Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 01.07.1991 - 5 B 59.91 = RdL 1991 S. 207= BayVBl. 1992 S. 91

Aktenzeichen 5 B 59.91 Entscheidung Beschluss Datum 01.07.1991
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen RdL 1991 S. 207 = BayVBl. 1992 S. 91  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. In flurbereinigungsrechtlichen Abfindungsstreitigkeiten ist für die Beurteilung der Begründetheit der Klage die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Flurbereinigungsgericht maßgebend.

Aus den Gründen

Die Frage nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage in flurbereinigungsrechtlichen Abfindungsstreitigkeiten ist nicht klärungsbedürftig. Denn der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits zu entnehmen, daß bei der Beurteilung von Teilnehmerklagen gegen die im Flurbereinigungsplan ausgewiesene Abfindung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Flurbereinigungsgerichts abzustellen ist. So hat z. B. der Senat in seinem Urteil vom 15.12.1988 - BVerwG 5 C 2.84 - (Buchholz 424.01 § 40 FlurbG Nr. 8 S. 6 = RdL 1989, 100/102) im Rahmen der Plananfechtungsklage eines durch Landbereitstellung für eine Gemeindestraße in seinen Hofflächen betroffenen Teilnehmers bei der Prüfung der planerischen Voraussetzungen auch einen Bebauungsplan berücksichtigt, der erst nach Ergehen des flurbereinigungsgerichtlichen Urteils erlassen worden ist. Das aber setzt voraus, daß es für die Entscheidung der Abfindungsstreitigkeit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Flurbereinigungsgericht ankam. Denn die Berücksichtigung von Rechtsänderungen, die während des Revisionsverfahrens eingetreten sind, ist dem Revisionsgericht nur dann erlaubt, wenn auch die Vorinstanz die Rechtsänderung berücksichtigen müßte, wenn sie jetzt entschiede (vgl. BVerwGE 41, 227 <230 f.> mit weiteren Nachweisen).

Daß in Abfindungsstreitigkeiten der rechtlichen Beurteilung die Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vor dem Tatsachengericht) zugrunde zu legen sind, rechtfertigt sich aus Besonderheiten des Flurbereinigungsrechts. Denn dem Flurbereinigungsgericht ist in § 144 FlurbG die Ermächtigung erteilt, soweit es die Klage für begründet hält, den angefochtenen Verwaltungsakt durch Urteil zu ändern, also wie die Behörde selbst rechtsgestaltend tätig zu werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 12.07.1962 - BVerwG 1 C 89.61 - <RdL 1962, 328> und vom 04.07.1985 - BVerwG 5 C 7.82 - <BVerwGE 71, 369/376 f.> sowie Beschluß vom 03.03.1988 - BVerwG 5 B 125.86 - <Buchholz 424.01 § 57 FlurbG Nr. 2>). Diese Ermächtigung bezieht sich auf alle Verwaltungsakte, die gemäß § 140 FlurbG flurbereinigungsgerichtlicher Überprüfung unterliegen (vgl. BVerwGE 71, 369 <377> sowie Beschluß vom 03.03.1988 <a.a.O.>). Sie dient dem Ziel, den für die Durchführung der Flurbereinigung bestimmenden Gedanken der Verfahrensbeschleunigung (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 FlurbG) auch im Bereich der Flurbereinigungsgerichte zu verwirklichen (vgl. BVerwGE 8, 65 <67>; 71, 369 <377> sowie Beschluß vom 03.03.1988 <a.a.O.>). Dem Interesse der Verfahrensbeschleunigung dient auch die dem Flurbereinigungsgericht durch § 146 Nr. 2 FlurbG unter anderem in Abfindungsstreitigkeiten eingeräumte Befugnis, auch die Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts im vollen Umfange zu prüfen, um bei nachweisbarem Abfindungsdefizit die für die Gleichwertigkeit der Abfindung erforderliche Gestaltung selbst vornehmen und dadurch das Verfahren zum Abschluß bringen zu können (vgl. BVerwGE 57, 192 <198>). Für eine solche gerichtliche Planänderung ist indessen nur Raum, wenn der Flurbereinigungsplan im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Flurbereinigungsgericht noch fehlerhaft ist. Dies macht es erforderlich, Ereignisse, durch die dem Plan anhaftende Mängel behoben werden, bis zum Schluß des flurbereinigungsgerichtlichen Verfahrens zu berücksichtigen. Der Senat läßt deshalb in ständiger Rechtsprechung auch die Heilung von Fehlern des Verwaltungsverfahrens entgegen der für das allgemeine Verwaltungsverfahren in § 45 Abs. 2 VwVfG getroffenen Regelung bis zum Abschluß des flurbereinigungsgerichtlichen Verfahrens zu (vgl. BVerwGE 71, 369 <376 f.>; Beschlüsse vom 03.03.1988 <a.a.O.> sowie vom 25.11.1988 - BVerwG 5 B 164.88 u.a. - <Buchholz 424.01 § 4 FlurbG Nr. 10 S. 4>).