Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.01.1971 - IV CB 145.68 = RdL 1971 S. 184

Aktenzeichen IV CB 145.68 Entscheidung Beschluss Datum 14.01.1971
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen RdL 1971 S. 184  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Bei der Schätzung ist das tatsächliche Wertverhältnis der Grundstücke für den Zeitpunkt, in dem die Schätzung durchgeführt wird, zu ermitteln.
2. Der Fiktion der Beschwerdeablehnung nach § 142 Abs. 3 Satz 1 FlurbG kommt dieselbe rechtliche Bedeutung und Wirkung zu wie einem ablehnenden formellen Beschwerdebescheid.
3. Die ordnungsgemäße Erhebung der Aufklärungsrüge setzt voraus, daß die Tatsachen und die Beweismittel, durch die diese Tatsachen bewiesen werden sollen, angegeben werden.
4. Aus den Tatsachen, die zur Begründung des gerügten Verfahrensmangels vorgebracht werden, muß sich in schlüssiger Weise ergeben, daß ein rechtlich bedeutsamer Verfahrensmangel im Sinne des § 133 VwGO vorliegt.
5. Ein Verfahrensbeteiligter kann im gerichtlichen Verfahren nicht mehr mit Einwendungen gehört werden, die nicht Gegenstand des Verwaltungsvorverfahrens waren.

Aus den Gründen

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Die Nichtzulassung der Revision entspricht § 132 Abs. 2 VwGO; denn weder liegen die von dem Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel vor, noch weicht das Urteil von einer Entscheidung des BVerwG ab.

Zunächst trifft die Rüge des Klägers, das Flurbereinigungsgericht habe die Vorschrift des § 142 Abs. 3 FlurbG fehlerhaft angewandt, da auch nach Eintritt der Fiktion der Beschwerdeablehnung innerhalb der Klagefrist noch neue Beschwerdepunkte vorgetragen werden könnten, nicht zu. Wie der erkennende Senat bereits grundsätzlich entschieden hat, kommt der Fiktion der Beschwerdeablehnung nach § 142 Abs. 3 Satz 1 FlurbG dieselbe rechtliche Bedeutung und Wirkung zu wie einem ablehnenden formellen Beschwerdebescheid. Durch diese wird mithin in gleicher Weise wie durch einen formellen Bescheid das Beschwerdeverfahren abgeschlossen und damit die Voraussetzung für die Anfechtungsklage nach § 141 Abs. 1 FlurbG geschaffen (vgl. Beschluß vom 24.6.1970 - BVerwG IV B 219.68 -). Da ein Verfahrensbeteiligter im gerichtlichen Verfahren nicht mehr mit Einwendungen gehört werden kann, die nicht den Gegenstand des Vorverfahrens gebildet haben (vgl. Beschluß vom 9.3.1955 - BVerwG I B 55.54 -; Urteil vom 21.7.1959 - BVerwG I C 39.59 -, BVerwGE 9, 93), hat das Flurbereinigungsgericht zu Recht nur die bis zum Eintritt der Fiktionswirkung am 21.3.1967 vorgebrachten Beschwerdepunkte einer rechtlichen Beurteilung unterzogen.

Auch kann die Rüge, das Flurbereinigungsgericht habe seine Aufklärungspflicht nach § 86 VwGO dadurch verletzt, daß es weder beim Augenschein noch in sonstiger Weise festgestellt habe, ob und in welchem Umfange die dem Kläger zugeteilten alten Wege gehärtet worden seien, nicht zur Zulassung der Revision führen. Der Kläger hat es hier nämlich versäumt, den Verfahrensmangel zu bezeichnen, wie es § 132 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt. Die ordnungsmäßige Erhebung der Aufklärungsrüge setzt danach voraus, daß die Tatsachen und die Beweismittel, durch die diese Tatsachen bewiesen werden sollen, angegeben werden. Ferner muß dargelegt werden, daß sich die Aufklärung dem Gericht hätte aufdrängen müssen und daß das Gericht bei Vermeidung des gerügten Aufklärungsmangels zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre oder hätte gelangen können (vgl. Urteil vom 9.11.1956 - BVerwG II C 175.54 -, BVerwGE 5, 12 (13)). Statt dessen beschränkt sich das Beschwerdevorbringen des Klägers im wesentIichen auf die Angabe, daß ihm gehärtete Wege, insbesondere in den Grundstücken Nr. 103 und Nr. 286, zugeteilt worden seien, deren Befestigung erst nach Rechtskraft der Schätzung durch Auffüllen mit schlechtem Boden beseitigt worden sein soll. Tatsachen, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit der Schätzung dieser Grundstücke ergeben könnte, und etwaige Beweismittel hierfür enthält die Beschwerdeschrift jedoch nicht. Damit ist die Aufklärungsrüge nicht ordnungsgemäß erhoben. Gleiches gilt für die Rüge, das Erstgericht sei ohne notwendige Nachprüfung davon ausgegangen, daß alle Flurbereinigungswege der Erstbefreiung nicht befestigt worden seien. Hier läßt die Beschwerdeschrift ebenfalls die Angabe von Tatsachen und etwa erforderliche Beweismittel vermissen.

Weiter ist eine Abweichung des angefochtenen Urteils von der Entscheidung des BVerwG vom 23.8.1962 - BVerwG I C 130.56 - (RdL 1963, 107, 108) nicht zu erkennen. Wie der Kläger zutreffend annimmt, ist nach diesem Urteil bei der Schätzung das tatsächliche Wertverhältnis der Grundstücke für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem die Schätzung durchgeführt wird; es kommt mithin auf den in diesem Zeitpunkt vorhandenen Zustand des Bodens an und darf nicht auf einen künftigen Zustand, der sich ergeben würde, wenn etwaige Bodenverbesserungsmaßnahmen durchgeführt worden sind, abgestellt werden. Diesen Ausführungen des BVerwG widerspricht es jedoch nicht, wenn das Flurbereinigungsgericht eine Abwertung der früheren Feldwege um zwei bis drei Punkte für angemessen hält; denn das Flurbereinigungsgericht ist davon ausgegangen, was der Kläger verkennt, daß die geschätzten Wege im damaligen ersten Flurbereinigungsverfahren nicht gehärtet oder mit einer Kunstdecke versehen wurden, so daß ihre Flächen bereits auf Grund einfacher Kultivierungsmaßnahmen ohne weiteres wieder ordnungsgemäß bewirtschaftet werden konnten. Daher kann keine Rede davon sein, daß das Flurbereinigungsgericht der Schätzung einen künftigen Bodenzustand zugrunde gelegt hat.

Darüber hinaus scheidet eine Abweichung des angefochtenen Urteils von dem Beschluß des BVerwG vom 12.2.1963 - BVerwG I B 141.61 - (RdL 1963, 217 f.) schon deswegen aus, weil das Flurbereinigungsgericht - wie oben ausgeführt - die nach dem Eintritt der Fiktionswirkung der Beschwerdeablehnung vorgetragenen neuen Beschwerdepunkte zutreffend aus der rechtlichen Beurteilung ausgeklammert hat. Hiergegen findet jedoch, da der Kläger insoweit keine gesetzliche Frist versäumt hat, eine Nachsichtgewährung gemäß § 134 Abs. 3 FlurbG i.V.m. Abs. 2 nicht statt (vgl. Beschluß vom 24.6.1970 - BVerwG IV B 219.68 -).

Schließlich rechtfertigt der Einwand des Klägers, daß die Zerlegung des Schätzplanes in vier Teile mit erheblichen Nachteilen für ihn verbunden sei, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Zulassung der Revision. Denn aus ihm ist nicht ersichtlich, ob hierdurch eine grundsätzliche Frage aufgeworfen wird oder inwiefern eine Abweichung oder ein Verfahrensmangel vorliegen soll.

Die Revision des Klägers gegen dasselbe Urteil ist hingegen unzulässig und muß verworfen werden.

Nach § 133 VwGO bedarf eine Revision keiner besonderen Zulassung, wenn die in dieser Vorschrift abschließend aufgeführten wesentlichen Mängel gerügt werden. Der Kläger begründet seine Revision mit der Behauptung, das angefochtene Urteil sei hinsichtlich seines Vorbringens bezüglich der angeblichen Falschschätzung des Einlageflurstücks 511 nicht mit Gründen versehen (§ 133 Nr. 5 VwGO). Die bloße Behauptung des Vorliegens eines soIchen Verfahrensmangels genügt indessen noch nicht, um der Partei eine ihr sonst verschlossene Revisionsmöglichkeit zu eröffnen. Vielmehr muß sich aus den Tatsachen, die zur Begründung des gerügten Verfahrensmangels vorgebracht werden, in schlüssiger Weise ergeben, daß ein rechtlich bedeutsamer Verfahrensmangel im Sinne des § 133 VwGO vorliegt (vgl. Beschluß vom 4.4.1961 - BVerwG I CB 126.60 - und dortige Zitate, zuletzt Beschluß vom 23.1.1970 - BVerwG IV CB 88.69 -). Dies ist hier nicht der Fall. Es ist nämlich feststehende Rechtsprechung, daß das Gericht in seiner Urteilsbegründung nicht zu jedem einzelnen Parteivorbringen ausdrücklich Stellung zu nehmen braucht. Der Kläger hätte also im einzelnen darlegen müssen, inwiefern in dem Übergehen des erwähnten Punktes ein beachtlicher Formfehler vorliegen soll. Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie sich aus dem vorliegenden Urteil ohne weiteres und zweifelsfrei ergibt, dieses Vorbringen des Klägers in dem Urteil als verspätet und daher unbeachtlich bezeichnet und behandelt worden ist: Nach den Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts fanden sich die hier fraglichen Beanstandungen des Klägers in einem Schriftsatz vom 22./25.3.1968. Dazu hat das Flurbereinigungsgericht im Urteil ausgeführt. "Mit der Klageschrift seiner Bevollmächtigten vom 20./22.3.1967 und den folgenden Schriftsätzen konnten daher keine neuen Beschwerdepunkte eingeführt, sondern nur weitere Ausführungen zur Begründung der alten gemacht werden". Im Folgenden hat das Flurbereinigungsgericht die danach rechtzeitig vorgebrachten Beschwerden abgehandelt und schließlich im Urteil ausgeführt: "Die weiteren, selbständigen Schätzungsbeanstandungen wurden erst nach dem 21.3.1967 zu einem Zeitpunkt, als die Beschwerde als abgewiesen galt, vorgebracht (§ 142 Abs. 3 FlurbG). Sie sind daher auch abgesehen von dem Ablauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist (vgl. § 141 Abs. 1 Satz 3 FlurbG) am 21.9.1966 verspätet. Ein Grund für eine nachträgliche Zulassung nach § 134 Abs. 3 und 2 FlurbG ergab sich nicht ... Diese Beanstandungen können deshalb nicht mehr sachlich gewürdigt werden". Damit ist dem Erfordernis der Urteilsbegründung mit den hier abgehandelten Fragen vollauf Genüge getan.