Flurbereinigungsgericht Lüneburg, Urteil vom 14.02.2013 - 15 KF 28/09 (Lieferung 2017)

Aktenzeichen 15 KF 28/09 Entscheidung Urteil Datum 14.02.2013
Gericht Flurbereinigungsgericht Lüneburg Veröffentlichungen Lieferung 2017

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Flurbereinigungsbehörde hat im Flurbereinigungsbeschluss die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die sie zur Anordnung der Flurbereinigung und zur Begrenzung des Flurbereinigungsgebiets (§ 7 FlurbG) bewogen hat (§ 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG).
2. Beim Beschluss zur Anordnung eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens umfassen die Begründungsanforderungen nicht die Erläuterung enteignungsrechtlicher Entschädigungsgrundlagen sowie Ausführungen dazu, dass in Unternehmensverfahren eine wertgleiche Abfindung in Land nicht zu gewähren ist.
3. Solange die in § 87 Abs. 1 FlurbG genannten Zwecke im Vordergrund stehen, kann eine an den Neugestaltungsgrundsätzen des § 37 FlurbG orientierte Neustrukturierung der landwirtschaftlichen Nutzflächen im gesamten Flurbereinigungsgebiet erfolgen.

Aus den Gründen

Dass der Flurbereinigungsbeschluss zu begründen ist und sich diese Begründungspflicht sowohl auf die Anordnung der Flurbereinigung als auch auf die Feststellung, d.h. die Abgrenzung des Flurbereinigungsgebiets (§ 7 FlurbG) bezieht, ergibt sich unmittelbar aus § 4 Halbsatz 2 in Verbindung mit Halbsatz 1 FlurbG. Für die Unternehmensflurbereinigung sieht § 88 Nr. 1 FlurbG darüber hinaus vor, dass in dem Flurbereinigungsbeschluss auf den besonderen Zweck des Verfahrens hinzuweisen ist. Anwendbar bleiben mit Blick auf die Begründungspflicht des § 4 Halbsatz 2 FlurbG ferner die Sätze 2 und 3 des § 39 Abs. 1 VwVfG (BVerwG, Beschluss vom 25. November 1988 - BVerwG 5 B 164.88 -, Buchholz 424.01 § 4 FlurbG Nr. 10 <= RzF - 32 - zu § 4 FlurbG>). Danach hat die Flurbereinigungsbehörde die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die sie zur Anordnung der Flurbereinigung und zur Begrenzung des Flurbereinigungsgebiets (§ 7 FlurbG) bewogen haben (§ 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Da beide Entscheidungen sowohl im Regel- als auch im Unternehmensflurbereinigungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen ergehen, soll die Begründung auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Flurbereinigungsbehörde bei der Ausübung ihres Anordnungs- und Gebietsbegrenzungsermessens ausgegangen ist (§ 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG).


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Eine unzureichende Begründung der Anordnung der Flurbereinigung kann noch im flurbereinigungsgerichtlichen Verfahren nach Maßgabe des § 45 Abs. 2 VwVfG nachgeholt bzw. ergänzt werden (BVerwG, Urteil vom 13. April 2011 - BVerwG 9 C 1.10 -, BVerwGE 139, 296 = Buchholz 424.01 § 86 FlurbG Nr. 3 = NVwZ-RR 2011, 882 <= RzF - 21 - zu § 86 Abs. 1 FlurbG>).


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§ 88 Nr. 1 FlurbG schreibt keine Erläuterungen im Einleitungsbeschluss dazu vor, dass eine wertgleiche Abfindung in Land im Unternehmensflurbereinigungsverfahren nicht zu gewähren ist. Dies ergibt sich bereits aus § 88 Nr. 4 FlurbG. Denn nach Satz 1 dieser Vorschrift sind die für das Unternehmen benötigten Flächen von den Teilnehmern nach dem Verhältnis des Wertes ihrer alten Grundstücke zu dem Wert aller Grundstücke des Flurbereinigungsgebiets aufzubringen. Für die von einem Teilnehmer aufgebrachte Fläche hat ihm der Träger des Unternehmens nach Satz 4 der Vorschrift eine Geldentschädigung zu leisten.


Ausführungen zur Aufgabe der Flurbereinigungsbehörde, Verzichtsgrundstücke nach § 52 FlurbG zur Senkung des Landabzugs für das Unternehmen zu erwerben, waren schon deshalb nicht erforderlich, weil die NLStBV genügend Ersatzflächen angekauft hat und ein Landabzug somit nicht erforderlich ist; darauf wird im Einleitungsbeschluss hingewiesen.


Erläuterungen zur vorzeitigen Flächenbereitstellung für das Unternehmen (§ 88 Nr. 3 FlurbG) waren im Einleitungsbeschluss nicht angezeigt, weil bei Erlass des Beschlusses Anordnungen nach § 88 Nr. 3 FlurbG noch nicht ergangen waren.


Die vom Kläger gerügte fehlende Ausweisung des Anteils des Unternehmensträgers an den Ausführungskosten ist kein Begründungsmangel.


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Soweit der Kläger meint, der Einleitungsbeschluss müsse die enteignungsrechtlichen Entschädigungsgrundlagen erläutern, folgt dies aus den oben genannten maßgeblichen Vorschriften über die Begründungsanforderungen nicht. Vielmehr ergeben sich die Entschädigungsgrundlagen unmittelbar aus § 88 Nr. 3 bis Nr. 7 FlurbG.


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Soweit der Kläger die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung für unzureichend hält, steht dies der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung der Flurbereinigung nicht entgegen. Eine unzureichende Begründung i.S.d. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist vielmehr im Wege eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu rügen.


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Die Anordnung der Unternehmensflurbereinigung nach § 87 Abs. 1 FlurbG setzt nicht den ernsthaften Versuch des freihändigen Erwerbs benötigter Grundstücke voraus. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird auch gewahrt, wenn Erwerbsverhandlungen erst nach Anordnung der Unternehmensflurbereinigung bis zur Bekanntgabe des Flurbereinigungsplans bzw. bis zur vorläufigen Besitzeinweisung erfolgen (BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2009 - BVerwG 9 C 9.08 -, BVerwGE 135, 110 = Buchholz 424.01 § 87 FlurbG Nr. 18 = DVBl 2010, 651 = NVwZ-RR 2010, 418 = RdL 2010, 156 m.w.N. <= RzF - 6 - zu § 87 Abs. 2 FlurbG>).


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Soweit diese Ziele nicht ohnehin zugleich dem mit der Unternehmensflurbereinigung verfolgten Zweck der Vermeidung unternehmensbedingter Nachteile für die allgemeine Landeskultur dienen, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass eine Unternehmensflurbereinigung den einzelnen Teilnehmern auch dadurch zu Gute kommen kann, dass bei Gelegenheit der Durchführung des Verfahrens die Besitzverhältnisse im Verfahrensgebiet wie in einem Regelflurbereinigungsverfahren auch dort neu geordnet werden, wo dies aus Gründen der Bewältigung der Unternehmensfolgen allein nicht geboten wäre (BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2009, a.a.O.). Solange die in § 87 Abs. 1 FlurbG genannten Zwecke der Unternehmensflurbereinigung im Vordergrund stehen - wie dies hier im Hinblick auf die mit der Anordnung der Flurbereinigung verfolgte Beseitigung von Nachteilen für die allgemeine Landeskultur der Fall ist -, kann eine an den Neugestaltungsgrundsätzen des § 37 FlurbG orientierte Neustrukturierung der landwirtschaftlichen Nutzfläche im gesamten Flurbereinigungsgebiet erfolgen (BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2009, a.a.O.). Dies lässt sich auch aus § 88 Nr. 1 Satz 2 FlurbG und insbesondere aus § 88 Nrn. 8 und 9 FlurbG herleiten. In diesen Vorschriften wird vorausgesetzt, dass auch Ausführungskosten entstehen, die nicht durch das Unternehmen verursacht und deshalb nicht vom Träger des Unternehmens zu tragen sind. Insoweit ist es nicht erforderlich, dass die Voraussetzungen für eine Regelflurbereinigung vorliegen (Wingerter, in: Schwantag/Wingerter, a.a.O., § 87 Rn. 24).


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In Rechtsprechung und Schrifttum besteht zudem Übereinstimmung darüber, dass bei der Gebietsabgrenzung eines nach § 87 FlurbG anzuordnenden Verfahrens nicht nur die besonderen Zwecke des § 87 FlurbG maßgebend sind, sondern auch die Ziele der allgemeinen Flurbereinigung nach § 1 FlurbG Berücksichtigung finden können (vgl. Flurbereinigungsgericht Mannheim, Urteil vom 30. März 1966 - VI 803, 781/65 u. 42/66 -, = RzF - 3 - zu § 7 Abs. 1 FlurbG; Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 22. Januar 1976 - 3 C 20/75 -, RdL 1976, 182; Seehusen in RdL 1974, 90 ff.; Drees in RdL 1967, 281 <= RzF - 17 - zu § 87 Abs. 1 FlurbG>). Die Abgrenzung des Flurbereinigungsgebiets ist nur dann rechtswidrig, wenn sie erkennbar nicht auf eine Abwägung aller für einen größtmöglichen Erfolg der Flurbereinigung im gesamten Planungsraum und für den einzelnen Beteiligten bedeutsamen Gesichtspunkte zurückgeht oder sich als gänzlich ungeeignet erweist, den Flurbereinigungserfolg zu fördern (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. Januar 1987, a.a.O. und vom 21. Oktober 1966 - BVerwG 11 B 69.96 -, juris).


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Die Ausweisung eines entsprechend großen Verfahrensgebiets dient dem möglichst vollkommenen Ausgleich der damit verbundenen erheblichen Nachteilen für die allgemeine Landeskultur, weil auf diese Weise - wie es laut Niederschrift über die Aufklärungsversammlung vom 3. Dezember 2008 u.a. beabsichtigt ist - mehr Tauschmöglichkeiten für die einzelnen Teilnehmer geschaffen werden.


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Auch die mit dem Einleitungsbeschluss erfolgte ursprüngliche Einbeziehung der beiden "Abzweigungen" nach Nordosten und Südwesten hin von der vom Wülmser Weg aus über den genannten Kreuzungsbereich und den Wiesenweg nach Norden hin führenden, einbezogenen Weg weist keine Ermessensfehler auf. Der Grund hierfür bestand nach den Erläuterungen der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung darin, dass mit dem Einleitungsbeschluss nur Flurstücke im Ganzen in das Verfahrensgebiet einbezogen wurden und die beiden "Abzweigungen" dementsprechend in ihrer vollen Flurstücksgröße einbezogen wurden. Dies entspricht der Regelung des § 7 Abs. 2 FlurbG. Danach können nur Grundstücke im Ganzen und nicht auch Grundstücksteile in die Flurbereinigung einbezogen werden, wobei unter "Grundstücken" Flurstücke zu verstehen sind (vgl. Wingerter, in: Schwantag/Wingerter, a.a.O., § 7 Rn. 6). Auf diese Weise wird dem Bestimmtheitsgrundsatz Rechnung getragen, weil die Flurstücke katastermäßig eindeutig festgelegte Grenzen haben. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurden die einbezogenen "Abzweigungen" gemäß den sodann erfolgten Vermessungen wieder "gekappt", so dass sie inzwischen nicht mehr zum Verfahrensgebiet zählen.


Es ist auch nicht ermessensfehlerhaft, dass mit dem Einleitungsbeschluss die vom Kläger in der Gebietskarte (Bl. 48 GA) markierten vier Flächen nicht in das Verfahrensgebiet einbezogen wurden. Das unmittelbar an die Trasse angrenzende Flurstück 24/31, Flur 7, Gemarkung Aerzen wurde deshalb nicht schon mit dem Einleitungsbeschluss einbezogen, weil es zu diesem Zeitpunkt noch einem Verfahren des freiwilligen Landtausches gemäß § 103 a ff. FlurbG unterlag. Ein freiwilliger Landtausch kann nach Ziel und Verfahren nicht gleichzeitig neben einem Flurbereinigungsverfahren für Grundstücke innerhalb eines Flurbereinigungsgebiets durchgeführt werden (Senatsurteil vom 31. Oktober 1990 - 15 K 3/90 -, RzF - 2 - zu § 103a <= RzF - 2 - zu § 103a FlurbG>).


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Ein arrondierter Teilbereich innerhalb des Verfahrensgebiets bildet aber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kein Einleitungshindernis (BVerwG, Beschlüsse vom 26. März 1974 - BVerwG V B 14.72 -, BVerwGE 45, 112 = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 119 = RdL 1975, 181 <= RzF - 16 - zu § 4 FlurbG>und vom 14. März 1985 - BVerwG 5 C 130.83 -, BVerwGE 71, 108 = Buchholz 424.01 § 87 FlurbG Nr. 8 = NVwZ 1985, 739 = DVBl 1985, 1135 = DÖV 1985, 868 und). Bereits den Bestimmungen in §§ 19 Abs. 3, 47 Abs. 3 FlurbG über die Befreiung von Teilnehmern hinsichtlich der Aufbringung von Beiträgen und von Land für die gemeinschaftlichen oder öffentlichen Anlagen ist zu entnehmen, dass die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Flurbereinigung nicht dadurch berührt wird, dass einzelne Teilnehmer aus der Flurbereinigung keine Vorteile ziehen können. Auch wenn ein Teilbereich innerhalb des Verfahrensgebiets bereits arrondiert ist, verpflichtet dieser Umstand die Flurbereinigungsbehörde deshalb nicht dazu, diese Bereiche von der Flurbereinigung auszunehmen oder die Grenzen des Flurbereinigungsgebiets danach auszurichten (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1986, a.a.O.; Beschluss vom 26. März 1974, a.a.O.). Vielmehr kann dem dadurch Rechnung getragen werden, dass einzelne Teilnehmer von der Aufbringung der Beiträge bzw. eines Anteils an den gemeinschaftlichen oder öffentlichen Anlagen ganz oder teilweise befreit werden können, um offensichtliche und unbillige Härten zu vermeiden (§§ 19 Abs. 3, § 47 Abs. 3 FlurbG). Den durch eine Heranziehung befürchteten wirtschaftlichen Nachteilen kann durch § 88 Nr. 4 Satz 2 FlurbG begegnet werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Dezember 1978 - BVerwG 5 B 7.77 -, RzF - 24- - § 87 Abs. 1 FlurbG <= RzF - 24 - zu § 87 Abs. 1 FlurbG>).


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Die Lage eines gut arrondierten Hofs am Rand eines Flurbereinigungsgebiets gewährt im Regelflurbereinigungsverfahren keine rechtlich bedeutsamen Gesichtspunkte für eine andere Begrenzung des Flurbereinigungsgebiets (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1963 - BVerwG I CB 78.63 -, RzF § 7 FlurbG <= RzF - 5 - zu § 1 FlurbG>; Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 20. Januar 1972 - 202 XII 69 -, RzF § 7 FlurbG <= RzF - 9 - zu § 7 Abs. 1 FlurbG>).

Anmerkung

Vgl. Flurbereinigungsgericht Lüneburg Urt. v. 31.10.1990 - 15 K 3/90 = RzF - 2 - zu § 103a FlurbG