Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22.02.1995 - 11 C 20.94 = RdL 1995 S. 158= AgrarR 1996 S. 97
Aktenzeichen | 11 C 20.94 | Entscheidung | Urteil | Datum | 22.02.1995 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = RdL 1995 S. 158 = AgrarR 1996 S. 97 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Bei der Wertermittlung nach Flurbereinigungsrecht ist wie im allgemeinen Bewertungsrecht zwischen reinem und begünstigtem Agrarland zu unterscheiden. Weist ein landwirtschaftlich genutztes oder nutzbares Grundstück die Merkmale von begünstigtem Agrarland auf, kann eine von der Regel des § 28 Abs. 1 Satz 1 FlurbG abweichende Grundstücksbewertung geboten sein. |
2. | Begünstigtes Agrarland gehört nicht zu jenen Flächen, die entweder wieder zuzuteilen oder mit Flächen gleicher Qualität abzufinden sind. |
Aus den Gründen
Die Entscheidung des Flurbereinigungsgerichts beruht hinsichtlich der Einlage der Klägerin offenbar auf der Annahme, zwischen Grundstücken, die ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken dienen, und Bauerwartungsland gebe es keine die Wertermittlung beeinflussende Zwischenstufe. Diese Auffassung verletzt Bundesrecht. Vielmehr kommt dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, ob die genannte Fläche als begünstigtes Agrarland zu qualifizieren und die Wertermittlung gegebenenfalls zu aktualisieren ist. Tatsachen für eine abschließende Beurteilung unter diesen Gesichtspunkten sind bisher nicht festgestellt worden. Das Flurbereinigungsgericht wird deshalb den Sachverhalt noch aufklären müssen.
Die wertgleiche Abfindung in Land, wie sie nach § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG jeder Teilnehmer beanspruchen kann, ist oberster Grundsatz des Flurbereinigungsverfahrens. Maßgebend dafür, ob im Einzelfall dieser Grundsatz gewahrt ist, ist zunächst die Bemessung der Abfindung, bei der gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG die nach den § 27 bis § 33 FlurbG ermittelten Grundstückswerte zugrunde zu legen sind. Doch bilden diese Werte nicht den ausschließlichen Maßstab für die Landabfindung. Für den im Rahmen des § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG maßgeblichen Gesamttauschwert kommen vielmehr neben den im Wertermittlungsverfahren gewonnenen Grundstückswerten nach Maßgabe des § 44 Abs. 2 FlurbG, aber auch des § 44 Abs. 3 und 4 FlurbG, noch weitere den Wert der konkreten Gesamtabfindung mitbestimmende Faktoren in Betracht, die bei der Zuteilung in Ansatz gebracht werden müssen. Der Abfindungsanspruch muß sich also nicht mit der Summe der bei der Wertermittlung ermittelten Werteinheiten decken. Trotz richtiger Bewertung der einzelnen Flächen kann durch die Gestaltung der Abfindung, das Zusammentreffen von Böden unterschiedlicher Qualität oder andere Umstände die Wertgleichheit von Einlage und Abfindung in Frage gestellt sein (vgl. zu Grundsätzen für die Bemessung der Wertgleichheit einer Abfindung BVerwG, Urteil vom 16.12.1992 - BVerwG 11 C 3.92 -, RdL 1993, 98 <99 f.> m. zahlr. w. N.).
Bereits aus diesen Grundsätzen ergibt sich, daß im Flurbereinigungsverfahren grundsätzlich niemand verlangen kann, mit bestimmten Grundstücken oder Grundstücken in bestimmter Lage abgefunden zu werden. Dies gilt, wie das Flurbereinigungsgericht im angefochtenen Urteil ausführt, auch für die Klägerin. Beizupflichten ist der Vorinstanz dabei in der Auffassung, daß eine Sondersituation hier nicht gegeben ist. Daß die Klägerin mit dem Verlust des Einlagebesitzes S. eine Fläche verloren hat, die teilweise der Ackerklasse 2 zuzuordnen ist, und dafür mit Abfindungsflächen der Ackerklasse 3 abgefunden worden ist, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht hat nämlich das Flurbereinigungsgericht bei der Überprüfung des maßgeblichen Gesamttauschwertes darauf abgestellt, daß die Verschiebung der Bodenklassen im Vergleich zwischen Einlage und Abfindung sich für die Klägerin als eher günstig darstellt. Darauf kann verwiesen werden. Von daher ist entgegen dem Vortrag der Klägerin nicht ersichtlich, daß die Wertgleichheit der Abfindung nur durch Wiederzuteilung des genannten Einlagebesitzes hergestellt werden könnte. Dies gilt um so mehr, als das Flurstück 29 der Flur 7 mit einer Größe von knapp 1 ha ohnehin nur einen geringfügigen Anteil von der Gesamtwirtschaftsfläche des Betriebes der Klägerin ausmachen würde. Ebensowenig kann die Klägerin sich auf die Verbindlichkeit einer ihr erteilten Zusicherung berufen. Eine solche ist jedenfalls nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht in der nach § 38 Abs. 1 VwVfG erforderlichen Schriftform (vgl. BVerwG, Beschluß vom 18.06.1987 - BVerwG 5 B 165.85 -, RdL 1991,13) erteilt worden. Danach mußte die Klägerin damit rechnen, daß die ihr im ursprünglichen Flurbereinigungsplan und auch noch im Nachtrag 1 dazu zugewiesene Abfindung nach § 60 Abs. 1 FlurbG veränderbar blieb.
Schließlich besteht ein Anspruch auf Wiederzuteilung auch dann nicht, wenn das Flurbereinigungsgericht die genannte Einlage zu Unrecht als reines Agrarland angesehen haben sollte. Nach den für das BVerwG als Revisionsgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz war das Einlageflurstück Flur 7 Nr. 29 auch am 31.10.1989, dem Zeitpunkt der vorläufigen Besitzeinweisung, auf die es nach § 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG ankommt, keine Baufläche im Sinne des § 29 FlurbG, insbesondere kein Bauland mit gesicherter Erschließung. Nur für solche Grundstücke aber hat das BVerwG entschieden, daß sie entweder mit der Abfindung wieder zuzuteilen oder aber mit Bauland gleicher Qualität abzufinden sind (vgl. Urteil vom 10.05.1990 - BVerwG 5 C 1.87 -, RdL 1990, 214 <215>).
Die Auffassung im angefochtenen Urteil, Einlage und Abfindung seien hinsichtlich der rechnerischen Bemessung und der Gestaltung wertgleich, beruht auf der Einschätzung, der Einlagebesitz S. der Klägerin sei entsprechend der Wertermittlung Agrarland und habe diesen Charakter bis zur vorläufigen Besitzeinweisung nicht verändert. Dem liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, daß es zwischen Grundstücken, die ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken dienen, und Bauerwartungsland keine für die Wertbildung von Grundstücken maßgebliche Qualitäts(zwischen)stufe mehr gibt. Dies trifft indessen nicht zu. Wie das BVerwG mehrfach entschieden hat, ist bei der Wertermittlung im Flurbereinigungsrecht wie im allgemeinen Bewertungsrecht zwischen reinem und begünstigtem Agrarland zu unterscheiden (Beschlüsse vom 04.02.1991 - BVerwG 5 B 91.90 - RdL 1991, 67, RzF - 42 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG; vom 29.05.1991 - BVerwG 5 B 27.91 -, RdL 1991, 178; Urteil vom 16.12.1992, a.a.O., S. 99).
Reines Agrarland sind nach der Definition, wie sie jetzt in § 4 Abs. 4 Nr. 1 der Wertermittlungsverordnung vom 06.12.1988 (BGBl. l S. 2209) - WertV - enthalten ist, land- und forstwirtschaftlich genutzte oder nutzbare Flächen, von denen anzunehmen ist, daß sie nach ihren Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und Lage, nach ihren Verwertungsmöglichkeiten oder den sonstigen Umständen in absehbarer Zeit nur land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden. Demgegenüber rechnen zum begünstigten Agrarland - in den Worten des § 4 Abs. 1 Nr. 2 WertV - diejenigen land- und forstwirtschaftlich genutzten oder nutzbaren Flächen, die sich, insbesondere durch ihre landschaftliche oder verkehrliche Lage, durch ihre Funktion oder durch ihre Nähe zu Siedlungsgebieten geprägt, auch für außerlandwirtschaftliche oder außerforstwirtschaftliche Nutzungen eignen, sofern im gewöhnlichen Geschäftsverkehr eine dahingehende Nachfrage besteht und auf absehbare Zeit keine Entwicklung zu einer Bauerwartung bevorsteht. Der unterschiedliche Entwicklungszustand der genannten Flächen, wie er in dieser Abgrenzung seinen Niederschlag findet, wirkt sich im Regelfall auch wertmäßig aus: Begünstigtes Agrarland liegt im allgemeinen im Wert über dem Wert von reinem Agrarland. Deshalb kann, wenn ein landwirtschaftlich genutztes oder nutzbares Grundstück die Merkmale von begünstigtem Agrarland erfüllt, eine von der Regel des § 28 Abs. 1 Satz 1 FlurbG abweichende Grundstücksbewertung geboten sein (BVerwG, Beschlüsse vom 04.02.1991, a.a.O., vom 29.05.1991, a.a.O.; Urteil vom 16.12.1992, a.a.O., S. 100).