Flurbereinigungsgericht Magdeburg, Urteil vom 13.08.1996 - 8 K 2/95 = AgrarR 1997 S. 57 ff.= RdL 1997 S. 296
Aktenzeichen | 8 K 2/95 | Entscheidung | Urteil | Datum | 13.08.1996 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Magdeburg | Veröffentlichungen | = AgrarR 1997 S. 57 ff. = RdL 1997 S. 296 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Bei Vorliegen einer Regelungslücke im Landwirtschaftsanpassungsgesetz für die Feststellung und Neuordnung der Eigentumsverhältnisse sind die Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes sinngemäß anzuwenden (§ 63 Abs. 2 LwAnpG), soweit diese nach ihrem Regelungsinhalt und Ziel eine sachgerechte Regelung enthalten. |
2. | Die wertgleiche Abfindung in Land (§ 58 Abs. 1 LwAnpG) ist im Bodenordnungsverfahren - wie in der Flurbereinigung - oberster Grundsatz. Sie setzt - wie § 44 Abs. 1 FlurbG - eine fehlerfreie Wertermittlung nach den sinngemäß anzuwendenden § 27 ff. FlurbG voraus. |
3. | Weder das Landwirtschaftsanpassungsgesetz noch das Flurbereinigungsgesetz enthalten Regelungen über den Wert eines mit einem landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäude (selbständiges Gebäudeeigentum) bestandenen Grundstücks im Außenbereich und über das Verhältnis, in dem dieser Wert dem Grundstücks- bzw. Gebäudeeigentümer zuzurechnen ist. Diese Regelungslücke ist durch entsprechende Anwendung der Vorschriften des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes zu schließen. |
Aus den Gründen
Die Klage hat Erfolg, weil die Abfindung der Klägerin mit den (Neu-)Flurstücken 2068 und 2069 Flur 2 zur Größe von insgesamt 1,03350 ha hat für ihre (Alt-)Flurstücke 327 und 328 zur Größe von insgesamt 1,0350 ha nicht wertgleich ist.
Nach § 58 Abs. 1 LwAnpG muß jeder Teilnehmer für die von ihm abzutretenden Grundstücke durch Land von gleichem Wert abgefunden werden. Die Landabfindung soll, ebenso wie nach § 44 Abs. 4 FlurbG, in der Nutzungsart, Beschaffenheit, Bodengüte und Lage den alten Grundstücken entsprechen. Weitere Bestimmungen über die wertgleiche Abfindung enthält das Landwirtschaftsanpassungsgesetz unmittelbar nicht. Nach § 63 Abs. 2 LwAnpG sind jedoch für die Feststellung und Neuordnung der Eigentumsverhältnisse in einem Bodenordnungsverfahren die Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes sinngemäß anzuwenden. Das bedeutet, daß bei dem Vorliegen einer Regelungslücke im Landwirtschaftsanpassungsgesetz die Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes, soweit sie nach ihrem Regelungsinhalt und Ziel eine sachgerechte Regelung beinhalten, entsprechend anzuwenden sind. Nach § 44 Abs. 1 FlurbG sind der Landabfindung zunächst die nach den § 27 - § 33 FlurbG ermittelten Werte zugrunde zu legen. Das hat auch für die Landabfindung bei der Zusammenführung von Gebäude- und Grundstückseigentum in einem Bodenordnungsverfahren zu gelten. Die wertgleiche Abfindung in Land ist oberster Grundsatz eines Flurbereinigungs- und gleichermaßen auch eines Bodenordnungsverfahrens, wie in den gesetzlichen Regelungen (§ 44 Abs. 1 FlurbG, § 58 Abs. 1 LwAnpG) zum Ausdruck kommt. Dieser Grundsatz und Anspruch eines Teilnehmers hebt die Flurbereinigung und Bodenordnung von der Enteignung ab (vgl. für Flurbereinigungsverfahren BVerwG, Beschl. v. 20.3.1975 - BVerwG V B 74.72 = RdL 1975, 271 RzF - 62 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG und begründet letztlich auch die verfassungsrechtliche Zulässigkeit für die Zuständigkeit der Flurbereinigungsgerichte in Verfahren der vorliegenden Art (vgl. Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG). Da eine wertgleiche Abfindung ohne eine vorherige Bewertung des Altbesitzes nicht möglich ist, setzt die wertgleiche Abfindung nach § 58 Abs. 1 LwAnpG, ebenso wie nach § 44 Abs. 1 FlurbG, eine fehlerfreie Wertermittlung nach den § 27 ff. FlurbG voraus (zur Bedeutung der Wertermittlung für die Abfindung vgl. BVerwG, Urt. v. 22.2.1995 - 11 C 20.94 - RzF - 45 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG =RdL 1995, 158 = AgrarR 1996, 97; OVG Lüneburg, Urt. v. 21.6.1979 - F OVG A 30/76 - RzF - 31 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG; Hoecht, Der Wertermittlungsrahmen in der Flurbereinigung, RdL 1990, S. 213 ff.;Thöne/Knauber, Boden- und Gebäudeeigentum in den neuen Bundesländern, 2. Aufl., RdNr 247 ff.). Daran fehlt es hier.
Der Beklagte ist aufgrund der fernmündlichen Aussage des Stadtplanungsamtes der Stadt D. und der späteren schriftlichen Bestätigung bei der Ermittlung des Abfindungsanspruchs davon ausgegangen, daß sich die streitigen (Alt-)Flurstücke der Klägerin im Außenbereich befinden. Er hat die mit Schafställen bebauten Flurstücke als Ackerland bewertet und die Klägerin entsprechend mit Ackerland im Neubesitz abgefunden. Der Beklagte hat damit offensichtlich unberücksichtigt gelassen, daß der Altbesitz der Klägerin bebaut ist und als bebaute Fläche und nicht als Ackerland genutzt wird. Diese Bewertung und die ihr folgende Abfindung trägt den Erfordernissen einer Wertermittlung nach den § 27 ff. FlurbG und den Grundsätzen einer wertgleichen Abfindung nach § 58 Abs. 1 LwAnpG, § 44 FlurbG keine Rechnung.
Nach § 29 Abs. 1 FlurbG hat die Wertermittlung für Bauflächen und Bauland sowie für bauliche Anlagen auf der Grundlage des Verkehrswertes zu erfolgen. Zwar ist der Beklagte bei der Wertermittlung unter Berücksichtigung der Auskünfte des Stadtplanungsamtes im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, daß es sich bei den streitigen Flurstücken nicht um Bauland oder Bauflächen im Sinne des § 29 Abs. 1 FlurbG handelt (zur Definition von Bauland und Bauflächen vgl. § 4 der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (Wertermittlungsverordnung - WertV -) vom 6.12.1988 (BGBl I. S. 2209). § 5 Abs. 2 Nr. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) i.d.F. der Bekanntmachung vom 8.12.1986 (BGBl I. S. 2253) mit späteren Änderungen). Der Beklagte hat jedoch bei der Wertermittlung und der ihr folgenden Abfindung der Klägerin nicht berücksichtigt, daß die Fläche mit einem aus heutiger Sicht privilegierten Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB bebaut sind, dessen faktische Umnutzung nach dem Vorbringen der Klägerin und den von ihr in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Lichtbildern in ein Möbellager bereits begonnen hat sowie eine Genehmigung der Umnutzung nach § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB und § 4 Abs. 4 des Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch (BauGB-Maßnahmen-G) i.d.F. der Bekanntmachung vom 28.4.1993 (BGBl I S. 622) nicht ausgeschlossen erscheint, wie sich auch aus dem Schreiben des Amtes für Land- und Forstwirtschaft, Landespflege an die Beigeladene ergibt. Daß einem solchen bebauten Grundstück ein anderer und regelmäßig höherer Wert zukommt, als einem rein landwirtschaftlich als Acker- oder Grünland genutzten Grundstück, liegt auf der Hand.
Welcher Wert einem vor der Wende mit landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäuden, an denen nach dem Recht der damaligen DDR selbständiges Gebäudeeigentum begründet worden ist, bebauten Grundstück zukommt und in welchem Umfang dieser dem Grundstücks- bzw. Gebäudeeigentümer zuzurechnen ist, regeln das Landwirtschaftsanpassungsgesetz und auch das Flurbereinigungsgesetz nicht. Diese Regelungslücke ist nach Ansicht des Senats durch eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des zeitlich nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz erlassenen Gesetzes zur Sachenrechtsbereinigung im Beitrittsgebiet (Sachenrechtsbereinigungsgesetz - SachenRBerG -) vom 21.9.1994 (BGBl I S. 2457) zu schließen.
Für eine ergänzende Anwendung der Vorschriften des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes bei der Bemessung des Wertausgleichs spricht zunächst der Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 GG), weil sowohl das Landwirtschaftsanpassungsgesetz als auch das Sachenrechtsbereinigungsgesetz die Zusammenführung von Grundstücks- und Gebäudeeigentum in zwar unterschiedlichen Verfahren aber mit dem gleichen Ziel regeln. Der enge Zusammenhang zwischen dem Sachenrechtsbereinigungs- und dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz kommt weiter in § 28 Satz 1 Nr. 2 SachenRBerG zum Ausdruck (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 4.7.1996 - 9 K 5/94 -). Danach können die Beteiligten Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz nicht verfolgen, wenn in einem Verfahren auf Zusammenführung des Grundstücks- und Gebäudeeigentums nach § 64 LwAnpG Anordnungen zur Durchführung eines freiwilligen Landtausches oder eines Bodenordnungsverfahrens ergangen sind. Diese Bestimmung ist nicht anzuwenden, wenn das Verfahren ohne einen Landtausch oder eine bestandskräftige Entscheidung zur Feststellung und Neuordnung der Eigentumsverhältnisse beendet worden ist.
Einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes kann auch nicht, wie von der Vertreterin des beklagten Amtes in der mündlichen Verhandlung geäußert, entgegengehalten werden, daß das Sachenrechtsbereinigungsgesetz zeitlich nach der Vorlage des Bodenordnungsplanes und des Widerspruchsbescheides erlassen worden ist. In flurbereinigungsrechtlichen Abfindungsstreitigkeiten ist für die Beurteilung der Begründetheit der Klage die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Flurbereinigungsgericht maßgebend (BVerwG. Beschl. v. 1.7.1991 - 5 B 59.91 - RzF - 13 - zu § 146 Nr. 2 FlurbG = NVwZ-RR 1992, 52). Davon ist aufgrund der nach § 63 Abs. 2 LwAnpG gebotenen sinngemäßen Anwendung der Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes auch für die wertgleiche Abfindung in einem Bodenordnungsverfahren auszugehen.
Aus der ergänzenden Anwendung der Vorschriften des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes für die wertgleiche Abfindung in Bodenordnungsverfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz folgt nach Ansicht des Senats, daß für den Fall eines aufgrund eines übertragenen Nutzungsrechts mit einem Eigenheim bebauten Grundstücks nach § 19 SachenRBerG der Bodenwert zu ermitteln ist, der sich an dem (verminderten) Wert für baureife Grundstücke orientiert (vgl. dazu im einzelnen Thöne/Knauber a.a.O., RdNr. 267 ff.). Für die Bemessung des Bodenwerts bei einem mit landwirtschaftlicher Bausubstanz bebauten Grundstück einschließlich der dem Gebäude zuzuordnenden Funktionalfläche ist der für das beplante oder für das im Zusammenhang bebaute Gebiet (§ 34 BauGB) zu ermittelnde Bodenwert zugrunde zu legen und dabei gegebenenfalls wirtschaftlichen Erwägungen des Gebäudeeigentümers Rechnung zu tragen. Befinden sich - wie hier - die landwirtschaftlichen Gebäude als sog. privilegiertes Vorhaben im Sinne von § 35 BauGB im unbeplanten Außenbereich, so sind für die Bemessung des Bodenwertes Vergleichswerte für bebautes Land im Außenbereich mit aufstehenden Wirtschaftsgebäuden heranzuziehen. Liegen keine Vergleichswerte vor, ist eine Pauschalierung und entsprechende Erhöhung des Wertes für landwirtschaftliche Nutzflächen unter Berücksichtigung des Verkehrswertes für landwirtschaftliche Nutzflächen und Bauland in der näheren Umgebung geboten (vgl. dazu Thöne/Knauber, a.a.O., RdNr. 293, 294). Nach der Feststellung des im Wertermittlungsverfahren ermittelten Bodenwertes ist dieser zwischen dem Gebäude- und Grundstückseigentümer entsprechend den Regelungen in §§ 43 Abs. 1, 68 Abs. 1 und 77 SachenRBerG aufzuteilen. Eine vollständige Zuweisung des Bodenwertes an den Gebäude- bzw. Grundstückseigentümer wird den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen vor der Wende und unter der Geltung des Grundgesetzes nicht gerecht (vgl. Thöne/Knauber, a.a.O., RdNr. 242 ff., 245).
Diese nach Ansicht des Senats bei der Wertermittlung und der ihr folgenden Abfindung der Klägerin zu berücksichtigenden Gesichtspunkte hat der Beklagte nicht beachtet. Abgesehen davon, daß zweifelhaft ist, ob die von dem beklagten Amt vorgenommene Ermittlung des Abfindungsanspruchs den Anforderungen an eine Wertermittlung ausreichend Rechnung trägt, hat der Beklagte sich darin auf die Feststellung, daß es sich bei dem Altbesitz der Klägerin um eine landwirtschaftliche Nutzfläche im Außenbereich (§ 35 BauGB) handelt, beschränkt und den der Bebauung der Fläche zukommenden Wert unberücksichtigt gelassen.
Der auf der fehlerhaften Wertermittlung beruhenden nicht wertgleichen Abfindung der Klägerin kann nicht entgegengehalten werden, daß die Wertermittlung als besonderer Verfahrensabschnitt bestandskräftig ist. Der Beklagte hat die Wertermittlung nicht in einem besonderen Verfahren nach § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 32 FlurbG gegenüber der Klägerin festgestellt, so daß die Wertermittlung auch nicht unanfechtbar geworden ist.
Der Bodenordnungsplan des Beklagten i.d.F. des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums D. war mithin aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das beklagte Amt zurückzuweisen (§ 60 LwAnpG i.V.m. § 144 FlurbG). Der Neubescheidung hat der Beklagte die Rechtsauffassung des Senats zugrunde zu legen (§ 144 FlurbG). Bei der Aufstellung und Vorlage des Bodenordnungsplanes wird der Beklagte weiter zu berücksichtigen haben, daß §§ 48, 71 SachenRBerG Nachzahlungsverpflichtungen für den Fall einer Umnutzung vorsehen und dementsprechend die Aufnahme einer entsprechenden Verpflichtung in den Bodenordnungsplan zu prüfen haben.