Grundlage in ihre (nach Erlass der vorzeitigen Ausführungsanordnung) bestandsgeschützte Abfindung eingegriffen wurde (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Wird eine Landabfindung für mehrere alte Grundstücke oder Berechtigungen gegeben, die - wie hier - durch verschiedene Rechtsverhältnisse (teilweise bestehende Reallast) betroffen werden, so hat die (untere) Flurbereinigungsbehörde zu bestimmen, welche neuen Grundstücke oder Bruchteile von neuen Grundstücken an die Stelle der einzelnen alten Grundstücke treten (§ 68 Abs. 2 FlurbG). Diese haben wirtschaftlich möglichst der belasteten Einlage zu entsprechen (vgl. Wingerter/Mayr, FlurbG 10. A. 2018, § 68 Rn. 9). Auf Antrag und, soweit erforderlich, auch von Amts wegen hat die Flurbereinigungsbehörde jedoch anstelle der nach § 68 Abs. 2 FlurbG bestimmten Bruchteile besondere Grundstücke auszuweisen (§ 68 Abs. 3 Satz 1 FlurbG).
Von dieser Sonderungsbefugnis nach § 68 Abs. 3 FlurbG machte die Flurbereinigungsbehörde im Plannachtrag 5 Gebrauch, indem sie nach vorheriger, von den Klägern nicht beanstandeter Berichtigung der Flurstücknummern das Abfindungsgrundstück Flst. Nr. 2xx aufteilte und besondere Grundstücke, nämlich die Abfindungsgrundstücke Flst. Nrn. 2xx und 2xx/1 auswies und anstelle der noch im Plannachtrag 1 vom 25.06.2015 vorgenommenen Bruchteilsbelastung des Abfindungsgrundstücks Flst. Nr. 2xx zu 240/383 (vgl. § 68 Abs. 2 FlurbG) nur mehr das gesonderte (verkleinerte) Abfindungsgrundstück Flst. Nr. 2xx mit der Reallast belastete.
Zwar endet die Befugnis zur Sonderung erst mit der Schlussfeststellung (vgl. Senatsurt. v. 17.02.1975 - VII 1154/73 - RzF - 5 - zu § 62 Abs. 1 FlurbG; Wingerter/Mayr, a.a.O., § 68 Rn. 28). Mit Erlass der vorzeitigen Ausführungsanordnung am 15.11.2015 endete allerdings die umfassende Planänderungsbefugnis nach § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, sodass auch eine Sonderung, sollten die Voraussetzungen nach § 68 Abs. 3 FlurbG vorgelegen haben, nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 64 Satz 1 FlurbG zulässig war; auf die Unanfechtbarkeit des Flurbereinigungsplans kommt es dabei nicht an (vgl. § 61 FlurbG).
Nach der vorzeitigen Ausführungsanordnung kann die Flurbereinigungsbehörde den - ggf. auch bereits unanfechtbar gewordenen – Flurbereinigungsplan nur noch ändern und ergänzen, wenn öffentliche Interessen oder wichtige, nicht vorherzusehende wirtschaftliche Bedürfnisse der Beteiligten es „erfordern“ (vgl. § 64 Satz 1 1. Alt. FlurbG) oder - was hier nicht in Betracht kommt -, ihr eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bekannt wird.
Diese Änderungsbefugnis endet erst mit der Schlussfeststellung (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.11.1993 - 11 C 21.92 -, RdL 1994, 35 <= RzF - 8 - zu § 13 Abs. 2 FlurbG>), die hier noch nicht erfolgt ist. Die Grundbücher waren, soweit hier von Interesse, noch nicht berichtigt worden, sodass von einer endgültigen Ausführung des Flurbereinigungsplan keine Rede sein kann (vgl. Senatsurt. v. 29.07.1991 - 7 S 2151/90 -, AgrarR 1992, 272 <= RzF - 11 - zu § 15 FlurbG>; im Übrigen auch § 83 FlurbG, wonach das Grundbuch ggf. auch mehrfach zu berichtigen ist).
Eine nachträgliche Plankorrektur darf indes nur vorgenommen werden, wenn die in § 64 Satz 1 FlurbG angeführten, als besonders wichtig anzusehenden Interessen eine Planänderung bzw. Ergänzung „unumgänglich“ erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.03.1981 - 5 C 67.79 -, RdL 1981, 180 <= RzF - 6 - zu § 13 Abs. 2 FlurbG>; Urt. v. 10.11.1993 - 11 C 21.92 -, RdL 1994, 35 <= RzF - 8 - zu § 13 Abs. 2 FlurbG>; Beschl. v. 09.01.2013 - 9 B 20.12 -, RdL 2103, 197 <= RzF - 26 - zu § 60 Abs. 1 FlurbG>).
Das öffentliche Interesse an einer rechtmäßigen Entscheidung ermöglicht damit noch keine Änderung des Flurbereinigungsplans. Die Rechtmäßigkeit wird vielmehr durch die Rechtsbehelfsmöglichkeiten ausreichend gewährleistet. Denn diesem Interesse stehen die Interessen an der Beschleunigung des Verfahrens, der Rechtssicherheit und des Bestandsschutzes gegenüber, sodass es die Änderung nicht „erfordert“ (vgl. FlurbG Koblenz, Urt. v. 24.11.2010 - 9 C 10549/10.OVG - RzF - 34 - zu § 64 FlurbG).
Die - freilich nicht streitgegenständliche - Berichtigung der widersprüchlichen Eintragungen im Lastenblatt wäre danach, sollte die bloße Berichtigung erkannter Unrichtigkeiten nicht ohnehin von § 64 FlurbG unberührt bleiben, jedenfalls im öffentlichen Interesse erforderlich gewesen, um durch die Ausräumung von Widersprüchlichkeiten (vgl. FlurbG München, Urt. v. 21.05.2007 - 13 A 06.111 -, RdL 2008 <= RzF - 31 - zu § 64 FlurbG>, 191; Urt. v. 13.10.1977 - 215 XIII 75 -, RdL 1978, 181 <= RzF - 17 - zu § 64 FlurbG>) Klarheit für die noch ausstehende Eintragung der Reallast ins Grundbuch zu schaffen. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf die widersprüchliche Darstellung konnte weder bei den Klägern als Teilnehmern noch bei L. als Nebenbeteiligtem nach § 10 Nr. 2 d FlurbG entstehen.
Auch die vorgenommene Sonderung nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FlurbG mit einer Belastung nur mehr des gesonderten Abfindungsgrundstücks Flst. Nr. 2xx wäre im öffentlichen Interesse unumgänglich gewesen, wenn § 1106 BGB zu beachten gewesen wäre, wonach ein Bruchteil eines Grundstücks mit einer Reallast nur belastet werden kann, wenn er in dem Anteil eines Miteigentümers besteht. Denn dann läge ein unausführbarer Inhalt des Lastenblatts vor.
Die Annahme der Flurbereinigungsbehörden trifft indessen nicht zu. Denn § 68 Abs. 2 FlurbG stellt, um möglichst wenige, aber große neue Grundstücke ausweisen zu können (vgl. § 44 Abs. 3 Satz 1 FlurbG; dazu Steuer, FlurbG 2. A. 1967, § 68 Anm. 5), eine speziellere Regelung zu § 1106 BGB dar (vgl. zu § 1114 BGB etwa Lieder, in: Münch. Komm. 8. A. 2020, § 1106 Rn. 21; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.09.1986 - 12 U 93/86 -, NJW-RR 1987, 271 <= RzF - 3 - zu § 68 Abs. 2 FlurbG>). Gründe, warum § 68 Abs. 2 FlurbG trotz möglicher Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Bruchteilsrechten zwar § 1114 BGB (allgemeine Meinung), nicht aber auch der vergleichbaren Vorschrift des § 1106 BGB vorgehen sollte, vermag der Senat nicht zu erkennen (vgl. Mohr, in: Münch. Komm., a.a.O., § 1106 Rn. 1, der von einem „dogmatischer Gleichlauf der beiden Vorschriften“ spricht).
Konnte damit - wie bereits im Plannachtrag 1 geschehen - eine Bruchteilsbelastung des ursprünglichen Abfindungsgrundstücks Flst. Nr. 2xx vorgenommen werden, kann ein öffentliches Interesse, das eine Änderung des Flurbereinigungsplans im Stand des Nachtrags 1 unumgänglich machte, jedenfalls nicht erkannt werden.