Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 19.04.1978 - III F 1/78 = RdL 1978 S. 237
Aktenzeichen | III F 1/78 | Entscheidung | Urteil | Datum | 19.04.1978 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Kassel | Veröffentlichungen | = RdL 1978 S. 237 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | In einem Verfahren nach § 87 FlurbG können auch zugunsten eines Teilnehmers vorläufige Anordnungen nach § 36 FlurbG getroffen werden. § 88 Nr. 3 FlurbG enthält eine Erweiterung der Zulässigkeit von Anordnungen nach § 36 FlurbG gegenüber dem Verfahren nach § 1 FlurbG. |
2. | Um die förderliche Wirkungen einer Flurbereinigung für das gesamte Flurbereinigungsgebiet frühzeitig eintreten zu lassen, ist eine vorläufige Anordnung nach § 36 FlurbG zulässig, der einen vollständigen Neubau von Aussiedlerstellen ermöglicht. |
3. | Eine bruchstückhafte Übermittlung einer im Entscheidungsoriginal vollständigen Rechtsmittelbelehrung kann nicht als unrichtige Belehrung verstanden, sondern muß als Unterlassung der Belehrung angesehen werden. |
Aus den Gründen
Auszugehen ist von § 36 FlurbG. Danach kann die Flurbereinigungsbehörde eine vorläufige Anordnung erlassen, wenn es aus dringenden Gründen erforderlich wird, vor der Ausführung oder zur Vorbereitung und zur Durchführung von Änderungen des Flurbereinigungsplanes den Besitz und die Nutzung von Grundstücken oder die Ausübung anderer Rechte zu regeln. Zum Ausgleich von Härten kann sie angemessene Entschädigungen festsetzen. Dies gilt auch für ein Flurbereinigungsverfahren nach § 87 FlurbG wie im vorliegenden Falle, in welchem nach bisheriger Rechtsprechung des Senats auch zugunsten eines Teilnehmers vorläufige Anordnungen nach § 36 FlurbG getroffen werden können, weil § 88 Nr. 3 FlurbG lediglich eine Erweiterung der Zulässigkeit von Anordnungen nach § 36 FlurbG gegenüber dem Verfahren nach § 1 FlurbG enthält (vgl. HessVGH, Urteil vom 16.03.1977 - III F 18/75 -, n. v.).
Die Voraussetzungen des § 36 FlurbG sind erfüllt. Zunächst steht fest, daß sich die Anordnung im Rahmen dessen gehalten hat, was zulässigerweise in einer vorläufigen Anordnung bestimmt werden kann. Sachlicher Inhalt kann nur sein, was Gegenstand von Anordnungen und Festsetzungen des Flurbereinigungsplans sein kann (so schon für das FlurbG a. F. Seehusen-Schwede, FlurbG, 2. Aufl., § 36, Anm. 1 und die dort zitierte Rechtsprechung; für das FlurbG a. F. und n. F. HessVGH, Beschlüsse vom 01.04.1976 - III F 8/76 -, n. v. und vom 02.04.1976 - III F 13 - 17/76 -, RzF - 27 - zu § 36 Abs. 1 FlurbG).
Die Grenzen der Möglichkeiten, solche vorläufigen Anordnungen zu treffen, ergeben sich hier aus § 37 FlurbG. Diese Vorschrift ist anzuwenden, obwohl es sich vorliegend um ein Flurbereinigungsverfahren nach § 87 FlurbG handelt. Denn nach durchaus herrschender Rechtsmeinung können im Flurbereinigungsverfahren nach § 87 FlurbG zugleich auch Zwecke der allgemeinen Flurbereinigung gefördert und im Flurbereinigungsgebiet Maßnahmen im Sinne der § 1 und § 37 Abs. 1 FlurbG getroffen werden. Deswegen sind auch bei der Abgrenzung eines Verfahrensgebietes für ein Flurbereinigungsverfahren nach § 87 FlurbG regelmäßig nicht nur die besonderen Zwecke des § 87 FlurbG, sondern auch die Zwecke der allgemeinen Flurbereinigung maßgebend (so Seehusen, RdL 1974, 90 ff. (92); VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.03.1966 - VI 803, 781/65, 42/66 -, RzF - 3 - zu § 7 Abs. 1 FlurbG; OVG Koblenz, Urteil vom 22.01.1976 - 3 C 20/75 -, RzF - 17 - zu § 87 Abs. 1 FlurbG; Drees, RdL 1967, 281 ff. (284, oben)). Dies bedarf nicht noch besonderer Erwähnung im Flurbereinigungsbeschluß, der das Verfahren eröffnet, sondern ergibt sich schon aufgrund des gesetzlich abgesteckten Rahmens eines Flurbereinigungsverfahrens nach § 87 FlurbG.
Die Zuweisung des Grundstücks Flur 9 Nr. 66 an die Beigeladenen zu Besitz und Nutzung bewegte sich im Rahmen des § 37 FlurbG. Denn sie ist ersichtlich vorgenommen worden, um das Flurbereinigungsgebiet unter Beachtung der jeweiligen Landschaftsstruktur neu zu gestalten, wie es den gegeneinander abzuwägenden Interessen der Beteiligten sowie den Interessen der allgemeinen Landeskultur und der Landentwicklung entspricht und wie es das Wohl der Allgemeinheit erfordert (§ 37 Abs. 1 Satz 1 FlurbG). Die Anordnung diente zugleich auch dem Gebot der Neueinteilung der Feldmark und der Durchführung von Maßnahmen, durch welche die Grundlagen der Wirtschaftsbetriebe verbessert werden, der Arbeitsaufwand vermindert und die Bewirtschaftung erleichtert wird (§ 37 Abs. 1 Satz 2 FlurbG). Diesen Zwecken dient die Anordnung, welche die Errichtung des Stallneubaues im Bereich des Aussiedlergehöftes der Beigeladenen fördern soll, deswegen, weil die bisher auf zwei Gehöfte verteilte Viehwirtschaft der Beigeladenen nun auf einen Gehöftstandort konzentriert wird. Der Senat hat es sogar schon für zulässig erklärt, daß im Wege der sofort vollziehbaren Anordnung nach § 36 FlurbG nicht nur der Bau einzelner Hofreitenteile einer Aussiedlerstelle, sondern der vollständige Neubau von Aussiedlerstellen ermöglicht wird, um die förderlichen Wirkungen einer Flurbereinigung für das gesamte Flurbereinigungsgebiet frühzeitig eintreten zu lassen (vgl. HessVGH, Beschluß vom 20.09.1963 - QF 70/63 -, n. v.).