Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.01.1977 - V C 53.76

Aktenzeichen V C 53.76 Entscheidung Urteil Datum 20.01.1977
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG ist die Veränderung des Hofraums nicht schon dann zulässig, wenn sie zweckmäßig erscheint und eine wunsch- und zeitgemäße Bewirtschaftung durch einen Rundumverkehr ermöglicht würde. Vielmehr muß die Durchführung der Flurbereinigung einen entsprechenden Eingriff erfordern, d. h. unumgänglich notwendig machen. Das ist regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn eine zweckmäßige Durchführung der Flurbereinigung auf andere Weise nicht erreicht werden kann (im Anschluß an BVerwG RzF - 28 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG = BVerwGE 44, 92.)

Aus den Gründen

Nach der nicht angegriffenen Feststellung des Flurbereinigungsgerichts gehört der dem Beigeladenen zur Erweiterung seiner Hoffläche zugedachte Geländestreifen zur Hoffläche der Kläger im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG. Somit ist die beabsichtigte Veränderung des Hofraums der Kläger nur dann zulässig, wenn die Durchführung der Flurbereinigung diesen Eingriff erfordert, d. h. unumgänglich notwendig macht. Das ist nach der ständigen, mit dem Urteil vom 23.6.1959 - BVerwG RzF - 1 - zu § 27 FlurbG I C 78.58 - eingeleiteten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls bei Veränderungen von entsprechender Tragweite "regelmäßig" nur dann anzunehmen, wenn eine zweckmäßige Durchführung der Flurbereinigung auf andere Weise nicht erreicht werden kann (BVerwGE 44, 92 mit weiteren Nachweisen). Nach dem vom Flurbereinigungsgericht festgestellten Sachverhalt kann jedoch nicht die Feststellung getroffen werden, daß der vorgesehene Eingriff in den Hofraum vom Zweck der Flurbereinigung her unumgänglich geboten sei.

Die Verringerung des Hofraums eines Beteiligten zugunsten eines anderen Teilnehmers ist dann nicht gerechtfertigt, wenn die bei dem zu begünstigenden Teilnehmer zweckmäßigen Änderungen durch eigene Maßnahmen, sei es durch betriebliche Veränderung oder durch Übernahme besonderer Opfer, ausgeglichen werden können (BVerwGE 44, 92 und die dort angezogene Rechtsprechung).

Die vom Flurbereinigungsgericht angeführten Erwägungen reichen jedoch nicht aus, die dem Beigeladenen zugedachte Hofraumerweiterung zu Lasten des Hofraums der Kläger als unumgänglich notwendig anzusehen. Bei der vorgenommenen Augenscheinseinnahme hat das Flurbereinigungsgericht festgestellt, daß die Zuteilung der zwischen den Klägern und dem Beigeladenen strittigen Fläche im Grenzbereich für den letzteren insofern von Vorteil sei, als diesem hierdurch eine leichtere Bewirtschaftung seiner Hofstelle in Form einer weiteren Zufahrt, die er neben der bisherigen, sehr beengten und südlich von seinem Wohngebäude und Stall befindlichen Zufahrt sehr benötige, ermöglicht werde; und weiter, daß die Zuteilung des Abfindungsflurstücks 156 an die Teilnehmer F. (die ihrerseits in dem von dem Beigeladenen selbst angestrengten Klageverfahren - VII 926/71 - beigeladen waren) zur Vergrößerung deren Hofraums nach Westen hin zweckmäßig und erforderlich sei.

Diese Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts vermögen die daraus gezogenen rechtlichen Folgerungen jedoch nicht zu tragen. Die sachlich-rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falles aufgrund dieser unbestrittenen Feststellungen ergibt vielmehr, daß das Begehren des Beigeladenen auf Zuteilung der strittigen Fläche flurbereinigungsrechtlich nicht in dem oben beschriebenen Sinne geboten ist. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat der einzelne Teilnehmer - ebensowenig wie er einen Anspruch auf eine Abfindung an bestimmter Stelle oder durch bestimmte Grundstücke hat (Urteil vom 25.5.1961 - BVerwG RzF - 10 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG I C 102.58 - (RdL 1961, 274)) - auch keinen Anspruch auf Durchführung bestimmter Einzelmaßnahmen (Beschluß vom 28.12.1970 - BVerwG IV B 170.69 -) oder konkreter Vorhaben. Der einzelne Teilnehmer hat nach den hier anzuwendenden flurbereinigungsrechtlichen Vorschriften lediglich Anspruch darauf, daß keine Verschlechterung der bisherigen Nutzungsart eintritt (Urteil vom 5.6.1961 - BVerwG RzF - 12 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG I C 231.58 --(RdL 1961, 240 (242))). Ansprüche auf Funktionsverbesserung und Bewirtschaftungserleichterung der eingelegten und wieder zugewiesenen Hofanlage können daraus jedoch nicht hergeleitet werden.

Nach § 44 Abs. 3 FlurbG hat der Teilnehmer Anspruch darauf, daß die Abfindungsgrundstücke durch Wege zugänglich gemacht werden (Beschluß vom 7.7.1958 - BVerwG I CB 187.57 -). Es besteht jedoch kein Anspruch darauf, daß die Grundstücke mehrere Zuwegungen erhalten (Beschluß vom 20.8.1958 - BVerwG I CB 43.58 - (Buchholz 424.00 §§ 48 ff. RUO Nr.10)).

Nach dem festgestellten Sachverhalt ist das Abfindungsflurstück in der von der Beschwerdeentscheidung nicht berührten Gestalt durch 3 öffentliche Wege (die Gemeindewege 155 und 176 sowie die Landstraße L 240 (Hauptstraße)) erschlossen. Es weist beim Hausgrundstück eine Zuwegung auf, die den bisherigen landwirtschaftlichen Betriebserfordernissen genügte, durch den Flurbereinigungsplan keine Änderung erfuhr und deshalb durch die Verfahrensgestaltung weder enger noch schwieriger befahrbar noch in anderer Hinsicht unzulänglich geworden ist. Daß diese Zufahrt sehr beengt ist und deshalb eine Verbreiterung zweckmäßig und wünschenswert erscheint, ist nicht zu verkennen. Es kann auch nicht in Abrede gestellt werden, daß ein durch verbundene Zuwegungen ermöglichter Rundverkehr eine erhebliche Betriebserleichterung mit sich bringen dürfte. Gleichwohl reichen diese Gesichtspunkte nicht aus, die begehrte Veränderung des Hofraums der Kläger zu rechtfertigen. Denn damit ist nicht nachgewiesen, daß die Durchführung der Flurbereinigung diesen Eingriff erfordert, d. h. unumgänglich notwendig macht. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG ist die Veränderung des Hofraums nicht schon dann zulässig, wenn sie zweckmäßig erscheint, wenn damit eine wunsch- und zeitgemäße Bewirtschaftung durch einen Rundumverkehr ermöglicht würde. Die vom Flurbereinigungsgericht für die gebilligte Veränderung des Hofraums der Kläger angeführte Erwägung, der dadurch ermöglichte Rundumverkehr lasse die Zuteilung des strittigen Flächenstreifens an den Beigeladenen "erforderlich" erscheinen, beruht auf einer Verkennung dieses Rechtsbegriffs und genügt demnach nicht dem vorangestellten qualifizierten Erfordernis. Die vorgesehene Hofraumbeeinträchtigung kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung der Grundlage des Wirtschaftsbetriebes als eine notwendige Maßnahme angesehen werden. Das für eine solche Maßnahme im Zuge der Neugestaltung verlangte Erfordernis der Unumgänglichkeit fehlt bei einer vorhandenen und erhalten gebliebenen Zufahrt im örtlichen Bereich (vgl. BVerwGE 44, 92 (95) und die dort angeführte Rechtsprechung). Entgegen der Auffassung des Beklagten muß sich - wie bereits hervorgehoben - ein Teilnehmer entgegenhalten lassen, daß die zweckmäßig erscheinenden Änderungen durch eigene Maßnahmen, sei es durch betriebliche Veränderungen oder durch Übernahme besonderer Opfer, ausgeglichen werden können. Die Möglichkeit der Abhilfe durch eigene Maßnahmen wird im vorliegenden Fall nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Durchfahrt durch die vorhandenen Toröffnungen in der Scheune des Beigeladenen über den rückwärtigen Teil des Flurstücks 158 und den Gemeindeweg FW 155 nach Auffassung des Flurbereinigungsgerichts keine akzeptable Lösung darstellen könne. Die damit angedeutete Unzumutbarkeit, einer solchen Ausweichmöglichkeit nachzugehen, kann weder auf die dadurch bedingte Entfernung noch auf die stärkere Benutzung öffentlicher Wege, insbesondere der L 240 gestützt werden. Denn das der Abfindungsbeschwerde des Beigeladenen - die diesen Rechtsstreit ausgelöst hat - zugrundeliegende Begehren, war in erster Linie darauf gerichtet, die von seinem Einlageflurstück den Teilnehmern F. zugeteilte Fläche (Flurstück 156) wieder zurückzuerhalten, die er "unbedingt benötige als Hofeinfahrt und Abstellraum" (vgl. Nr. 5 des Beschwerdevorbringens auf Seite 4 des angegriffenen Beschwerdebescheids). Die vom Beigeladenen in diesem Grundstücksbereich selbst als Hofeinfahrt erwünschte weitere Zuwegung kann danach für den durch eigene Maßnahmen zu bewerkstelligenden Rundumverkehr schwerlich als unzumutbar angesehen werden, zumal die Zuwegung längs des Flurstücks 156 anstatt über dieses Flurstück für einen zeitgemäßen landwirtschaftlichen Verkehr entfernungsmäßig unbedeutend ist. Eine stärkere Benutzung der L 240 - von allenfalls zwei Häuserbreiten - kann bei der durch eigene Maßnahmen erschließbaren Ausweichmöglichkeit deswegen nicht ins Gewicht fallen, weil die beiden restlichen Abfindungsflurstücke des Beigeladenen durch den so geschaffenen Rundumverkehr entweder von der vorhandenen Hofeinfahrt bei der Hauptstraße aus angefahren oder über die noch zu schaffende Zuwegung beim Feldweg 155 erreicht werden können und deshalb eine zusätzliche Benutzung der Hauptstraße hierfür nicht notwendig wird.

Die dem unbestrittenen Sachverhalt zu entnehmenden gesamten Umstände rechtfertigen deshalb nicht den Schluß, daß unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten jegliche eigenbetriebliche Abhilfemöglichkeit ausgeschlossen ist. Daraus folgt, daß die im Beschwerdebescheid vorgesehene und vom Flurbereinigungsgericht gebilligte Veränderung des Hofraums der Kläger nicht zulässig ist. Denn wenn - wie hier - der Zweck der Flurbereinigung die vorgesehene Veränderung des Hofraums nicht erfordert, dann ist für ein dahin gehendes Gestaltungsermessen der oberen Flurbereinigungsbehörde und damit auch des Flurbereinigungsgerichts kein Raum (BVerwGE 44, 92, 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).