Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.11.1988 - 5 B 164.88 = Buchholz BVerwG 424.01 § 4 FlurbG
Aktenzeichen | 5 B 164.88 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 25.11.1988 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = Buchholz BVerwG 424.01 § 4 FlurbG | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | § 4 zweiter Halbsatz und § 6 Abs. 3 FlurbG enthalten - gemessen an § 39 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwVfG - Sondervorschriften über Begründungspflicht und Form der Begründung. Anwendbar bleiben im Blick auf die Begründungspflicht des § 4 zweiter Halbsatz FlurbG die Sätze 2 und 3 des § 39 Abs. 1 VwVfG sowie § 39 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG, soweit diese Vorschrift nur von Einzelheiten der Begründung und nicht von der Begründungspflicht überhaupt befreit. |
2. | Als entscheidende Richtlinie für die Ausübung ihres Gebietsbegrenzungsermessens ist der Flurbereinigungsbehörde nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FlurbG die möglichst vollkommene Erreichung des Zwecks der Flurbereinigung vorgegeben. |
3. | Die nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG erforderliche Begründung kann - abweichend von § 45 Abs. 2 VwVfG - in Flurbereinigungssachen auch noch nach Erhebung der flurbereinigungsgerichtlichen Klage mit heilender Wirkung im Sinne des § 45 Abs. 1 VwVfG nachgeholt werden. |
Aus den Gründen
Welche Anforderungen an die Begründung eines Flurbereinigungsbeschlusses zu stellen sind, der ein Flurbereinigungsverfahren lediglich für Teile einer Gemarkung anordnet, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Daß der Flurbereinigungsbeschluß zu begründen ist und sich diese Begründungspflicht sowohl auf die Anordnung der Flurbereinigung als auch auf die Feststellung, d. h. die Abgrenzung des Flurbereinigungsgebiets (§ 7 FlurbG) bezieht, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 4 Halbs. 2 i. V. m. Halbs. 1 FlurbG). Das gleiche gilt für die Antwort auf die Frage, welchen Inhalt und Umfang die Begründung des Flurbereinigungsbeschlusses aufweisen muß. Einschlägig ist insoweit § 39 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes - VwVfG -, das durch § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vorläufigen Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Niedersachsen vom 03.12.1976 (GVBl. S. 311) auch für den Bereich der niedersächsischen Landesverwaltung in Geltung gesetzt worden ist. Die Regelungen des § 39 VwVfG treten nur insoweit zurück, als das FlurbG inhaltsgleiche oder entgegenstehende Vorschriften enthält (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Dies betrifft einerseits den § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, da insoweit die § 4 Halbs. 2 und § 6 Abs. 3 FlurbG Sondervorschriften über Begründungspflicht und Form der Begründung enthalten (vgl. auch Quadflieg, Recht der Flurbereinigung, 1978/1988, § 4 FlurbG Rn. 32/Stand: Dezember 1987), andererseits den § 39 Abs. 2 VwVfG, soweit dort Ausnahmen von der Begründungspflicht dem Grunde nach zugelassen werden, da eine Befreiung von der Begründungspflicht überhaupt mit der vorbehaltlosen Anordnung des Begründungszwanges in § 4 Halbs. 2 FlurbG unvereinbar ist (vgl. auch Hegele, in: Seehusen/Schwede, FlurbG, 4. Aufl. 1985, § 4 Rn.11). Unanwendbar ist deshalb im vorliegenden Zusammenhang von den mit "wenn" eingeleiteten Fallgruppen des § 39 Abs. 2 Nrn. 3 bis 5 VwVfG insbesondere auch diejenige der Nr. 3, da hier die Begründungspflicht ohne Einschränkungen entfällt. In den Fallgruppen des § 39 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwVfG, von denen nur die letztere für den Flurbereinigungsbeschluß thematisch einschlägig ist, entbindet dagegen das Gesetz nur dann von der Pflicht zur Begründung, "soweit" die dort genannten Voraussetzungen dies rechtfertigen. Dies kann sowohl zu einer Befreiung von der Begründungspflicht überhaupt als auch lediglich zu einer Lockerung der Begründungsintensität führen. Nur in der erstgenannten Beziehung wird § 39 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG von § 4 Halbsatz 2 FlurbG verdrängt.
Anwendbar bleiben demnach im Blick auf die Begründungspflicht des § 4 Halbs. 2 FlurbG die Sätze 2 und 3 des § 39 Abs. 1 VwVfG sowie § 39 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG, soweit diese Vorschrift nur von Einzelheiten der Begründung und nicht von der Begründungspflicht überhaupt befreit. Demgemäß hat die Flurbereinigungsbehörde die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die sie zur Anordnung der Flurbereinigung und zur Begrenzung des Flurbereinigungsgebiets (§ 7 FlurbG) bewogen haben (§ 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Da beide Entscheidungen nach pflichtgemäßem Ermessen ergehen, soll die Begründung auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Flurbereinigungsbehörde bei der Ausübung ihres Anordnungs- und Gebietsbegrenzungsermessens ausgegangen ist (§ 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG). Inhalt und Umfang der Begründung im übrigen richten sich - im Rahmen der Besonderheiten des Flurbereinigungsrechts - nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. U vom 14.10.1965 - II C 3.65 - s. 232 § 32 Nr. 14 = BVerwGE 22, 215, 217 f., vom 15.06.1971 - II C17.70 - s. 237.5 § 85 Nr. 1 = BVerwGE 38, 191, 194, vom 05.07.1985 - 8 C 22.83 - s. 454.32 § 5 Nr. 1 = BVerwGE 72, 1, 6 sowie vom 15.05.1986 - 5 C 33.84 - s. 424.01 § 19 Nr. 12). Von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles hängt es auch ab, inwieweit es gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG einer Begründung nicht bedarf, weil dem Adressaten oder Betroffenen eines Verwaltungsakts die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist (vgl. U vom 14.10.1965 und 15.06.1971 a.a.O. sowie B vom 10.07.1987 - 4 B 101.87 - s. 316 § 39 Nr.13).
Mit diesen Grundsätzen stimmt die Rechtsauffassung des Flurbereinigunsgerichts überein, daß sich die Ermessenserwägungen für die Begrenzung des Verfahrensgebietes auch den ins einzelne gehenden Darlegungen über den Zweck des konkreten Flurbereinigungsverfahrens und über die durchzuführenden Maßnahmen entnehmen lassen; denn die möglichst vollkommene Erreichung des Zwecks der Flurbereinigung ist der Flurbereinigungsbehörde nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FlurbG als die entscheidende Richtlinie für die Ausübung ihres Gebietsbegrenzungsermessens vorgegeben. Auch kann die Offenlegung der die Gebietsabgrenzung tragenden Erwägungen in einer von der Flurbereinigungsbehörde durchgeführten Aufklärungsversammlung (vgl. § 5 Abs. 1 FlurbG) die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG erfüllen. Die hierauf aufbauende Annahme des Flurbereinigungsgerichts, die Begrenzung des Verfahrensgebiets sei nicht wegen fehlender Ermessenserwägungen (verfahrens-)fehlerhaft, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung; sie betrifft die Würdigung der Gegebenheiten des Einzelfalles, die zudem, da insoweit einschlägige Rügen nicht erhoben sind, der revisionsrichterlichen Nachprüfung durch § 137 Abs. 2 VwGO entzogen ist.
Grundsätzliche Bedeutung gewinnt die Rechtssache auch nicht durch die von der Beschwerde angesprochene Frage, ob ein Begründungsmangel in Fällen der vorliegenden Art - entgegen § 45 Abs. 2 VwVfG - auch noch nach Erhebung der Klage geheilt werden kann. Hierauf käme es in einem Revisionsverfahren nicht an; denn das Flurbereinigungsgericht hat, ohne daß dies beanstandet werden könnte, festgestellt, daß der Flurbereinigungsbeschluß eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Begründung der Gebietsabgrenzung enthält. Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung des BVerwG bereits geklärt, daß § 45 Abs. 2 VwVfG im Recht der Flurbereinigung nicht gilt, vielmehr das FlurbG insonderheit in Gestalt der dem Flurbereinigungsgericht eingeräumten umfassenden Entscheidungsbefugnis (vgl. § 144 FlurbG) im Hinblick auf den die Flurbereinigung beherrschenden Gedanken der Verfahrensbeschleunigung (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 FlurbG) entgegenstehendes Recht i. S. d. § 1 Abs. 2 Satz 1 VwVfG enthält (vgl. U vom 04.07.1985 - 5 C 7.82 - s. 424.01 § 85 Nr. 2 = BVerwGE 71, 369; B vom 03.03.1988 - 5 B 125.86 - s. 424.01 § 57 Nr. 2). Was der Senat dort zu den insoweit gleichlautenden Verwaltungsverfahrensgesetzen Nordrhein-Westfalens und Bayerns in bezug auf eine behördliche Mitwirkungshandlung i. S. d. § 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG und die erforderliche Anhörung i. S. d. § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG ausgeführt hat, gilt aus den dort angeführten Gründen auch für die erforderliche Begründung i. S. d. § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG: Sie kann auch noch nach Erhebung der flurbereinigungsgerichtlichen Klage mit heilender Wirkung i. S. d. § 45 Abs. 1 VwVfG nachgeholt werden.