Flurbereinigungsgericht München, Beschluss vom 23.12.2009 - 13 AS 09.2659 (Lieferung 2011)

Aktenzeichen 13 AS 09.2659 Entscheidung Beschluss Datum 23.12.2009
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung 2011

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Besitzeinweisung wird nur durch ein offensichtliches grobes Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung oder durch einen unzumutbaren Eingriff in die bisherige Struktur des Betriebs in Frage gestellt.

Aus den Gründen

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Auch wird bei der Prüfung der besonderen Voraussetzungen für die im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde liegende vorläufige Besitzeinweisung regelmäßig nicht näher untersucht, ob die zugedachten Abfindungen wertgleich sind, weil insoweit dem Verfahren über Planwidersprüche nicht vorgegriffen werden darf (BVerwG vom 30.10.1979 BVerwGE 59, 79/85; Schwantag in Schwantag/Wingerter, FlurbG, 8. Aufl. 2008, RdNr. 20 zu § 65 <= RzF - 33 - zu § 51 Abs. 1 FlurbG>). Mit einem Widerspruch gegen die vorläufige Besitzeinweisung kann also nicht vorab die fehlende Wertgleichheit der Abfindung gerügt werden, sondern nur, eine auch nur vorübergehende Nutzung der Abfindung bis zur Planausführung (§ 61, § 63 FlurbG) sei unzumutbar. Dies wäre aber nur der Fall, wenn entweder ein grobes Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung besteht oder unzumutbar in die Struktur des Betriebs eingegriffen worden ist (vgl. BVerwG vom 23.8.2006 BVerwGE 126, 303/311 <= RzF - 102 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>; vom 17.8.1988 RzF 86 zu § 44 Abs. 1 <= RzF - 86 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>; NdsOVG vom 11.12.2008 RdL 2009, 71/73).


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Ein grobes Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung ist zunächst auf der Grundlage der vorgelegten rein rechnerischen Abgleichung von Abfindung und Forderung nicht erkennbar. Der Forderung in Höhe von 21,0079 ha und 287.706 WVZ steht laut (vorläufigem) Auszug aus dem Flurbereinigungsplan eine Abfindung von 21,0474 ha und 287.668 WVZ gegenüber. Aber auch in Bezug auf das von der Antragstellerin bemängelte Acker/Grünland-Verhältnis ist ein solches – selbst wenn der Prüfung die von ihr vorgetragenen Flächenangaben zugrunde gelegt werden – nicht gegeben. Nach ihren Angaben im Schreiben vom 22. November 2009 seien 15,5713 ha Ackerflächen eingelegt worden. Unter Berücksichtigung des nicht im Verfahrensgebiet gelegenen Einlageflurstücks 3347 (0,4871 ha) und des festgelegten Abzugs gemäß § 47 FlurbG in Höhe von 1,8 % ergibt sich eine Forderung von 14,8127 ha. Als Abfindung hat die Antragstellerin nach ihrer Berechnung 13,3132 ha Ackerfläche erhalten. Die Differenz von 1,4995 ha, die einem Ackerflächendefizit von 10,12 % entspricht, könnte zwar auf eine Fehlerhaftigkeit des Flurbereinigungsplans hindeuten. Sie erreicht aber keine Größenordnung, die das gesamte Zusammenlegungsprojekt grundsätzlich in Frage stellen könnte. Werden für die Berechnung des Acker/Wiesen-Verhältnisses die vom ALE ermittelten Zahlen zugrunde gelegt, ergibt sich kein Defizit an Ackerfläche, sondern sogar ein Zuwachs von 0,8883 ha (7.314 WVZ). Zudem erscheint der Antragstellerin die Bewirtschaftung der vorläufigen Abfindung auch deshalb zumutbar, weil zu erwarten ist, dass sie ihre Bewirtschaftungsform (Futteranbau) trotz der Minderung an Ackerflächen ohne größere Einschränkungen beibehalten kann.


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Ein unzumutbarer Eingriff in die Struktur des landwirtschaftlichen Betriebs der Antragstellerin dürfte ebenfalls nicht vorliegen. Nach § 44 Abs. 5 Satz 1 FlurbG bedarf eine durch die Gestaltung der Abfindung verursachte völlige Änderung der bisherigen Struktur eines Betriebes der Zustimmung des Teilnehmers (s. hierzu BayVGH vom 13.7.2004 RzF 2 zu § 44 Abs. 5 <= RzF - 2 - zu § 44 Abs. 5 FlurbG>; BayVGH vom 7.12.1972 RzF 22 zu § 28 Abs. 1 <= RzF - 22 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG>; Schwantag, a.a.O., RdNr. 80 zu § 44).


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Die Antragstellerin betreibt nach eigenen Angaben – neben einer hier keine Rolle spielenden Schafhaltung kleineren Umfangs – einen ökozertifizierten Milchviehbetrieb mit einem derzeitigen Viehbestand von 23 Tieren (21 Kühe, ein Deckbulle und ein Kalb). Diese werden derzeit – soweit betrieblich möglich – auf Auslauf- bzw. Weideflächen in unmittelbarer Umgebung des (Aussiedlungs-)Stalls auf Flurstück 96 gehalten. Die Betriebsform der Weidehaltung wird – soweit bei summarischer Prüfung der Sachlage ersichtlich – durch die der Antragstellerin mit der vorläufigen Besitzeinweisung zugeteilte vorläufige Abfindung nicht unzumutbar eingeschränkt. Auch ist nicht erkennbar, weshalb dem Betrieb die Ökozertifizierung aberkannt werden sollte. Das der Antragstellerin zuerkannte Zertifikat vom 2. November 2009 nach Art. 29 Abs. 1 der Verordnung (EG) 834/2007 ist bis 31. Dezember 2010 gültig. Im Übrigen kann auch der im Schreiben der Zertifizierungsstelle vom 23. Juli 2009 genannte Weidewechsel auf den neu zugeteilten Flächen durchgeführt werden.


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Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass auf Flurstück 96 (aus nicht flurbereinigungsbedingten Gründen) für die nächste Zeit keine bzw. nur eine kleine Auslauf- und Weidefläche zur Verfügung steht und die Antragstellerin auch Einlageflurstück 414 nicht nutzen kann, liegt vorläufig kein unzulässiger Eingriff in die Betriebsstruktur vor. Der Antragstellerin ist nach Einschätzung des insoweit sachverständig besetzten Senats zumutbar, vorübergehend das Abfindungsflurstück 2658 als Auslauf- und Weidefläche heranzuziehen. Dieses Flurstück ist derzeit als Wiese genutzt und kann sofort als Weidefläche verwendet werden. Dass es für die vorgesehene Weidehaltung qualitativ nicht geeignet wäre, wurde von der Antragstellerin nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Es ist ausreichend groß, weist durchgängig die Wertzahl 13 auf und enthält weder Hang- noch Nässeabschläge. Die im Vergleich zu Einlageflurstück 414 weitere Entfernung dieses Flurstücks vom Stallstandort (nach der vom ALE vorgelegten Entfernungsberechnung 490 m) vermag die Verwendbarkeit der Fläche als Weide aus derzeitiger Sicht nicht grundsätzlich in Frage zu stellen. Die entstehende Verlängerung des Triebwegs ist – zumindest vorübergehend – als noch akzeptabel anzusehen, da auch bei der Nutzung von Einlageflurstück 414 die Kreisstraße NEA 32 überquert werden muss und nicht erkennbar ist, dass der als Triebstrecke dienende Weg Abfindungsflurstück 2653 hierfür ungeeignet wäre. Die während der Weidezeit durch die Entfernungsverschlechterung und den zu erwartenden erhöhten Zeitbedarf für den Viehtrieb entstehenden Arbeitserschwernisse stellen zwar (abhängig von der Zahl der täglich notwendig werdenden Triebvorgänge) einen nicht unbedeutenden betriebswirtschaftlichen Nachteil dar. Dieser ist aber in Anbetracht der Vorläufigkeit des gegenwärtigen Zustands bis zur (Wieder-) Nutzbarkeit der Weideflächen auf Flurstück 96 bzw. bis zu der innerhalb von zwei Jahren möglichen Umstellung der südöstlichen (Teil-) Fläche von Abfindungsflurstück 2733 auf Weidenutzung hinnehmbar.