Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 18.09.1986 - 12 U 93/86 = NJW-RR 1987, 271

Aktenzeichen 12 U 93/86 Entscheidung Urteil Datum 18.09.1986
Gericht Oberlandesgericht Karlsruhe Veröffentlichungen NJW-RR 1987, 271  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Bruchteilsbelastung eines als Landabfindung in der Flurbereinigung zugeteilten Grundstücks erstreckt sich nicht nur auf die Fläche, die von einem früher belasteten Grundstück noch real in dem neu zugeteilten Grundstück vorhanden ist. Soweit die alten, in die Flurbereinigung gefallenen Grundstücke verschiedenartig belastet oder zum Teil belastet und zum Teil unbelastet waren, hat die Flurbereinigungsbehörde zu bestimmen, welche neuen oder welche Bruchteile von neuen Grundstücken aus der Landabfindung mit dinglichen Rechten zu belasten sind. Bei dieser Bruchteilsbelastung der Landabfindung handelt es sich nicht um die dingliche Belastung einer Teilfläche des neuen Grundstücks. Damit wird abweichend vom Grundsatz des § 1114 BGB die Belastung eines ideellen Anteils an dem Grundstück eines Alleineigentümers zugelassen.
2. Ist auch dem zum Flurbereinigungsplan gehörenden Lastenblatt nicht zu entnehmen, daß und in welcher Weise eine mehrfache Belastung desselben Bruchteils oder sich überschneidender Bruchteile festgelegt wurde, so kann nicht festgestellt werden, daß ein Bruchteil in Höhe der Differenz zwischen dem größten Bruchteil zum Gesamtgrundstück belastungsfrei ist.

Aus den Gründen

Unstreitig ist das Grundstück, über das die Zwangsverwaltung angeordnet wurde, grundbuchmäßig wie folgt mit dinglichen Rechten zugunsten der Parteien in Abt. III des Grundbuchs belastet:

Nr. 1     Belastung eines Bruchteils von 1212/2098 mit einer Grundschuld zugunsten der Bekl.

Nr. 2     Belastung eines Bruchteils von 1483/2098 mit einer Grundschuld zugunsten der Bekl.

Nr. 3     Belastung eines Bruchteils von 1690/2098 mit einer Grundschuld zugunsten der Bekl.

Nr. 4     Belastung eines Bruchteils von 1690/2098 mit einer an die Kl. abgetretenen Grundschuld, wobei diese im Rang der Grundschuld Nr. 5 nachgeht.

Nr. 5     Belastung eines Bruchteils von 1754/2098 mit einer Grundschuld zugunsten der Bekl.

Nach § 155 II ZVG sind die bei der Zwangsverwaltung erzielten Überschüsse auf die Gläubiger in der Rangfolge des § 10 I Nr. 1 - 5 ZVG mit den sich aus § 155 II ZVG ergebenden Abweichungen zu verteilen. Das bedeutet, daß die Ansprüche aus Rangklasse 4 - § 10 I Nr. 4 ZVG - nur wegen der laufenden wiederkehrenden Leistungen, im übrigen - also wegen der Kapitalansprüche - nur in Rangklasse 5, soweit aus ihnen die Zwangsverwaltung betrieben wird, zu befriedigen sind. Die Ranganordnung der Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen aus dinglichen Rechten, die nach § 155 II ZVG in der Rangklasse 4 zu befriedigen sind und um die es hier nach dem Teilungsplan im vorliegenden Rechtsstreit allein geht, richtet sich nach § 11 I ZVG, d. h. sie haben die grundbuchmäßige Rangordnung nach § 879 I BGB. Diese Rangordnung wurde bereits oben dargestellt. Danach sind die Überschüsse des § 155 II ZVG in dieser Rangklasse in der Weise zu verteilen, daß 1212/2098 des Überschusses an die Bekl. auf die Grundschuld lfd. Nr. 1, 1483/2098 des davon eventuell verbleibenden Überschusses an die Bekl. auf die Grundschuld Nr. 2, 1690/2098 eines eventuell verbleibenden Überschusses an die Bekl. auf die Grundschuld Nr. 3 und 1754/2098 eines danach eventuell noch verbleibenden Überschusses wiederum an die Bekl. auf die Grundschuld Nr. 5, welche der Grundschuld Nr. 4 vorgeht, zu verteilen ist und die Kl. erst sodann mit ihren Grundschulden zum Zuge kommt.

Der Auffassung der Kl., daß vorab 16,4 % des Überschusses aus der Zwangsverwaltung an sie auszukehren seien, kann nicht gefolgt werden. Die Meinung der Kl., daß sich die Bruchteilsbelastung eines als Landabfindung in der Flurbereinigung zugeteilten Grundstücks nur auf die Fläche beziehe, die von einem früher belasteten Grundstück noch real in dem neu zugeteilten Grundstück vorhanden sei, ist unzutreffend. Diesen Weg ist das FlurbG in § 68 nicht gegangen. Die Landabfindung tritt nach § 68 Abs. 1 FlurbG an die Stelle des oder der alten Grundstücke und hat damit die rechtliche Stellung eines Surrogats (vgl. z. B. Seehusen-Schwede, FlurbG, 4. Aufl., § 68 Rdnr. 2). Nach § 68 Abs. 2 FlurbG hat die Flurbereinigungsbehörde zu bestimmen, welche neuen oder welche Bruchteile von neuen Grundstücken aus der Landabfindung mit dinglichen Rechten zu belasten sind, soweit die alten, in die Flurbereinigung gefallenen Grundstücke verschiedenartig belastet oder zum Teil belastet und zum Teil unbelastet waren. Bei dieser Bruchteilsbelastung der Landabfindung nach § 68 Abs. 2 FlurbG handelt es sich nicht um die dingliche Belastung einer Teilfläche des neuen Grundstücks. Vielmehr wird aufgrund der gesetzlichen Ausnahmebestimmung des § 68 Abs. 2 FlurbG abweichend von dem Grundsatz des § 1114 BGB, der nach dem Willen des damaligen Gesetzgebers (vgl. Motive 3, 640 und dazu Staudinger-Scherübl, BGB, 12. Aufl., § 1114 Rdnr. 1) dazu dienen sollte, in der Zwangsvollstreckung - wie hier - auftretende Schwierigkeiten zu vermeiden, die Belastungen eines ideellen Anteils an dem Grundstück eines Alleineigentümers zugelassen (vgl. z. B. Palandt-Bassenge, BGB, 45. Aufl., § 1114 Anm. 2; ausführlich auch Battis-Krautzberger-Löhr, BBauG, § 62 Rdnr. 5 für die dem § 68 Abs. 2 FlurbG nachgebildete Regelung des § 62 II BBauG). Ebenfalls unzutreffend ist, daß ein Bruchteil des Grundstücks von 16,4 % von den Grundschulden der Bekl. in Abt. III lfd. Nr. 1 - 3 und 5 nicht belastet sei, weil die höchste Bruchteilsbelastung für die Bekl. nach der Grundschuld in Abt. III lfd. Nr. 5 nur 1754/2098 betrage und der danach von der Bekl. nicht belastete Bruchteil von 16,4 % nur von der Belastung mit der für die Kl. bestellten Grundschuld in Abt. III Nr. 6, die das ganze Grundstück treffe, umfaßt werde. Diese Auffassung der Kl. wäre allenfalls dann in Erwägung zu ziehen, wenn die Belastungen mit den Grundschulden der Bekl. in Abt. III lfd. Nr. 1 - 3 und 5 jeweils - zumindest zum Teil - denselben ideellen Bruchteil treffen würden. Ob eine solche Belastung rechtlich möglich wäre und in welcher Weise sie in dem Grundbuch zu kennzeichnen wäre, kann dahinstehen. Jedenfalls ist auch dem zum Flurbereinigungsplan gehörenden Lastenblatt nicht zu entnehmen, daß und in welcher Weite eine mehrfache Belastung eines bestimmten Bruchteils oder sich überschneidender bestimmter Bruchteile festgelegt worden wäre. Die Entscheidung in dem Flurbereinigungsplan ist aber für das Grundbuchamt bindend. Die nach dem Lastenblatt ausgeführte, für die Rangordnung maßgebende Grundbucheintragung ergibt damit keinen von den in Abt. III lfd. Nr. 1 - 3 und 5 eingetragenen Grundschulden nicht belasteten Bruchteil von 16,4 %, da nach der Grundbucheintragung für die Bekl. nicht eine Belastung von höchstens 1754/2098 besteht, sondern mehrere - jedenfalls zum Teil - nicht notwendig identische, unterschiedliche Bruchteile belastet sind.