Flurbereinigungsgericht Mannheim, Urteil vom 03.11.2015 - 7 S 804/13 (Lieferung 2017)

Aktenzeichen 7 S 804/13 Entscheidung Urteil Datum 03.11.2015
Gericht Flurbereinigungsgericht Mannheim Veröffentlichungen Lieferung 2017

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Allein der Umstand, dass sich Miterben den Klagen anderer Mirterben nicht angeschlossen haben, führt für sich allein - ohne Hinzutreten weiterer Umstände - zu keiner rechtsmissbräuchlichen Prozessführung.
2. Weitere Mitglieder der Erbengemeinschaft sind nicht notwendig beizuladen. Das im Rechtsstreit ergehende Urteil wirkt weder für noch gegen die übrigen Miterben, weshalb sie keine notwendigen Streitgenossen nach § 64 VwGO, § 62 Abs. 1 ZPO sind.
3. Sind in einem Flurbereinigungsverfahren unter Anwendung der Sonderbestimmungen in §§ 87 bis § 89 FlurbG von den Teilnehmern tatsächlich keine Flächen für das Unternehmen aufzubringen und sind auch sonst keine entgegenstehenden unternehmensbedingten Gründe ersichtlich, finden die für die Abfindung eines Teilnehmers maßgeblichen Planungsgrundsätze des § 44 FlurbG, insbesondere der Anspruch auf wertgleiche Landabfindung, grundsätzlich Anwendung.
4. Werden Grundstücke nach der vorläufigen Besitzeinweisung - mithin nach dem Stichtag - von dem Zuteilungsempfänger mit einem Pferdestall bebaut, ändert dies nichts an der Bewertung nach § 28 Abs. 1 FlurbG, da sie zum maßgeblichen Zeitpunkt lediglich theoretisch - wie jedes andere Grundstück im Außenbereich auch - unter den Voraussetzungen des § 35 BauGB bebaubar waren.

Aus den Gründen

Die Kläger sind ungeachtet dessen, dass außer ihnen noch zwei Schwestern Mitglieder der ungeteilten Erbengemeinschaft nach Fxxxxxxx Mxxxxxxx sen. sind und diese keine Vollmacht erteilt haben, jedenfalls nach § 2039 Satz 1 BGB prozessführungsbefugt. Danach ist jeder Miterbe - unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB - berechtigt, einen zum Nachlass gehörenden Anspruch in eigenem Namen geltend zu machen und Leistung an die Gesamthandsgemeinschaft aller Miterben zu verlangen. Dazu gehört auch das Recht des einzelnen Mitglieds einer ungeteilten Erbengemeinschaft, in eigenem Namen durch Verpflichtungsklage einen zum Nachlass gehörenden Anspruch der Erbengemeinschaft - hier auf wertgleiche Abfindung - gerichtlich geltend zu machen. Die Rechte der übrigen Miterben werden von dieser dem einzelnen Miterben in seinem Interesse gewährten gesetzlichen Prozessstandschaft grundsätzlich nicht berührt (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. 20.05.1998 - 11 C 7.97 -, Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 78, Beschl. v. 09.06.1986 - 5 B 147.83 -, Buchholz 424.01 § 149 FlurbG Nr. 5). Zwar ist eine solche Prozessführungsbefugnis nicht schlechthin unbegrenzt und kann nach den Umständen des Einzelfalls auch rechtsmissbräuchlich sein. Allein der Umstand, dass sich die beiden Schwestern den Klagen nicht angeschlossen haben, führt jedoch für sich allein - ohne Hinzutreten weiterer Umstände - auf keine rechtsmissbräuchliche Prozessführung (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.05.1998, a.a.O.). Die weiteren Mitglieder der Erbengemeinschaft sind auch nicht notwendig beizuladen (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.07.2009 - 8 C 8.08 -, Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 44; Beschl. v. 20.10.1997 - 7 B 248.97 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 33; a. BayVGH, Urt. v. 21.07.1961 - 48 VII 60 -). Das im Rechtsstreit ergehende Urteil wirkt weder für noch gegen die übrigen Miterben, weshalb sie keine notwendigen Streitgenossen nach § 64 VwGO, § 62 Abs. 1 ZPO sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 09.10.1995 - 7 AV 8.95 -, Buchholz 428 § 2a VermG Nr. 1 m.w.N.).


...


Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ist jeder Teilnehmer der Flurneuordnung unter Berücksichtigung der nach § 47 FlurbG vorgenommenen Abzüge grundsätzlich mit Land von gleichem Wert abzufinden. Zwar haben die Beteiligten an einem Flurbereinigungsverfahren unter Anwendung der Sonderbestimmungen in §§ 87 bis § 89 FlurbG im Hinblick auf § 88 Nr. 4 Satz 1 FlurbG grundsätzlich keinen solchen Anspruch (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.04.1970 - IV C 47.66 -, Buchholz 424.01 § 88 FlurbG Nr. 1 <= RzF - 14 - zu § 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG>, Beschl. v. 06.01.1987 - 5 B 30.85 -, Buchholz 424.01 § 87 FlurbG Nr. 9 <= RzF - 37 - zu § 87 Abs. 1 FlurbG>, Beschl. v. 11.05.1988 - 5 B 2.87 -, RdL 1989, 16 <= RzF - 7 - zu § 88 Nr. 7 FlurbG>). Allerdings wird auch in einem solchen Verfahren versucht, eine Abfindung in Land zu gewähren, die dazu bestimmt ist, den Landverlust, der durch die für das Unternehmen benötigten Flächen eingetreten ist, voll auszugleichen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.05.1988, a.a.O., Beschl. v. 11.05.1988 - 5 B 129.86 -, NuR 1989, 343 <= RzF - 14 - zu § 27 FlurbG>, Beschl. v. 06.01.1987, a.a.O.). Die Abfindung darf auch nur aus unternehmensbedingten Gründen hinter den Anforderungen des § 44 FlurbG zurückbleiben (vgl. Wingerter/Mayr, FlurbG 9. A. 2013, § 87 Rn. 9). Sind - wie hier - von den Teilnehmern tatsächlich keine Flächen für das Unternehmen aufzubringen und sind auch sonst keine entgegenstehenden unternehmensbedingten Gründe ersichtlich, finden daher die für die Abfindung eines Teilnehmers maßgeblichen Planungsgrundsätze des § 44 FlurbG, insbesondere der Anspruch auf wertgleiche Landabfindung, grundsätzlich Anwendung. Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - ein sog. kombiniertes Verfahren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.05.1989 - 5 B 15.89 -, Buchholz 424. 01 § 87 FlurbG Nr. 13; Wingerter/Mayr, a.a.O., § 87 Rn. 30) in Rede steht. Die Planungsgrundsätze des § 44 FlurbG sind bei der Unternehmensflurbereinigung lediglich insoweit eingeschränkt, als für nicht mehr behebbare, unternehmensbedingte Wertminderungen (§ 88 Nrn. 3, 4 und 5 FlurbG) Geldentschädigungen und Leistungen zu erbringen sind (§ 88 Nr. 6 FlurbG; vgl. BayVGH, Urt. v. 25.11.2004 - 13 A 02.750 -; ebenso Senatsurt. v. 11.05.2005 - 7 S 697/04 - u. v. 12.05.2005 - 7 S 2826/03 -). Sonach hat es hier bei den in einer Regelflurbereinigung maßgeblichen Abfindungsgrundsätzen des § 44 FlurbG sein Bewenden.


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Diese Einlagegrundstücke sind entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht deshalb zu gering bewertet worden, weil sie aufgrund ihrer Stadtnähe für die Erbengemeinschaft einen höheren Wert haben mögen. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen insoweit nicht plausibel ist, als das ihnen zugeteilte Abfindungsgrundstück Flst. 12052 noch näher zur Stadtmitte gelegen ist, bestimmt § 28 Abs. 1 FlurbG gerade, dass für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke das Wertverhältnis in der Regel nach dem Nutzen zu ermitteln ist, den sie bei gemeinüblicher ordnungsgemäßer Bewirtschaftung jedem Besitzer ohne Rücksicht auf ihre Entfernung vom Wirtschaftshof oder von der Ortslage nachhaltig gewähren können. Inwiefern eine Ausnahme von dieser Regel ungeachtet der überzeugenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid, auf die der Senat insoweit Bezug nimmt, gerechtfertigt sein sollte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist eine Abweichung nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Grundstücke nach der vorläufigen Besitzeinweisung - mithin nach dem Stichtag - von dem Zuteilungsempfänger mit einem Pferde-Offenstall bebaut wurden. Denn dies ändert nichts daran, dass sie zum maßgeblichen Zeitpunkt lediglich theoretisch - wie jedes andere Grundstück im Außenbereich auch - unter den Voraussetzungen des § 35 BauGB bebaubar waren (vgl. Senatsurt. v. 31.08.1983 - 7 S 163/82 -, RdL 1983, 295 <= RzF - 34 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG>). Dass jener Teilnehmer damit möglicherweise besser als die Erbengemeinschaft "abgeschnitten" bzw. größere Vorteile aus der Flurbereinigung gezogen haben mag, führt auch auf keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl. BVerwG, Beschl. v, 19.11.1998 - 11 B 53.98 -, RdL 1999, 65 <= RzF - 96 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>). Auch müssen etwa größere Vorteile nicht "ausgeglichen" werden (vgl. Wingerter/Mayr, a.a.O., § 44 Rn. 44).