Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.03.1975 - V B 74.72 = RdL 1975 S. 271

Aktenzeichen V B 74.72 Entscheidung Beschluss Datum 20.03.1975
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen RdL 1975 S. 271  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Bei Wahrung des Prinzips wertgleicher Abfindung ergibt sich aus der Gestaltung der Flurbereinigung weder eine entschädigungslose Enteignung noch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
2. Zur Wegeerschließung von Hofanschlußflächen.

Aus den Gründen

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Revision kann aus den vom Kläger E. geltend gemachten Gründen nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden. Nach den von ihm mit Rügen nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts, die demzufolge nach § 137 Abs. 2 VwGO für das Revisionsgericht verbindlich sind, ist die durch die Flurbereinigung vorgenommene Veränderung des Einlageflurstücks Flur 1 Nr. 229/1 nicht an seiner Hof- und Gebäudefläche im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG erfolgt, sondern im Bereich des rein landwirtschaftlich genutzten Grasgartens, der auf Grund der vom Flurbereinigungsgericht durchgeführten Augenscheinseinnahme lediglich als Hofanschlußfläche anzusehen ist, wenngleich er als eine zu Bebauungszwecken geeignete Fläche geschätzt wurde. Desgleichen ist nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts davon auszugehen, daß trotz der angeordneten Veränderung durch die Flurbereinigung die Gleichwertigkeit der Abfindung des Klägers E. hinsichtlich aller wertbestimmender Umstände nicht beeinträchtigt ist.

Ist - wie hier - das Prinzip der wertgleichen Abfindung gewahrt, dann liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG vor. Wenn der Grundsatz der wertgleichen Landabfindung durchgeführt ist, dann ist die Flurbereinigung keine Enteignung, weil durch die wertgleiche Landabfindung die Rechte des Teilnehmers nach Art. 14 GG gewährleistet werden (BVerwGE 2, 154; 8, 95). Die Verbesserung der Wegeverhältnisse gehört nach § 37 Abs. 1 FlurbG zu den Aufgaben der Flurbereinigung; ein dadurch bedingter Eingriff in das Eigentum eines Teilnehmers bedeutet ebensowenig eine Enteignung wie die Verpflichtung zur Aufbringung des Landes für die nach § 47 Abs. 1 FlurbG zugelassenen Landabzüge (Beschl. vom 22.2.1955 - BVerwG I B 47.54 - und vom 9.11.1954 - BVerwG I B 145.53 -, RdL 1955, 52). Durch den Flurbereinigungsplan wird nach gefestigter Rechtsprechung für die Teilnehmer kein Wechsel des Eigentums, sondern nur ein Wechsel des Eigentumsgegenstandes herbeigeführt (BVerwG, NJW 1955, 1001; BVerwGE 12, 1 im Anschluß an BVerwGE 9, 288; BGHZ 27, 15 (24) und 31, 49 (54)). Die Flurbereinigung ist deshalb keine Enteignung in dem von der Rechtsprechung und der Rechtslehre entwickelten Sinne (Beschl. des BVerwG vom 9.11.1954, a.a.O.). Die vom Kläger E. als grundsätzlich erachtete Frage, ob in den angeführten Maßnahmen der Flurbereinigungsbehörden eine entschädigungslose Enteignung zu sehen sei, hat danach durch die Rechtsprechung des BVerwG geklärt, daß Abfindungsflurstücke durch Wege zugänglich gemacht werden müssen, die die Benutzung durch die Teilnehmer jederzeit ermöglichen (Beschl. vom 7.7.1958 - BVerwG I CB 187.57). Die Zuwegung soll funktionsfähig sein, den Arbeitsaufwand vermindern und die Bewirtschaftung erleichtern (BVerwG, RdL 1964, 328 (330) und Beschl. vom 2.11.1972 - BVerwG V B 10.72 -).

Durch das BVerwG ist auch bereits entschieden, daß der Teilnehmer hinsichtlich der Abfindungsflurstücke Anschluß an das Wegenetz fordern kann, nicht aber, daß die Grundstücke mehrere Zuwegungen erhalten (Beschl. vom 20.8.1958 - BVerwG I CB 43.58 -, Buchholz, 424.00, § 48, Nr.10); ferner, daß kein Anspruch auf Verbesserung einer Zuwegung für ein - durch die Flurbereinigung unberührt gebliebenes Einlageflurstück im Ortsbereich besteht, insbesondere keine weitere Zuwegung auf Kosten der Hof- und Gebäudefläche des Nachbarn (Urt. vom 9.10.1973 - BVerwG V C 37.72 -, RdL 1974, 11). Aus diesen Entscheidungen ergibt sich aber - unabhängig davon, daß der Kläger E. sein Zulassungsbegehren nicht auf ein Abweichen des angegriffenen Urteils von einer Entscheidung des BVerwG gestützt hat - keine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, weil nach den vom Kläger E. nicht angegriffenen Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts es sich bei den durch die beanstandete Zuwegung erschlossenen Abfindungsflurstücken Flur 1 Nrn. 216 und 217 der Beigeladenen D. und Dö. um neuzugeteilte Hofanschlußflächen handelt, die ohne den Wirtschaftsweg Flur 1 Nr. 211/2 entweder überhaupt nicht zugänglich wären oder nicht sinnvoll bewirtschaftet werden könnten.

Eine grundsätzliche Frage ergibt sich auch nicht daraus, daß die Kläger K. einen Abfindungsausgleich an einer Stelle erhalten hätten, an der sie keine Grundfläche (im Umfang der Abfindung) erbracht hätten. Maßgebend für die Abfindung im Rahmen der Flurbereinigung ist nicht die Gegenüberstellung einzelner alter und neuer Grundstücke; der Abfindungsanspruch ist vielmehr nach dem Gesamttauschwert der Einlage und des Neubesitzes zu bemessen (BVerwGE 3, 246; Beschl. vom 24.6.1970 - BVerwG IV B 241.68 -). Ebensowenig wie ein Teilnehmer einen Anspruch auf eine bestimmte Maßnahme, auf eine konkret erwünschte Zuteilung in einer bestimmten Lage, an bestimmter Stelle, im Bereich seiner Einlage oder durch ein bestimmtes Grundstück hat (Beschl. vom 28.12.1970 - BVerwG IV B 170.69 -, vom 4.5.1966 - BVerwG IV B 69.65 -, RdL 1966, 305 und vom 2.4.1973 - BVerwG V B 106.72 -) kann ein Teilnehmer beanspruchen, daß eine bestimmte Maßnahme zugunsten anderer Teilnehmer unterbleibt oder deren Abfindung geändert wird. Sofern eine wertgleiche Abfindung gesichert ist, liegt auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung darin, daß andere Teilnehmer bestimmte Flächen haben behalten können oder erhalten haben, während ein Teilnehmer entsprechende Flächen hat abgeben müssen (Beschl. vom 20.12.1961 - BVerwG I B 150.61 -).