Flurbereinigungsgericht Frankfurt (Oder), Beschluss vom 21.07.1999 - 8 B 73.99.G = RdL 1999, 273

Aktenzeichen 8 B 73.99.G Entscheidung Beschluss Datum 21.07.1999
Gericht Flurbereinigungsgericht Frankfurt (Oder) Veröffentlichungen RdL 1999, 273  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Das Institut der vorläufigen Anordnung gemäß § 36 FlurbG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 LwAnpG findet in Bodenordnungsverfahren neben dem Institut der vorläufigen Besitzregelung gemäß § 61 a LwAnpG Anwendung.
2. Die Restnutzungsdauer einer baulichen Anlage von unter 25 Jahren schließt die Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens nicht in entsprechender Anwendung von § 31 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes aus. Vorrangig für die Zuordnung im Bodenordnungsverfahren ist entsprechend der Zielsetzung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes die Wiederherstellung leistungs- und wettbewerbsfähiger Landwirtschaftsbetriebe.

Aus den Gründen

Nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung (liegen) auch die materiellrechtlichen Voraussetzungen des § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 36 Abs. 1 FlurbG vor.

Diese Vorschrift gestattet ebenso wie § 61 a Abs. 1 LwAnpG eine vorläufige Besitzregelung. Im Unterschied zur vorläufigen Besitzregelung nach § 61 a LwAnpG sowie zur vorläufigen Besitzeinweisung nach § 65 Abs. 1 FlurbG, die grundsätzlich darauf gerichtet sind, einen bereits geplanten Zustand vor Eintritt der rechtlichen Wirkung des Flurbereinigungs- bzw. Bodenordnungsplanes herbeizuführen, bezweckt § 36 Abs. 1 FlurbG nur, eine Zwischenregelung zu ermöglichen, um den Übergang in den neuen Zustand vorzubereiten und zu sichern sowie die Aufstellung des Flurbereinigungsplanes bzw. des Bodenordnungsplanes und die Durchführung des Verfahrens zu erleichtern und zu beschleunigen (vgl. Seehusen/Schwede, Flurbereinigungsgesetz; Kommentar, 7. Auflage 1997, § 36 RdNr. 1).

Nach den genannten Zielrichtungen von § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 36 Abs. 1 FlurbG einerseits und § 61 a LwAnpG andererseits findet das letztgenannte Institut der vorläufigen Besitzregelung eher bei einer umfassenden Regelung der Besitzverhältnisse im Hinblick auf den beabsichtigten Bodenordnungsplan Anwendung, während die vorläufige Anordnung nach § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 36 Abs. 1 FlurbG auf den Erlass einzelner Zwischenregelungen abzielt. Eine derartige einzelne Zwischenregelung hat der Antragsgegner hier getroffen, indem er für eine Teilfläche eines einzelnen Flurstücks eine vorläufige Regelung des Besitzes an dieser Fläche angeordnet hat. Eine solche den Besitz betreffende Regelung ist vom Anwendungsbereich des § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 36 Abs. 1 FlurbG mit erfasst. Hierbei erlaubt dieses Institut im Einzelfall auch Neubaumaßnahmen zu ermöglichen, um die förderlichen Wirkungen einer Flurbereinigung bzw. eines Bodenordnungsverfahrens für das Verfahrensgebiet eintreten zu lassen (vgl. Beschluss des Senats vom 22. Juli 1997 - 8 B 56.97.G RzF - 4 - zu § 63 Abs. 2 LwAnpG = RdL 1998, S. 79 f., m.w.N. VGH Kassel, Urteil vom 19. April 1978 - III F 1.78 RzF - 38 - zu § 36 Abs. 1 FlurbG). Dass das Bodenordnungsverfahren mit Blick auf die zwischenzeitlich bereits erfolgte Wertermittlung für die Flurstücke des Verfahrensgebietes ein Stadium erreicht hat, das möglicherweise bereits eine vorläufige Besitzregelung gemäß § 61 a LwAnpG erlauben würde, ist hiernach unbeachtlich.

Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Satz 1 FlurbG liegen aller Voraussicht nach auch im Übrigen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Flurbereinigungsbehörde - hier Flurneuordnungsbehörde - eine vorläufige Anordnung erlassen, wenn es aus dringenden Gründen erforderlich wird, u.a. vor der Ausführung des Flurbereinigungsplans - hier des Bodenordnungsplans - den Besitz oder die Nutzung von Grundstücken oder die Ausübung anderer Rechte zu regeln. Im Hinblick auf den Wortlaut und die systematische Stellung dieser Vorschrift im zweiten Teil des Flurbereinigungsgesetzes - also vor den Regelungen des Flurbereinigungsplans im 3. Teil, 3. Abschnitt dieses Gesetzes - setzt sie nicht das Vorliegen des Flurbereinigungsplans bzw. hier des Bodenordnungsplans voraus, sondern lediglich einen bestandskräftigen oder zumindest sofort vollziehbaren Beschluss über die Flurbereinigung bzw. die Anordnung des Bodenordnungsverfahrens (vgl. Beschluss des Senats vom 22. Juli 1997 - 8 B 60.97.G - m.w.N.). Eine solche bestandskräftige Anordnung des Bodenordnungsverfahrens liegt hier aufgrund des bestandskräftigen Widerspruchsbescheids vom 21. März 1997 vor.

Die streitgegenständliche Anordnung ist auch aus dringenden Gründen erforderlich im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 1 FlurbG. Dies hat der Antragsgegner in dem angegriffenen Bescheid, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, im Einzelnen zutreffend dargelegt. Die Anordnung soll den Neubau einer zweischiffigen Lagerhalle als Lagerstandort für Saatgut und der zur Vermarktung des Saatguts erforderlichen Maschinen und Anlagen ermöglichen, wobei für die Baumaßnahmen im Rahmen eines Umstrukturierungsprogrammes des Landes B. Investitionsmittel nur noch bis zum 30. Juni 1999 zur Verfügung stünden. Die Anordnung dient damit entsprechend der Zielsetzung des § 3 LwAnpG der Herstellung leistungs- und wettbewerbsfähiger Landwirtschaftsbetriebe. Bedenken hiergegen hat insoweit auch der Antragsteller nicht substantiiert geltend gemacht.

Die vom Antragsteller gegen die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen vorläufigen Anordnung erhobenen Einwände greifen nicht durch.

Der Antragsteller ist zunächst der Ansicht, dass die Anordnung des Antragsgegners gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 Grundgesetz) verstoße, weil weder durch eine zwangsweise Geldabfindung noch durch einen zwangsweisen Landtausch zum Zwecke der Landbeschaffung für ein Privatunternehmen eine Enteignung durchgeführt werden dürfe. Dieser Einwand, der die Möglichkeit, ein Bodenordnungsverfahren durchzuführen, in Zweifel ziehen soll, greift nicht durch. Hierbei kann offen bleiben, ob eine Zusammenführung von Gebäude- und Grundeigentum zugunsten der Beigeladenen sich als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums - des Antragsteller - darstellt oder als Enteignung anzusehen ist; denn in dem letztgenannten Fall stellt die in § 58 Abs. 1 LwAnpG vorgesehene Abfindung mit Land von gleichem Wert die gesetzlich vorgeschriebene Entschädigung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 Grundgesetz dar. Eine andere oder weitergehende Entschädigung kann von Verfassungs wegen nicht verlangt werden (vgl. zum Flurbereinigungsrecht im Einzelnen Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 8. Juli 1998 - 1 BvR 851.87 RzF - 49 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG = NuR 1999, S. 208 = NVwZ 1999, S. 62 = UPR 1998 S. 446). Unzulässig wäre lediglich eine zwangsweise Abfindung in Geld, die gesetzlich jedoch nicht vorgesehen ist. Nach § 58 Abs. 2 LwAnpG bedarf es hierzu der Zustimmung des Teilnehmers am Bodenordnungsverfahren (zum abschließenden Regelungsgehalt dieser Vorschrift vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1998 - 11 C 5.97 RzF - 1 - zu § 58 Abs. 2 LwAnpG = RdL 1999, 93, 94 ff. = AgrarR 1999 S. 253). Entsprechende Flächen für einen Landtausch sollen gerade im angeordneten Bodenordnungsverfahren ermittelt werden. Dass derartige Flächen für eine Landabfindung nicht zur Verfügung stünden, macht auch der Antragsteller nicht geltend. Eine Weiterführung des Bodenordnungsverfahrens unter Einbeziehung des in Rede stehenden Grundstücks des Antragstellers wäre aber allenfalls denn unzulässig, wenn auszuschließen wäre, dass eine Landabfindung in Betracht kommt (vgl. zur Ermittlungsbefugnis und -pflicht von Tauschflächen während des angeordneten Bodenordnungsverfahrens BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1997 - 11 C 2.97 RzF - 1 - zu § 56 Abs. 1 LwAnpG = RdL 1998, 158, 161). Hierfür bestehen indessen keine Anhaltspunkte. Vielmehr hat der Antragsgegner ausweislich der Begründung für die Anordnung des Bodenordnungsverfahrens weitere Flurstücke gerade zum Zwecke einer Landabfindung in das Verfahrensgebiet einbezogen. Sollten sich diese Flächen nicht für eine Abfindung mit Land eignen, wird es Aufgabe des Antragsgegners in dem weiterzuführenden Bodenordnungsverfahren sein, weiterhin geeignete Flächen für eine wertgleiche Abfindung mit Land zu ermitteln.

Die vorläufige Anordnung durfte auch zugunsten der Beigeladenen als Beteiligte ergehen. Gemäß § 57 LwAnpG sind die Beteiligten auf der Grundlage der Eintragungen im Grundbuch zu ermitteln. Gemäß dem Gebäudegrundbuch von G. ist die Beigeladene als Eigentümerin der auf dem Flurstück 243, Flur 8, Gemarkung G. aufstehenden Gebäude anzusehen. Der Antragsteller vertritt auch nicht die Ansicht, selbst Eigentümer dieser Gebäude zu sein; ebenso wenig zieht er die Entstehung selbstständigen Gebäudeeigentums in Zweifel. Ob, wie der Antragsteller allerdings meint, die LPG G. nicht wirksam umgewandelt worden sei, die Beigeladene somit nicht aus dieser hervorgegangen sei, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung. Denn auch dann, wenn die Umwandlung der ehemaligen LPG G. fehlerhaft gewesen sein sollte, wäre hiervon die Existenz der im Genossenschaftsregister eingetragenen Beigeladenen nicht berührt (vgl. hierzu Wenzel, AgrarR 1998, 139, 142).

Der schließlich vom Antragsteller erhobene Einwand, gemäß § 31 SachenRBerG schlösse die Restnutzungsdauer der Gebäude, die weniger als 25 Jahre betrage, die beabsichtigte Bodenzuordnung aus, greift nicht durch. Bezüglich der Ausschlussregelung des § 2 SachenRBerG hat des Bundesverwaltungsgericht die Frage einer Anwendbarkeit von Vorschriften des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes in Verfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz ausdrücklich offen gelassen (vgl. U.v. 2. September 1998 - 11 C 4.97 RzF - 14 - zu § 64 LwAnpG = RdL 1999, 16). Der 8. Abschnitt des LwAnpG enthält weder selbst eine § 31 SachenRBerG vergleichbare Vorschrift noch wird auf das Sachenrechtsbereinigungsgesetz verwiesen. Sofern die für die Einleitung des Bodenordnungsverfahrens gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind (§ 53 ff, § 64 LwAnpG), besteht keine rechtliche Grundlage, einen Ausschlusstatbestand in Analogie zu § 31 SachenRBerG anzunehmen. Im Hinblick auf die Zielvorstellung des LwAnpG, BGB-konforme Eigentumsverhältnisse herbeizuführen, bedarf es einer Ordnung bei bestehendem Sondereigentum auch in Fällen, in denen diesem Sondereigentum nur ein geringer Restwert beizumessen ist. Bei § 31 SachenRBerG handelt es sich im Übrigen nicht einmal um eine Ausschlussregelung, sondern um eine detaillierte Regelung betreffend die Gestaltung der Nutzungsverhältnisse, wenn die betroffene bauliche Anlage eine geringere Restnutzungsdauer als 25 Jahre aufweist. Nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz kann der Nutzer der baulichen Anlage grundsätzlich eine dingliche Sicherung durch Erbbaurechtsvertrag oder in Folge des Grundstückskaufvertrags durch Eigentumsübertragung erreichen, wodurch BGB-konforme Eigentumsverhältnisse herbeigeführt werden. Dieses Ergebnis wird bei einer geringeren als 25jährigen Restnutzungsdauer letztlich auch erreicht, wenn für den Nutzer der betreffenden baulichen Anlage lediglich ein Mietrecht begründet wird (§ 31 Abs. 2, 5 SachenRBerG). Mit Blick auf die in § 3 LwAnpG zum Ausdruck gebrachte Zielsetzung, der Herstellung leistungs- und wettbewerbsfähiger Landwirtschaftsbetriebe, ist danach sogar bei einer geringeren als 25jährigen Restnutzungsdauer der aufstehenden baulichen Anlagen der Gedanke der Zuordnung in der Hand des Grundeigentümers nach § 31 Abs. 1 SachenRBerG für das Bodenordnungsverfahren nach dem LwAnpG nicht zwingend. Letztlich wird diese Frage im Rahmen des Bodenordnungsplans zu entscheiden sein und verbietet somit nicht von vornherein die hier angegriffene vorläufige Anordnung einer Besitzregelung.