Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.05.1961 - I C 102.58 = RdL 1961 S. 274= NJW 1961 S. 1882= IK 1961 S. 283
Aktenzeichen | I C 102.58 | Entscheidung | Urteil | Datum | 25.05.1961 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = RdL 1961 S. 274 = NJW 1961 S. 1882 = IK 1961 S. 283 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen im Rahmen eines Umlegungsverfahrens verbindliche Zusagen für eine bestimmte Abfindung gegeben werden dürfen. |
2. | Ein Flurbereinigungsteilnehmer kann auf seinen Landabfindungsanspruch zugunsten eines bestimmten Dritten verzichten. |
Aus den Gründen
Das Flurbereinigungsgericht hat die Frage, ob der Kläger eine Zusage erhalten hat, offengelassen und darauf abgestellt, daß das Kulturamt "unbestrittenermaßen sein Versprechen gehalten" habe, daß aber die Spruchstelle hieran nicht gebunden und daß dem Kläger "eine Garantie für die endgültige Plangestaltung nicht gegeben worden sei". Der Senat hat die letzteren Ausführungen des Flurbereinigungsgerichts dahin verstanden, daß dem Kläger eine die Spruchstelle bindende Zusage nicht erteilt worden sei. Hierauf kommt es aber - wie noch darzutun ist - nicht an; es muß vielmehr darauf abgestellt werden, ob das Kulturamt dem Kläger eine verbindliche Zusage erteilt hat.
Die Entscheidung der Frage, ob die Rechtsmittelbehörde an eine Zusage der unteren Umlegungsbehörde gebunden ist, hängt zunächst davon ab, ob im Umlegungsrecht überhaupt und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Zusagen verbindlich abgegeben werden können.
a) Die grundsätzliche Zulässigkeit von Zusagen, einen Verwaltungsakt bestimmten Inhalts zu erlassen, ist in der Rechtsprechung des Senats anerkannt (BVerwGE 1, 254; 3, 199; Urteil vom 8.3.1956 - BVerwG I C 106.55 - (DÖV 1956 S. 366)). Hiernach verpflichtet eine mündliche Zusage die Behörde in der Regel, den Verwaltungsakt auch schriftlich zu erlassen, wenn dies dem Grundsatz des Vertrauensschutzes entspricht. Nicht verbindlich ist eine Zusage dagegen, wenn sie gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, sonst rechtswidrig ist oder der erklärende Beamte zu ihrer Erteilung nach seiner Stellung innerhalb der Behörde nicht befugt war. Diese Grundsätze gelten auch im Flurbereinigungsrecht, soweit sich aus seinen Besonderheiten keine Abweichungen ergeben.
Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die an einem Umlegungsverfahren Beteiligten grundsätzlich keinen Anspruch darauf haben, an einer bestimmten Stelle abgefunden zu werden oder bestimmte Grundstücke zugeteilt zu erhalten (Beschlüsse vom 22.4.1958 - BVerwG l B 133.57 -, vom 20.8.1958 - BVerwG I CB 43.58 - und vom 24.6.1959 - BVerwG I B 23.59 -; Urteil vom 3.12.1959 - BVerwG I C 95.58 -). Das schließt nicht aus, daß die Behörde einem Beteiligten eine bestimmte Abfindung zusichert. Die Aufstellung des Umlegungsplanes steht - von bestimmten Einschränkungen abgesehen - im Ermessen der Umlegungsbehörde. Die Grenzen dieses Ermessens werden durch den Zweck der Umlegung und die berechtigten Ansprüche der Beteiligten auf eine wertgleiche und zweckentsprechende Abfindung festgelegt. Die Neuordnung des Umlegungsgebietes und die Gestaltung der Abfindung der einzelnen Beteiligten lassen aber regelmäßig eine Vielzahl von Lösungen zu. Dieser weite Ermessensspielraum ermöglicht es der Behörde, Zusagen für Abfindungen in einer bestimmten Lage zu geben; sie kann unter gewissen Voraussetzungen sogar ein Interesse daran haben, solche Erklärungen abzugeben und damit auch den Beteiligten zu binden, wenn hierdurch die Erreichung des Umlegungszweckes erleichtert oder die Durchsetzung eines bestimmten Zieles ermöglicht wird. Hierbei muß jedoch berücksichtigt werden, daß die Abfindung des einzelnen Beteiligten nur einen Teil der zweckmäßigen Neuordnung des gesamten Umlegungsgebietes darstellt, die durch Zusagen weder erschwert noch unmöglich gemacht werden darf. Es dürfen weiter die Rechte und Belange dritter Beteiligter nicht beeinträchtigt werden. Eine Zusage, die den Gesamtzweck des Verfahrens beeinträchtigt oder zu einer Benachteiligung anderer Beteiligter führt, steht mit dem Umlegungsrecht nicht in Einklang, ist rechtswidrig und daher unverbindlich. Hieraus ergeben sich in erheblichem Umfang Einschränkungen für die Zulässigkeit von Zusagen im Flurbereinigungsrecht.
Die rechtliche Wirkung einer unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte verbindlichen Zusage besteht darin, daß sich die Behörde ihrer ermessensmäßigen Gestaltungsmöglichkeit begeben hat. Der Beteiligte erlangt ein Recht auf eine an einer bestimmten Stelle gelegene Abfindung, und die Behörde ist verpflichtet, den Plan entsprechend ihrer Zusage aufzustellen.
Die vom Flurbereinigungsgericht erhobenen Bedenken gegen die Gültigkeit der Zusage, weil hierdurch die Abfindung berührt werde, greifen nicht durch. Ob der vom Kläger behauptete Tausch mit der Familie rechtswirksam zustande gekommen ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls konnten die Beteiligten auf ihren Abfindungsanspruch zugunsten des Klägers teilweise verzichten und dadurch seinen Abfindungsanspruch verbessern. Hatten diese Beteiligten wegen der besonderen Lage und der besonderen Eigenschaften ihrer Grundstücke eine Anwartschaft darauf, in der Lage der dem Kläger ursprünglich zugeteilten Fläche abgefunden zu werden, so kann das zugunsten des Klägers nicht unberücksichtigt bleiben.
b) Kann die vom Kläger behauptete Zusicherung nicht von vornherein als unwirksam angesehen werden, so kann auch die Spruchstelle nicht mit der Begründung darüber hinweggehen, sie werde durch Zusagen der unteren Behörde schlechthin nicht gebunden.
Die gegenteilige Rechtsansicht des Flurbereinigungsgerichts, die auch vom OVG Lüneburg (RdL 1961 S. 81 = SchlHA 1961 S. 149) und vom Flurbereinigungsgericht Stuttgart (ESVGH Bd. 5 S. 122 (125) ) vertreten wird, geht auf die Rechtsprechung zurück, die das preußische OVG zum früheren Umlegungsrecht entwickelt hat. Im Beschluß vom 16.1.1935 (ZfAgrW Bd. 22 S. 75 (77)) hat es ausgesprochen, daß das OVG "weder an die in den früheren Rechtsstufen von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen (vgl. OVG Bd. 93 S. 170) noch an solche Festsetzungen der Vorentscheidung gebunden ist, die nicht angefochten wurden". Diese Rechtsprechung will Mitsdörffer (ZfAgrW Bd. 27 S. 49 ff. (53)) auf die RUO angewendet wissen. Auf Mitsdörffer beruft sich wiederum das OVG Lüneburg aaO. Diese Rechtsprechung kann jedoch - jedenfalls soweit es sich um Vereinbarungen handelt - keine Beachtung mehr finden, weil es sich einerseits bei den genannten Abreden um privatrechtliche Vereinbarungen zwischen Beteiligten handelt, andererseits die verfahrensrechtlichen Verhältnisse eine grundlegende Änderung dadurch erfahren haben, daß die Spruchstelle nunmehr eine Verwaltungsentscheidung und nicht mehr eine gerichtliche Entscheidung zu treffen hat und allgemeine Grundsätze des öffentlichen Rechts ihr entgegenstehen.
Die in dem angefochtenen Urteil und in der Entscheidung des OVG Lüneburg aaO - unter Bezugnahme auf den Beschluß der Obersten Spruchstelle für Umlegungen vom 13.1.1941 (ZfAgrW Bd. 27 S. 71) - hervorgehobenen Gesichtspunkte, der Umlegungsplan dürfe im Hinblick auf das das Umlegungsrecht beherrschende Offizialverfahren von Amts wegen ohne weiteres geändert und die Abfindung jedes Beteiligten hierzu herangezogen werden, können die Nichtberücksichtigung von Zusagen ebensowenig rechtfertigen wie die Überlegung, die Zusagen der unteren Behörde könnten die Entscheidungsfreiheit der Spruchstelle nicht einschränken. Der bekanntgemachte Umlegungsplan bindet grundsätzlich nicht nur die Beteiligten, sondern auch die Umlegungsbehörde, die jedoch den Umlegungsplan ändern kann, wenn die Änderung notwendig ist (§ 63 RUO) oder - nach dem Erlaß der Ausführungsanordnung - wenn öffentliche Interessen oder wichtige wirtschaftliche Bedürfnisse der Beteiligten es erfordern (§ 73 RUO). Die gleiche Befugnis kommt der Spruchstelle im Beschwerdeverfahren (oder auf Grund gerichtlicher Zurückverweisung, § 144 FlurbG) zu. Diese Befugnis ist jedoch nicht unbeschränkt. Die Spruchstelle hat keine absolute Entscheidungsfreiheit und kein Recht, jegliche Änderung des Umlegungsplans vorzunehmen. Sie kann nur im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens (oder auf Grund gerichtlicher Zurückverweisung) tätig werden. Hierdurch wird auch der Umfang etwa notwendiger Änderungen des Umlegungsplans festgelegt. Darüber hinaus steht ihr das Recht zur Planänderung nicht zu. Das ist für das Flurbereinigungsgesetz dadurch zum Ausdruck gebracht, daß die obere Flurbereinigungsbehörde begründeten Beschwerden abzuhelfen hat und hierbei nach § 141 Abs. 2 FlurbG die Vorschriften des § 60 Abs. 1 Sätze 3 und 4, nicht dagegen des Satzes 2, entsprechend anzuwenden sind. Gleiches gilt für Verfahren, die nach der RUO zu Ende geführt werden. Die Durchführung der Umlegung liegt, soweit im Gesetz nichts anderes bestimmt ist, in der Hand der unteren Umlegungsbehörde. Wollte die Spruchstelle deren Befugnisse an sich ziehen, so verstieße sie gegen die gesetzliche Zuständigkeitsregelung, und die Maßnahme wäre fehlerhaft.
Da der Spruchstelle eine Planänderungsbefugnis nur für den Fall zusteht, daß sie die Beschwerde für begründet ansieht (oder ihr auf Grund gerichtlicher Zurückverweisung abzuhelfen hat), hängt die Beurteilung der Frage, ob sie durch eine Zusage der unteren Behörde in ihrer Entscheidungsfreiheit beschränkt wird, von den Umständen des einzelnen Falles ab. Es läßt sich also nicht der Grundsatz aufstellen, daß jede Zusage die obere Spruchstelle an einer dem Gesetz entsprechenden Entscheidung hindere und sie daher schlechthin nicht an Zusagen der unteren Behörde gebunden sei.
Auch die Überlegung, Zusagen der unteren Behörde könnten für die Beschwerdebehörde nicht verbindlich sein, weil sie das Recht habe, in die Abfindung zufriedener Beteiligter einzugreifen, kann nicht durchschlagen. Insoweit besteht kein Unterschied, ob die Änderung von der unteren Umlegungsbehörde (§§ 63, 73 RUO) oder von der Spruchstelle im Beschwerdeverfahren (oder auf Grund gerichtlicher Zurückverweisung) verfügt wird. Dieses Recht steht beiden Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu. Dieser Gesichtspunkt könnte nur den Schluß rechtfertigen, daß auch die untere Umlegungsbehörde nicht an eine von ihr abgegebene Zusage gebunden wäre. Das entspricht aber - wie dargelegt - nicht der Rechtslage.
c) Ebenso wie die Neueinteilung des Umlegungsgebietes und die Gestaltung der Landabfindung des einzelnen Beteiligten bei der Aufstellung des Umlegungsplanes im Ermessen der Umlegungsbehörde liegt, steht es in ihrem Ermessen, auf welche Art und Weise sie eine nach §§ 61, 73 RUO notwendige oder erforderliche Planänderung im einzelnen durchführt. Hat jedoch die Umlegungsbehörde die Abfindung eines Beteiligten auf Grund einer verbindlichen Zusage ausgewiesen, hat sie sich also in ihrem Ermessensbereich gebunden, so muß sie diese Selbstbindung und Verpflichtung auch bei der Planänderung beachten. Der der unteren Umlegungsbehörde bei Planänderungen eingeräumte Ermessensspielraum kommt auch der Spruchstelle zu, wenn sie die Beschwerde eines Beteiligten gegen seine Landabfindung für begründet hält und zur Herstellung eines gesetzmäßigen Zustandes die Abfindung anderer Beteiligter heranzieht. Da sie in diesem Fall an Stelle der an sich nach dem Gesetz zu Planänderungen berufenen unteren Umlegungsbehörde handelt, gelten für sie aber auch die gleichen Ermessenseinschränkungen.
d) Diese Rechtslage führt jedoch nicht dazu, daß in eine auf Grund einer Zusage vorgenommene Abfindung unter keinen Umständen eingegriffen werden dürfe, wie der Kläger annimmt. Die durch den Umlegungsplan begründete Rechtsposition ist nicht unabänderlich. Die Abfindung des einzelnen Beteiligten bildet einen Teil des Gesamtplanes. Erst wenn alle den Gesamtplan betreffenden Festsetzungen endgültig sind, wird auch die einzelne Abfindung endgültig. Solange das nicht der Fall ist, steht jede Abfindung unter dem Vorbehalt möglicher Änderung. Die durch eine verbindliche Zusage geschaffene begünstigende Rechtsposition hat allerdings eine stärkere Bestandswirkung als die ohne Zusage gewährte Abfindung. Diese kann jedoch dadurch aufgehoben werden, daß die Zusage widerrufen wird. Das ist dann gerechtfertigt, wenn durch ihre Einhaltung der Gesamtzweck des Verfahrens vereitelt oder der gesetzliche Anspruch eines Beteiligten auf eine wertgleiche Abfindung nicht befriedigt werden kann, wenn also nachträglich wesentliche Veränderungen eintreten, die - wären sie bei Abgabe der Zusage bekannt gewesen - die Zusage als rechtswidrig erscheinen ließen. Der Widerruf einer verbindlichen Zusage wird hiernach dann als zulässig anzusehen sein, wenn keine andere dem Gesetz entsprechende Möglichkeit besteht, einen ordnungsgemäßen Zustand herzustellen. Erleidet der Betroffene allerdings durch den Widerruf der Zusage Nachteile, weil er z.B. im Vertrauen auf die Einhaltung der Zusage besondere Aufwendungen gehabt hat, so muß dies u.U. zur Zubilligung eines Ersatzanspruchs führen. Im Falle des Widerrufs einer verbindlichen Zusage entspricht die Rechtslage der Lage, wie sie bei der nachträglichen Änderung einer Ausführungsanordnung eintritt (vgl. insoweit Hillebrandt - Engels - Geith, RUO Anmerkung 3 a. E. zu § 66) oder der Änderung der Besitzeinweisung (vgl. § 59 Abs. 2 FlurbG). In diesen Fällen war schon früher anerkannt, daß dem Beteiligten, der durch nachträgliche Maßnahmen Nachteile erleidet, ein Ausgleich zu gewähren ist, weil der Teilnehmer eines Umlegungsverfahrens durch die Ausführung der Umlegung keinen Schaden erleiden darf.
Das Flurbereinigungsgericht wird hiernach unter Berücksichtigung der Beweisangebote des Klägers feststellen müssen, ob dem Kläger die Zuteilung des Grundstücks Flur 1 Nr. 46 zugesagt worden ist. Wenn das bejaht werden sollte, bleibt zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zusage vorliegen. Dies festzustellen, ist auch das Flurbereinigungsgericht berufen.