Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.03.1981 - 5 C 67.79 = RdL 1981 S. 180

Aktenzeichen 5 C 67.79 Entscheidung Urteil Datum 26.03.1981
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen RdL 1981 S. 180  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Das Flurbereinigungsgericht ist nicht befugt, eine verbindliche Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen einer altrechtlichen, im Grundbuch nicht eingetragenen Grunddienstbarkeit zu treffen.
2. Die für eine nachträgliche Änderung oder Ergänzung des Flurbereinigungsplans in § 64 FlurbG normierte Tatbestandsvoraussetzung der Nichtvorhersehbarkeit nötigt die Beteiligten, ihre nach Bekanntgabe des Flurbereinigungsplans auftauchenden wichtigen wirtschaftlichen Bedürfnisse so rechtzeitig wie möglich an die Flurbereinigungsbehörde bzw. den Vorstand der Teilnehmergemeinschaft heranzutragen.

Aus den Gründen

Auch die Rüge unvollständiger Sachaufklärung, darauf gestützt, daß das Flurbereinigungsgericht es unterlassen habe, entsprechend der klägerischen Beweisanregung durch Zeugenvernehmung zu klären, ob zugunsten der Beigeladenen ein althergebrachtes, im Grundbuch nicht eingetragenes Geh- und Fahrtrecht im behaupteten Umfang bestanden hat und etwa noch besteht, greift hier nicht durch. Die Flurbereinigungsbehörde/Teilnehmergemeinschaft ist nicht befugt, eine verbindliche Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines solchen Rechts zu treffen. Herrscht hinsichtlich des Bestehens eines solchen Rechts auf den Einlageflurstücken Streit unter den Beteiligten, dann kann die Flurbereinigungsbehörde zwar für die Durchführung des Verfahrens eine etwa erforderlich werdende Festsetzung über den Streitgegenstand treffen (§ 13 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 4 Satz 1 FlurbG). Diese Befugnis erstreckt sich auch auf solche Rechte, die zur Erhaltung ihrer Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs keiner Eintragung bedürfen (§ 13 Abs. 4 Satz 2 FlurbG). Darunter fallen danach auch Grunddienstbarkeiten der hier in Betracht kommenden Art, wenn sie beim Inkrafttreten des BGB bereits bestanden haben und dem Eintragungszwang nicht unterlagen, sondern auch ohne Eintragung dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs gegenüber wirksam geblieben sind (Art. 187 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Eine nachträgliche Eintragungspflicht solcher altrechtlicher Grunddienstbarkeiten aufgrund landesgesetzlicher Regelung nach Art. 187 Abs. 2 Satz 1 EGBGB besteht nach der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 20.07.1966 (BayVBl. 1966, 417) nicht. Im vorliegenden Fall ist jedoch eine dahin gehende Festsetzung nicht getroffen worden, weil bei Einleitung des Verfahrens kein Streit hinsichtlich der altrechtlichen Grunddienstbarkeit erkennbar geworden war.

Unabhängig von einer für die Durchführung der Flurbereinigung seitens der Flurbereinigungsbehörde getroffenen und nur für das Flurbereinigungsverfahren geltenden Festsetzung über den Streitgegenstand, bleibt es den Beteiligten überlassen, die Feststellung des Bestehens einer solchen altrechtlichen Grunddienstbarkeit im ordentlichen Rechtsweg klären zu lassen. Wird der Flurbereinigungsbehörde eine dahin gehende rechtskräftige Entscheidung (der Zivilgerichte) bekannt, so ist ihr Rechnung zu tragen, und zwar auch noch nach der Ausführungsanordnung (§ 13 Abs. 2 Sätze 6 und 7 FlurbG); demzufolge kann von einer solchen zivilgerichtlichen rechtskräftigen Entscheidung auch die Abfindung berührt werden.

Hinsichtlich der Abfindungsflurstücke können durch den Flurbereinigungsplan etwa noch bestehende, durch die Flurbereinigung entbehrlich gewordene Grunddienstbarkeiten aufgehoben, andererseits aber auch zum Zwecke der Gleichwertigkeit der Abfindung neue Rechte begründet werden (§ 49 Abs. 1 Sätze 1 und 4 FlurbG). Da es aber nicht Aufgabe der Flurbereinigungsbehörde ist, über das Bestehen altrechtlicher Grunddienstbarkeiten auf den Einlageflurstücken zu befinden, kann sie auch nicht verbindlich feststellen, ob diese, sofern sie bestanden haben, auf die Abfindungsflurstücke übergegangen sind, solange ihr nicht eine zivilgerichtliche Entscheidung über das Bestehen solcher Rechte bekannt wird. Demzufolge fällt es auch nicht in die Kompetenz des Flurbereinigungsgerichts, Zweifel über das Bestehen solcher altrechtlicher Grunddienstbarkeiten zu klären. Infolgedessen kann insoweit die Rüge unvollständiger Sachaufklärung nicht durchgreifen.

Dagegen wird von den Klägern zu Recht gerügt, daß das Flurbereinigungsgericht zur Frage der Vorhersehbarkeit der wirtschaftlich wichtigen Bedürfnisse der Beigeladenen keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, um die Notwendigkeit der Begründung des Geh- und Fahrtrechts rechtfertigen zu können. Das Flurbereinigungsgericht hat es als unerheblich angesehen, ob die Kläger die Durchfahrtsmöglichkeit vor oder nach der Ausführungsanordnung unterbunden haben sollten; für die Frage, ob die Notwendigkeit für die Regelung bestimmter Verhältnisse im Flurbereinigungsplan vorhersehbar gewesen sei, sei nicht auf die Kenntnis einzelner Teilnehmer, wie hier der Beigeladenen, sondern der durch ihren Vorstand handelnden Teilnehmergemeinschaft abzustellen.

Diese Erwägungen des Flurbereinigungsgerichts reichen für die daraus gezogene Schlußfolgerung nicht aus. Insoweit wird deshalb zu Recht eine auf der Verkennung des materiellen Rechts beruhende unzureichende Sachverhaltsfeststellung gerügt. Denn nach der gefestigten Rechtsprechung darf eine Plankorrektur durch die Flurbereinigungsbehörde nach Erlaß der Ausführungsanordnung nur dann in Betracht gezogen werden, wenn die in § 64 Satz 1 FlurbG angeführten, als besonders wichtig anzusehenden Interessen eine Planänderung bzw. Ergänzung unumgänglich erscheinen lassen (BVerwGE 49, 176, 181, 182, Urteil vom 29. April 1976 - BVerwG 5 C 40.75 - und Beschluß vom 31. Januar 1979 - BVerwG 5 B 72.77 - BVerwG 5 B 76.77 -). Ob wichtige Bedürfnisse der Beteiligten vorliegen, beurteilt sich nach den besonderen Verhältnissen des jeweiligen Verfahrens; in Betracht kommen können dabei auch wichtige Bedürfnisse einzelner oder einiger Beteiligter. Von den konkreten Umständen des jeweiligen Verfahrens abhängig ist aber auch, ob die vorliegenden wichtigen wirtschaftlichen Bedürfnisse eine nachträgliche Änderung und Ergänzung des Flurbereinigungsplanes tatsächlich erfordern. Wenngleich die Gewichtigkeit der Bedürfnisse der Beteiligten nicht am Volumen der Flurbereinigung insgesamt ausgerichtet werden kann, so dürfen bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Planänderung oder Planergänzung der mit der nachträglichen Maßnahme verbundene Aufwand, die zusätzlich entstehenden Kosten und die durch die Änderung bedingten Eingriffe in die Rechtsposition anderer Beteiligter dennoch Berücksichtigung finden. Hinzu kommen muß, daß die wichtigen wirtschaftlichen Bedürfnisse, die eine Planänderung oder Planergänzung erfordern, nicht vorherzusehen waren, in die Plangestaltung nicht mit einbezogen werden brauchten oder aber nicht vorausbedacht werden konnten.

Das bedeutet, daß die nach der Ausführungsanordnung hervorgetretenen oder erkennbar gewordenen wichtigen wirtschaftlichen Bedürfnisse für die angestrebte Plankorrektur auch bei sorgfältiger Planung nicht vorherzusehen waren, daß also für die Flurbereinigungsbehörde bzw. den Vorstand der Teilnehmergemeinschaft weder Anlaß bestand noch Anhaltspunkte dafür sprachen, die für die nachträgliche Umgestaltung sprechenden wichtigen Interessen schon bei der Gesamtkonzeption zu berücksichtigen, zumindest aber bei der Durchführung der Einzelplanungen nichts erkennbar oder vorgebracht wurde, was nicht hätte vernachlässigt werden dürfen.

Für den Vorstand der Teilnehmergemeinschaft bestand bei der Planaufstellung keine Veranlassung, ein Geh- oder Fahrtrecht für die Beigeladenen vorzusehen, weil dahin gehende Planwünsche nicht an ihn herangetragen worden waren und - wie das Flurbereinigungsgericht unter Hinweis auf den Vorstandsbeschluß vom 19.05.1976 festgestellt hat - dieser trotz des Ausbaus der Wirtschaftswege Ersatzflurstücke 745 und 750 davon ausgegangen war, daß den Beigeladenen ein durch die Flurbereinigung nicht entbehrlich gewordenes Fahrtrecht über das Ersatzflurstück der Kläger zustünde. Seitens der Teilnehmergemeinschaft war mit auftretenden Schwierigkeiten deswegen nicht zu rechnen, weil im Flurbereinigungsteil II vom 13.11.1973 hinsichtlich der privatrechtlichen Lasten und Beschränkungen der neuen Grundstücke unter P. III. vorgesehen ist, daß vorhandene, nicht entbehrlich gewordene Rechte und Dienstbarkeiten, die nicht im Grundbuch eingetragen sind, durch die Flurbereinigung nicht berührt werden. Aus diesem Grunde lag es an den Beigeladenen, im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht die wirtschaftliche Notwendigkeit einer gesicherten Holzabfuhr an den Vorstand heranzutragen, sobald ihnen die Kläger die Durchfahrt nachhaltig behinderten. Entgegen der Auffassung des Flurbereinigungsgerichts ist es deshalb nicht unerheblich, wann die Kläger die Durchfahrtsmöglichkeit unterbunden haben. Für die Prüfung der Vorhersehbarkeit der festgestellten wichtigen wirtschaftlichen Bedürfnisse der Beigeladenen kommt es hier wegen der Mitwirkungspflicht der Beteiligten bei der Durchführung des Verfahrens, insbesondere bei der Wahrung und Ausgestaltung der Rechte und Berechtigungen in Bezug auf die Gleichwertigkeit der Abfindung entscheidend darauf an, wann die Beigeladenen erkannt haben bzw. erkennen konnten, daß sie, um ihre Waldgrundstücke betriebswirtschaftlich sinnvoll und ordnungsgemäß nutzen zu können, trotz des Ausbaus der dortigen Wirtschaftswege Ersatzflurstücke 745 und 750 auf die vorhandene und schon vor der Flurbereinigung benutzte Fahrtmöglichkeit angewiesen bleiben würden und aufgrund der Behinderungen die Überzeugung gewonnen haben bzw. gewinnen mußten, daß die Kläger ihnen die Durchfahrt nicht nur zeitweise und vorübergehend nicht gestatten wollten, sondern nachhaltig unterbunden haben und auch zukünftig verhindern würden.

Bei der aufgrund der Zurückverweisung erforderlichen anderweitigen Verhandlung und Entscheidung ist deshalb anhand der noch aufzuklärenden näheren Umstände festzustellen, wann den Beigeladenen sich die Überzeugung aufdrängen mußte, wegen der aufgetretenen Schwierigkeiten bei der Holzabfuhr auf eine Änderung bzw. Ergänzung des Flurbereinigungsplans angewiesen zu sein. In Betracht zu ziehen ist hierbei die Zeitspanne zwischen der Bekanntgabe des Teils II des Flurbereinigungsplans vom 13.11.1973, in dem die privatrechtlichen Lasten und Beschränkungen der neuen Grundstücke festgehalten sind, und der Ausführungsanordnung vom 3.12.1974. Hinsichtlich ihres im Grundbuch nicht eingetragenen Rechts konnten die Beigeladenen aufgrund der im Teil II des Flurbereinigungsplans unter P. III. getroffenen Regelung entnehmen, daß die von ihnen in Anspruch genommene Überfahrt über das Grundstück der Kläger, sofern sie als Dienstbarkeit bestanden hat, weder durch den Plan geändert noch neu begründet wurde, sondern von der Flurbereinigung unberührt blieb. Infolgedessen mußten sie nach der Bekanntgabe des Flurbereinigungsplans Teil II (13.11.1973) an den Vorstand der Teilnehmergemeinschaft herantreten und eine ihren wichtigen wirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechende Regelung anstreben, sobald ihnen die Ernsthaftigkeit der Behinderungen der Kläger erkennbar geworden war. Zwar kommt es - wie bereits betont - für eine nachträglich angestrebte Plankorrektur auf die Vorhersehbarkeit seitens des Vorstands der Teilnehmergemeinschaft insgesamt, und nicht eines seiner Mitglieder an. Um die Erforderlichkeit einer nachträglichen Änderung oder Ergänzung des Plans prüfen zu können, müssen aber die Beteiligten im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht ihre auftauchenden wichtigen wirtschaftlichen Bedürfnisse an den Vorstand der Teilnehmergemeinschaft so rechtzeitig wie möglich herantragen. Werden Beanstandungen eines Beteiligten gegen den Flurbereinigungsplan nicht rechtzeitig vorgebracht, dann ist er damit ausgeschlossen (§ 59 Abs. 2 und 5 FlurbG), sofern nicht nach § 134 Abs. 2 und 3 FlurbG spätere Erklärungen zugelassen werden. Aus dem gleichen Rechtsgedanken heraus wird die Flurbereinigungsbehörde nach der Ausführungsanordnung eine nachträgliche Planänderung oder Ergänzung dann ablehnen müssen, wenn die hierfür vorgebrachten wichtigen wirtschaftlichen Bedürfnisse von den Beteiligten vorherzusehen waren und rechtzeitig hätten geltend gemacht werden können. Desgleichen kann auch der Beteiligte, der von einer nachträglichen Planänderung betroffen wird, sich dagegen unter dem Gesichtspunkt wehren, daß deren Erforderlichkeit nicht unvorhersehbar war. Aus den vorangestellten Gründen kann deshalb nicht ungeklärt bleiben, ob die Kläger nach der Bekanntgabe des Flurbereinigungsplans Teil II die Durchfahrtsmöglichkeit nachhaltig unterbunden haben und gegebenenfalls, wann die Beigeladenen die Ernsthaftigkeit der Behinderung erkennen mußten und daraus sich die Notwendigkeit einer Planänderung ergab.

Sollte die Erforderlichkeit einer nachträglichen Planänderung für die Beteiligten vor der Ausführungsanordnung nicht erkennbar geworden sein, dann ist die Begründung des Geh- und Fahrtrechts durch die nach Landesrecht zuständige Flurbereinigungsdirektion zu Recht erfolgt. Sollten dagegen die vorgebrachten wichtigen wirtschaftlichen Bedürfnisse den Beteiligten schon vor der Ausführungsanordnung erkennbar geworden sein, dann fehlt es an der für eine nachträgliche Planänderung erforderlichen Tatbestandsvoraussetzung der Nichtvorhersehbarkeit. In diesem Falle bleibt es den Beigeladenen überlassen, das Bestehen ihrer altrechtlichen Grunddienstbarkeit im ordentlichen Rechtsweg feststellen zu lassen.