Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 12.04.2010 - 13 A 09.632 = RdL 2010, 244-245 (Leitsatz und Gründe)= KommunalPraxis BY 2010, 284 (Leitsatz) (Lieferung 2011)
Aktenzeichen | 13 A 09.632 | Entscheidung | Urteil | Datum | 12.04.2010 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht München | Veröffentlichungen | = RdL 2010, 244-245 (Leitsatz und Gründe) = KommunalPraxis BY 2010, 284 (Leitsatz) | Lieferung | 2011 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Möglichkeit, ein Flurstück langfristig zu einem deutlich über dem landwirtschaftlichen Preisniveau liegenden Pachtzins verpachten zu können, stellt eine besondere Verwertungsoption und damit einen grundstücksbezogenen wertbildenden Umstand dar, der in der Bodenordnung zu berücksichtigen ist. |
2. | Die Regelungen in § 37 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2, Abs. 2 FlurbG bezwecken lediglich, dass auf die in § 37 Abs. 2 FlurbG genannten öffentlichen Interessen Rücksicht zu nehmen ist und hieran ausgerichtete Planungen anderer Planungsträger nicht außer Acht gelassen werden dürfen; ein Anspruch auf Zuweisung bestimmter Grundstücksflächen an einen Planungsträger lässt sich daraus nicht ableiten. |
3. | § 40 Satz 1 FlurbG vermittelt einem Planungsträger keinen unbedingten Anspruch auf Zuteilung von Land zur Verfolgung von Gemeinwohlinteressen, insbesondere keinen Anspruch auf die Zuweisung von Flächen in bestimmter Lage. |
Aus den Gründen
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Der für jede Landabfindung zwingend vorgeschriebene Gestaltungsgrundsatz, den Teilnehmer für seine in die Flurbereinigung eingebrachten Grundstücke unter Berücksichtigung der nach § 47 FlurbG vorgenommenen Abzüge mit Land von gleichem Wert abzufinden (§ 44 Abs. 1 FlurbG), war zwar rechnerisch beachtet, wie sich aus der Gegenüberstellung von Einlage und Abfindung der Beigeladenen zu 1 ergibt, die Teil des in den Akten befindlichen Auszugs aus dem Flurbereinigungsplan ist.
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Neben dieser rechnerischen Wertgleichheit (Summe der Wertverhältniszahlen) sind aber auch die in § 44 Abs. 2 und 4 FlurbG aufgeführten gleichwertigkeitsbestimmenden Umstände und Faktoren zu beachten (BVerwG vom 27.11.1961 RdL 1962, 243/244; BayVGH vom 24.7.2007 RdL 2007, 315). = RzF - 13 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG Im vorliegenden Fall widersprach die Gestaltung der Abfindung der Beigeladenen zu 1 dem Gebot, alle Umstände zu berücksichtigen, die u.a. auf die Benutzung und die Verwertung der Grundstücke wesentlichen Einfluss haben (§ 44 Abs. 2 Alt. 2 FlurbG).
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Erst durch die vom Spruchausschuss in Nr. I. des Widerspruchsbescheids verfügte Zuteilung des Abfindungsflurstücks 156 an die Beigeladene zu 1 ist die nach § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG notwendige Wertgleichheit der Landabfindung des Besitzstands der Beigeladenen zu 1 gegeben.
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Da die im Geltungsbereich der Einbeziehungs- und Klarstellungssatzung des Klägers gelegene ca. 700 m² große Teilfläche des Einlageflurstücks 156 bauplanungsrechtlich als baureifes Land (§ 4 Abs. 4 WertV) einzustufen ist und von der Beigeladenen zu 2 auch entsprechend bewertet wurde (WZ 80), verlangt das in § 44 Abs. 4 FlurbG verankerte Entsprechungsgebot, dass auch in der Landabfindung eine gleichwertige Fläche enthalten ist (vgl. BVerwG vom 10.5.1990 BVerwGE 85, 129 = RdL 1990, 214 = NVwZ-RR 1991, 161; = RzF - 90 - zu § 44 Abs. 2 FlurbG BayVGH vom 21.10.2008 Az. 13 A 06.3270 – juris Rn. 15; Schwantag, a.a.O., RdNr. 38 zu § 44). Dem hat der Spruchausschuss durch die Wiederzuteilung dieser Fläche Rechnung getragen. Dass der Beigeladenen zu 1 im Ergebnis das Abfindungsflurstück 156 in der Lage des (gesamten) Einlageflurstücks 156 zugewiesen wurde, ist in Hinblick auf das Gebot der Ausweisung größtmöglicher Grundstücke (§ 44 Abs. 3 Satz 1 FlurbG) rechtlich nicht zu beanstanden, da dadurch eine Landabfindung in getrennten Abfindungsflurstücken vermieden wird.
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§ 44 Abs. 2 FlurbG verlangt im Übrigen, dass bei der Gestaltung der Landabfindung alle Umstände zu berücksichtigen sind, die auf den Ertrag, die Benutzung und die Verwertung der Grundstücke wesentlichen Einfluss haben. Besteht hinsichtlich eines Einlageflurstücks – wie hier für die Beigeladene zu 1 in Bezug auf das Einlageflurstück 156 – die Möglichkeit, die Fläche langfristig zu einem den landwirtschaftlichen Pachtpreis erheblich übersteigenden Preis verpachten zu können, handelt es sich um einen Umstand, der die Verwertung eines Grundstücks maßgeblich beeinflusst. Das als Fußballplatz genutzte, etwas mehr als ein Hektar große Einlageflurstück 156 war von der Beigeladenen zu 1 von 1990 bis 2006 an den Sportverein verpachtet. Als Pachtzins waren von 1990 bis 2002 431,20 DM und von 2003 bis 2006 1293,60 Euro pro Jahr vereinbart. Für den Zeitraum ab 2007 unterbreitete die Beigeladene zu 1 dem Sportverein mit Vertragsentwurf vom 4. Mai 2007 ein Pachtangebot, das einen Pachtzins von 862,40 Euro vorsieht. Damit liegen zumindest die ab 2003 vereinbarten Entgelte weit über den im Rahmen einer Verpachtung zur landwirtschaftlichen Nutzung erzielbaren Erlösen. Diese betragen nach den Angaben des Vertreters der Beigeladenen zu 2 in der mündlichen Verhandlung jährlich maximal 250 Euro/ha für Wiesengrundstücke und 300 Euro/ha für Ackerlagen. Da das Pachtverhältnis aufgrund der Nutzung als Fußballplatz mit den hierfür notwendigen baulichen Einrichtungen (z.B. Flutlichtanlage, Fangzaun, Tore) auch auf eine langfristige Vertragsbeziehung angelegt ist, handelt es sich bei dieser Nutzungsoption um eine maßgebliche wertbildende Eigenschaft des Grundstücks. Dieser Umstand musste gemäß § 44 Abs. 2 FlurbG bei der Gestaltung der Abfindung der Beigeladenen zu 1 Berücksichtigung finden mit der Folge, dass – bei Fehlen zuteilbarer vergleichbar verwertbarer Flächen in anderer Lage – dieser auch aus diesem Grund das Abfindungsflurstück 156 in seiner Gesamtheit zuzuweisen war.
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Dem steht kein bevorrechtigter Zuteilungsanspruch des Klägers entgegen. Die Teilnehmer an einem Flurbereinigungsverfahren können insbesondere aus § 37 FlurbG keine Ansprüche auf Durchführung bestimmter Einzelmaßnahmen zu ihren Gunsten herleiten (BVerwG vom 25.11.1970 RdL 1971, 97/99). = RzF - 13 - zu § 37 Abs. 1 FlurbG Daraus folgt, dass im Regelflurbereinigungsverfahren auch für Gemeinden kein Anspruch auf Zuweisung bestimmter Grundstücksflächen zur Realisierung kommunaler Zielsetzungen besteht (vgl. BVerwG vom 3.6.1987 Buchholz 424.01 § 37 FlurbG Nr. 18 = RzF 46 zu § 37 Abs. 1) <= RzF - 46 - zu § 37 Abs. 1 FlurbG>. Speziell aus den in § 37 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2, Abs. 2 FlurbG getroffenen Regelungen lässt sich kein vorrangiger Anspruch des Klägers auf Bereitstellung von Flächen im Bereich des Flurstücks 156 ableiten. Diese gesetzlichen Bestimmungen bezwecken lediglich, dass auf die in § 37 Abs. 2 FlurbG genannten öffentlichen Interessen im Flurbereinigungsverfahren Rücksicht zu nehmen ist und hieran ausgerichtete Planungen anderer Planungsträger nicht außer Acht gelassen werden dürfen (BVerwG vom 26.11.1981 BVerwGE 64, 232, 235 = RdL 1982, 97). = RzF - 36 - zu § 37 Abs. 1 FlurbG Nichts anderes kann aus der Sicht des § 40 Satz 1 FlurbG gelten. Diese Norm befugt die Flurbereinigungsbehörde zwar prinzipiell zur Bereitstellung von Land im öffentlichen Interesse (BVerwG vom 26.11.1969 BVerwGE 34, 199/201 = RdL 1970, 160; Wingerter, a.a.O., RdNr. 1 zu § 40) = RzF - 18 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG Sie vermittelt einem Planungsträger jedoch keinen unbedingten Anspruch auf Zuteilung von Land zur Verfolgung von Gemeinwohlinteressen, insbesondere keinen Anspruch auf die Zuweisung von Flächen in bestimmter Lage (vgl. hierzu Wingerter, a.a.O., RdNr. 2a zu § 40). Dies gilt vor allem dann, wenn dadurch der Anspruch auf wertgleiche Abfindung anderer Teilnehmer nicht mehr erfüllbar wäre (BVerwG vom 3.6.1987 a.a.O.). Die dargestellten Rechtsgrundsätze beanspruchen hier umso mehr Geltung, als im vorliegenden Fall keine in verbindlichen städtebaulichen Planungsakten der Gemeinde zum Ausdruck kommenden an öffentlichen Interessen orientierte Zielvorstellungen für die Nutzung des Bereichs in der Lage von Flurstück 156 existieren. Insbesondere der seit 1987 rechtsverbindliche Flächennutzungsplan des Klägers enthält insoweit keine besonderen planerischen Darstellungen bzw. Aussagen.
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Die nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung im Jahr 2008 für den fraglichen Bereich beschlossene Einleitung eines Verfahrens zur Änderung des Flächennutzungsplans vermag einen Zuteilungsanspruch ebenfalls nicht zu begründen. Die Fassung eines Aufstellungs- bzw. Änderungsbeschlusses gemäß § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 8 BauGB kann hier bereits deshalb keine Rechtswirkungen entfalten, weil die beabsichtigte Änderung noch keine Rechtsverbindlichkeit erlangt hat. Im Übrigen wäre der Beschluss, den Flächennutzungsplan zu ändern, erst nach dem für die Beurteilung der Wertgleichheit maßgeblichen Zeitpunkt der vorläufigen Besitzeinweisung – hier der 15. Dezember 2006 – gefasst worden (s. hierzu z.B. BVerwG vom 12.7.2007 RdL 2007, 271 = AUR 2007, 378). = RzF - 106 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG
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Die Klarstellungs- und Einbeziehungssatzung des Klägers vom 10. November 2004 betrifft lediglich eine Teilfläche des Einlageflurstücks 156 (siehe oben). Sie bezieht diesen Bereich mit normativer Wirkung in die Grenzen für den im Zusammenhang bebauten Ortsteil, also in den Innenbereich gemäß § 34 BauGB, ein. § 3 Abs. 1 der Satzung setzt im Geltungsbereich in Bezug auf die zulässige der Art der baulichen Nutzung ein Dorfgebiet (§ 5 BauNVO) fest. Weitere qualifizierte im öffentlichen Interesse festgesetzte Nutzungsvorgaben (z.B. Festlegung von Gemeinbedarfsflächen) bestehen indes nicht.
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Auf die Darstellung von Einlageflurstück 156 als Sportplatz in der Anlage 1 (Ortsbeilage M.) zur Karte zum Plan nach § 41 FlurbG kann sich der Kläger – unabhängig von der Frage, ob die bloße zeichnerische Kennzeichnung hier überhaupt rechtliche Relevanz besitzen kann – nicht berufen, da es sich jedenfalls nicht um eine gemeindliche Planung handelt, sondern um eine planerische Kennzeichnung der Beigeladenen zu 2 (§ 41 Abs. 1 FlurbG, Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 AGFlurbG).
Schließlich lässt sich auch aus der mit der Zuweisung des Abfindungsflurstücks 156 an den Kläger verbundenen planerischen Absicht der Beigeladenen zu 2, einen bestehenden Landnutzungskonflikt zu lösen, kein Lageanspruch des Klägers ableiten. Eine Situation, bei der konfligierende Nutzungsansprüche durch die Flurbereinigungsbehörde im Wege der Bodenordnung geregelt werden könnten, ist bereits dadurch ausgeschlossen, dass die Beigeladene zu 1 gestützt auf § 44 Abs. 2 und 4 FlurbG beanspruchen kann, ihr Einlageflurstück 156 wieder zugeteilt zu erhalten. Soweit die Beigeladene zu 2 mit der Zuteilung der Sportplatzfläche an den Kläger (auch) darauf abgezielt haben sollte, im Wege der Bodenordnung eine dauerhafte und kostengünstige Nutzung des Abfindungsflurstücks 156 als Sportgelände zu sichern, müssten damit möglicherweise verfolgte öffentliche Interessen am Vorhandensein von Flächen für die sportliche Betätigung der Bevölkerung (§ 37 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 FlurbG) ebenfalls gegenüber dem Anspruch der Beigeladenen zu 1 auf wertgleiche Abfindung zurücktreten. Im Übrigen beabsichtigt auch die Beigeladene zu 1, dem Sportverein die Nutzung des Abfindungsflurstücks 156 als Fußballplatz zu ermöglichen. Dies ergibt sich daraus, dass diese dem Sportverein im Mai 2007 den Abschluss eines Pachtvertrags mit einer Laufzeit von acht Jahren angeboten hat.