Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 30.05.2017 - 13 A 16.1130 (Lieferung 2018)

Aktenzeichen 13 A 16.1130 Entscheidung Urteil Datum 30.05.2017
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung 2018

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Für die Überprüfung der Wertermittlung nach den §§ 27 ff. FlurbG sind die Wertverhältnisse im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung maßgebend, d.h. es ist auf das Wirksamwerden des feststellenden Verwaltungsakts abzustellen.
2. Die Klagebefugnis für einen Rechtsbehelf gegen die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung entfällt nur a) bei Identität von Einlage- und Abfindungsflurstück und b) wenn der Flurbereinigungsplan weder einen Abzug nach § 47 FlurbG noch einen Beitrag nach § 19 FlurbG vorsieht.
3. Teilt eine Gemeinde auf entsprechende Anfrage mit, sie sei unter der Voraussetzung geklärter Grundstücksverhältnisse zur Aufstellung eines Bebauungsplans bereit, handelt es sich bei den vom beantragten Bebauungsplan umfassten Grundstücken um sog. Bauerwartungsland.

Aus den Gründen

37    Der Klägerin fehlt auch nicht die für die Anfechtung der Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung erforderliche Klagebefugnis. Im Widerspruchsbescheid wird ausgeführt, die begehrte Bewertung des Einlageflurstücks 266 mit WZ 100 hätte keinerlei Vorteile für die Klägerin, da sie mit dem Abfindungsflurstück 779 an alter Stelle abgefunden worden und damit die Einwertung der fraglichen Fläche für sie grundsätzlich ohne Belang sei. Insoweit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei einer Identität von Einlage- und Abfindungsflurstück die Wertermittlung mangels Rechtsverletzung nicht erfolgreich gerügt werden kann, da für den Fall, dass Einlage- und Abfindungsflächen identisch sind, eine Änderung der ermittelten Wertzahlen lediglich interne Berechnungsabläufe beeinflussen, das Zuteilungsergebnis jedoch unberührt lassen würde (vgl. BayVGH, U.v. 19.6.2006 - 13 A 05.957 - RdL 2007, 265; vgl. auch Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 32 Rn. 10). Neben der Identität von Einlage- und Abfindungsfläche bzw. der unveränderten Wiederzuteilung des Einlageflurstücks ist jedoch weiter Voraussetzung, dass der Flurbereinigungsplan für den betroffenen Teilnehmer keinen Abzug nach § 47 FlurbG und keine Belastung durch einen Beitrag gemäß § 19 FlurbG vorsieht (BayVGH, U.v. 19.6.2006 a.a.O.; OVG NW, U.v. 19.5.1992 - 9 G 11/86 - RdL 1995, 40 = RzF - 12 - zu § 32 FlurbG; vgl. auch Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 22 Rn. 10), da sich das Grundstück nur dann auf der Einlage- und der Abfindungsseite als neutraler durchlaufender Rechnungsposten darstellt.


41    Der Wert der alten Grundstücke ist nach §§ 27 ff. FlurbG zu ermitteln. Maßgebend sind die Gegebenheiten im Zeitpunkt der Feststellung der Wertermittlungsergebnisse durch den Vorstand, also die damaligen Wertverhältnisse (vgl. BVerwG, B.v. 14.1.1971 - IV CB 145.68 - RdL 1971, 184 <= RzF - 6 - zu § 27 FlurbG>; BayVGH, U.v. 24.5.2011 - 13 A 10.2193 - RdL 2012, 43 = VGH n.F. 64, 115 <= RzF - 20 - zu § 27 FlurbG>; Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 27 Rn. 10). Abzustellen ist auf das Wirksamwerden des feststellenden Verwaltungsakts (Art. 43 Abs. 1 BayVwVfG), demnach auf die öffentliche Bekanntmachung der Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung im März/April 2008.


43    Den Begriff "Bauflächen" definiert § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB. Er umfasst auch das sog. Bauerwartungsland (vgl. Ausschussbericht BT-Drs. 7/4169 S. 5). Einen besonderen Lagewert haben neben Baugrundstücken in der Regel auch solche Grundstücke, mit deren Bebauung bei der wahrscheinlichen baulichen Entwicklung erst in absehbarer Zeit zu rechnen ist (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 29 Rn. 11). Dass ein Grundstück außerhalb der Bebauungsgrenze oder eines durch einen Bauleitplan ausgewiesenen Gebiets liegt, schließt nicht immer aus, dass es in absehbarer Zeit Bauland werden kann und daher bereits einen entsprechenden Verkehrswert hat (BVerwG, U.v. 9.6.1959 - I CB 27.58 - BVerwGE 8, 343 = RdL 1959, 308). Ein besonderer Lagewert als Bauerwartungsland kann vielfach zeitlich vor der Einbeziehung des Grundstücks in die Bauleitplanung entstehen, etwa dann, wenn die tatsächliche bauliche Entwicklung im Gemeindegebiet der gemeindlichen Planung vorauseilt und diese bindet oder wenn bestimmte Planungsabsichten der Gemeinde vorzeitig bekannt werden (BVerwG, U.v. 15.10.1974 - V C 56.73 - BVerwGE 47, 96 = RdL 1975, 128 = AgrarR 1975, 101 = RzF - 6 - zu § 32 FlurbG). Liegt ein Grundstück im Außenbereich im Sinn des § 35 BauGB, so ist es nur ausnahmsweise Bauland. Dazu muss aus besonderen Gründen eine greifbare Aussicht auf Zulassung der Bebauung mit einem bestimmten Vorhaben bestehen (BVerwG, B.v. 8.8.1968 - IV B 174.67 - Buchholz § 44 FlurbG Nr. 13 <= RzF - 15 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG>). Rein theoretische Möglichkeiten ohne reale Grundlagen schlagen sich dagegen im Verkehrswert des Grundstücks nicht nieder (BVerwG, U.v. 16.9.1975 - V C 32.75 - RdL 1976, 74 <= RzF - 28 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG>). Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 der hier maßgeblichen Wertermittlungsverordnung (WertV vom 6.12.1988, BGBl. I S. 2209; die Immobilienwertermittlungsverordnung ist erst zum 1.7.2010 in Kraft getreten, § 24 ImmoWertV) sind Flächen Bauerwartungsland, die nach ihrer Eigenschaft, ihrer sonstigen Beschaffenheit und ihrer Lage eine bauliche Nutzung in absehbarer Zeit tatsächlich erwarten lassen. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 WertV kann sich diese Erwartung insbesondere auf eine entsprechende Darstellung dieser Flächen im Flächennutzungsplan, auf ein entsprechendes Verhalten der Gemeinde oder auf die allgemeine städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebiets gründen.


44    Hier liegt mit dem Einlageflurstück 266 Bauerwartungsland vor. Nach dem durchgeführten Augenschein und nach den Lageplänen liegt das Flurstück zwar außerhalb des Bebauungszusammenhangs des § 34 BauGB und damit im Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB. Grundsätzlich endet der im Zusammenhang bebaute Ortsteil mit der letzten Bebauung, die sich ihr anschließenden selbständigen Flächen gehören zum Außenbereich (Söfker in Ernst//Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Februar 2017, § 34 Rn. 25 m.w.N.). Auch wird es nicht von der Ortsabrundungssatzung der Beigeladenen auf der Grundlage des § 34 Abs. 4 BauGB umfasst. Aufgrund des Beschlusses des Gemeinderats von A. vom 26. April 2007, mit dem sich dieser unter der Voraussetzung geklärter Grundstücksverhältnisse grundsätzlich zur Aufstellung eines Bebauungsplans zwecks Errichtung einer Ferienhausanlage auf den Flurstücken 264, 265 und 266 bereit erklärt hat, war das an sich außerhalb des Bebauungszusammenhangs und damit im Außenbereich gelegene Einlageflurstück 266 zum damaligen, für die Wertermittlung maßgeblichen Zeitpunkt (März/April 2008; vgl. BayVGH, U.v. 14.7.2015 - 13 A 14.2106 u.a. - RdL 2016, 14 = juris Rn. 23) nach den am 23. Februar und 15. April 1999 beschlossenen Grundsätzen der Wertermittlung jedoch als Bauerwartungsland anzusehen und zu bewerten. Danach gehören zu den mit Wertzahl 100 zu bewertenden Ortsbereichen die Ortslage sowie Flächen, für die eine Bebauung nicht auszuschließen ist. Da sich die Bauerwartung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 WertV insbesondere auf ein entsprechendes Verhalten der Gemeinde gründen kann, bestand aufgrund der Beschlussfassung des Gemeinderats vom 26. April 2007 im März/April die tatsächlich begründete Erwartung, dass das Einlageflurstück in absehbarer Zeit mit einer Ferienhausanlage bebaubar und damit zu außerlandwirtschaftlichen Zwecken nutzbar sein werde. Entsprechend ist auch das ALE O. in seinen Prüfungsanmerkungen im Jahr 2008 von der Einstufung als Bauerwartungsland ausgegangen (FN nach S. 348 - letzter Vermerk zu 2520/526). Dabei kann dahinstehen, ob die 1999 beschlossenen Grundsätze der Wertermittlung mit der Formulierung "eine Bebauung nicht auszuschließen ist" über die Vorgaben des § 4 Abs. 2 Satz 2 WertV hinausgehen, wonach eine bauliche Nutzung in absehbarer Zeit tatsächlich zu erwarten sein muss. Im Hinblick auf den für die Bewertung maßgeblichen Zeitpunkt steht auch nicht entgegen, dass der erste Bürgermeister der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung am 30. Mai 2017 erklärt hat, derzeit sei nicht abzusehen, dass für das Einlageflurstück 266 ein Bebauungsplan aufgestellt werde.