Flurbereinigungsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18.10.2012 - 7 S 379/11 (Lieferung 2014)

Aktenzeichen 7 S 379/11 Entscheidung Urteil Datum 18.10.2012
Gericht Flurbereinigungsgericht Baden-Württemberg Veröffentlichungen Lieferung 2014

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Rücknahme eines Widerspruchs kann grundsätzlich nicht unter einer Bedingung erklärt werden.
2. Dass die Deutsche Bahn nach Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form (AG) geführt wird, steht der Zulässigkeit einer Enteignung nicht entgegen; dem Wohl der Allgemeinheit (vgl. Art. 14 Abs. 3 GG) wird durch eine entsprechende Gewährleistung des Bundes ausreichend Rechnung getragen (vgl. Art. 87e Abs. 4 Satz 1 GG).
3. Bei der Wertermittlung müssen lediglich die im Boden selbst liegenden Ertragsbedingungen und damit die generellen Faktoren der Fruchtbarkeit des Bodens Berücksichtigung finden. Wie die Flächen von ihren jeweiligen Eigentümern im einzelnen bewirtschaftet werden, ist dabei ohne Belang.
4. ln der Wahl der technischen Methode zur Wertermittlung ist die Flurbereinigungsbehörde weitgehend frei.

Aus den Gründen

1. Die gegen den Feststellungsbeschluss des Landratsamts xxxxxxxxxxxxx vom 27.04.2010 gerichtete Verpflichtungsklage ist jedenfalls insoweit zulässig, als mit ihr eine "Aufstufung" der Altgrundstücke Flst. Nrn. 2104, 2105, 2138 und 689 in die Bodenklasse 2 begehrt wird. Sie wurde fristgerecht erhoben (vgl. § 74 Abs. 2 u. 1 VwGO) und ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der Feststellungsbeschluss wegen Rücknahme ihres Widerspruchs bereits unanfechtbar geworden wäre (vgl. hierzu Schwantag/Wingerter, FlurbG 8. A. 2008, § 141 Rn. 11). Zwar hat die Klägerin ihren Widerspruch für den Fall, dass die Verfahrenskosten EUR 400,-- übersteigen sollten, in vollem Umfang und unwiderruflich für erledigt erklärt, doch kann die Rücknahme eines Widerspruchs grundsätzlich nicht unter einer Bedingung erklärt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.08.1995 - 11 C 2.95 -, Buchholz 424.01 § 142 FlurbG Nr. 4 <= RzF - 8 - zu § 142 Abs. 2 FlurbG>). Im Übrigen wäre die Bedingung auch nicht eingetreten, da die Verfahrenskosten nach der im Widerspruchsbescheid getroffenen Kostenentscheidung letztlich nur EUR 275,-- betrugen.


2. ...
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Feststellungsbeschluss vom 27.04.2010 nicht schon verfahrensfehlerhaft ergangen. Solches folgt nicht daraus, dass das Flurbereinigungsgebiet im Flurbereinigungsbeschluss mit der Bezeichnung "Flurbereinigung xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx" unzureichend bezeichnet worden wäre. Abgesehen davon, dass dies nicht zutrifft, weil die betroffenen Gemarkungen im Beschluss ausdrücklich bezeichnet sind, wäre solches - ggf. nach Gewährung von Nachsicht (vgl. § 134 Abs. 2 u. 3 FlurbG) - im Verfahren gegen den Flurbereinigungsbeschluss geltend zu machen gewesen. Für eine Nichtigkeit des Anordnungsbeschlusses (vgl. § 44 Abs. 1 LVwVfG), die möglicherweise zur Rechtswidrigkeit des hier allein angefochtenen Feststellungsbeschlusses führte, ist jedenfalls nichts ersichtlich. Nichts anderes gilt, soweit die Klägerin die Anordnung einer Unternehmensflurbereinigung auch im Hinblick auf das eingeleitete eisenbahnrechtliche Planfeststellungsverfahren beanstandet. Auch die damit aufgeworfene Frage, ob die Verfahrensvoraussetzungen für eine Unternehmensflurbereinigung nach § 87 FlurbG in jeder Hinsicht vorlagen, wäre bereits im Rahmen einer Anfechtung des Flurbereinigungsbeschlusses zu rügen und zu prüfen gewesen. Abgesehen davon lag die Voraussetzung, dass "aus besonderem Anlass eine Enteignung zulässig" ist (vgl. § 87 Abs. 1 Satz 1 FlurbG), ohne Weiteres vor (vgl. § 22 AEG), so dass auch insofern von keinem - und schon gar nicht von einem besonders schwerwiegenden, zur Nichtigkeit auch nachfolgender Verwaltungsakte führenden - Fehler ausgegangen werden kann. Dass die Deutsche Bahn nach Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form (AG) geführt wird, stand der Zulässigkeit einer Enteignung nicht entgegen; dem Wohl der Allgemeinheit (vgl. Art. 14 Abs. 3 GG) wird durch eine entsprechende Gewährleistung des Bundes ausreichend Rechnung getragen (vgl. Art. 87e Abs. 4 Satz 1 GG). Das Flurbereinigungsverfahren konnte auch bereits nach Einleitung des Planfeststellungsverfahren angeordnet werden (vgl. § 87 Abs. 2 Satz 1 FlurbG). Etwaige Abwägungsfehler im Hinblick auf die Inanspruchnahme bestimmter Grundstücke wären schließlich im Planfeststellungsverfahren bzw. im Rahmen einer nachfolgenden Anfechtungsklage gegen den zwischenzeitlich erlassenen Planfeststellungsbeschluss geltend zu machen gewesen.


...


Für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, wie sie hier allein in Rede stehen, ist das Wertverhältnis nach § 28 Abs. 1 FlurbG in der Regel nach dem Nutzen zu bestimmen, den sie bei gemeinüblicher ordnungsmäßiger Bewirtschaftung jedem Besitzer ohne Rücksicht auf ihre Entfernung vom Wirtschaftshof oder von der Ortslage nachhaltig gewähren können. Dabei ist der Wert der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke jedes Teilnehmers regelmäßig durch einen allgemein formulierten Ermittlungsrahmen auf der Grundlage der Ergebnisse einer Bodenschätzung nach dem Bodenschätzungsgesetz im Verhältnis zum Wert aller Grundstücke des Flurbereinigungsgebiets zu bestimmen (vgl. Senatsurt. v. 31.08.1983- 7 S 1633/82 -, Rd1l 983, 295). Berücksichtigung müssen lediglich die im Boden selbst liegenden Ertragsbedingungen und damit die generellen Faktoren der Fruchtbarkeit des Bodens finden. Wie die Flächen von ihren jeweiligen Eigentümern im einzelnen bewirtschaftet werden, ist dabei ohne Belang (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.07.1970 -IV B 188.68-, Buchholz 424.01 § 28 FlurbG Nr. 1 <= RzF - 24 - zu § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG>).


Dem Betroffenen steht es frei, sowohl den Wertrahmen als solchen mit der Begründung anzugreifen, er stehe nicht in Einklang mit den gesetzlichen Anforderungen, als auch die konkrete Wertermittlung einzelner Grundstücke mit der Begründung zu beanstanden, sie entspreche nicht den im Wertermittlungsrahmen niedergelegten Grundsätzen (BVerwG, Urt. v. 23.08.1962 - I C 130.56 -, Rdl 1963, 107 <= RzF - 5 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG>; Beschl. v. 25.9.1990, a.a.O.; Senatsurt. v. 27.04.1993 - 7 S 3206/91 -). ln der Wahl der technischen Methode ist die Flurbereinigungsbehörde weitgehend frei, diese muss lediglich einerseits rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechen und andererseits den durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG geschützten Anspruch auf eine wertgleiche Abfindung tatsächlich verwirklichen (BVerwG, Urt. v. 23.08.1962, a.a.O.).


…


Soweit die Klägerin die entsprechenden Ergebnisse der Bodenwertermittlung nicht für verwertbar hält, weil die entsprechenden Klassenflächen- und -grenzen mit Hilfe von Datenverarbeitungsprogrammen - nämlich den LEGIS­ Programmen SDV, PDV und DAVID - ermittelt worden waren, geht dies fehl. Zwar hat sich die Überprüfung der Wertermittlung durch das Flurbereinigungsgericht selbstverständlich auch auf die zur Festlegung der Klassengrenzen und Ermittlung der einzelnen Klassenflächen angewandten "nachvollziehbaren Regeln und gesicherten mathematischen Formeln" zu erstrecken. Denn sonst ließen sich die nicht nur auf Einzelstiche, sondern auf bestimmte Flächen bezogenen Wertermittlungsergebnisse noch nicht einmal auf ihre Plausibilität überprüfen. Doch hat das Landesamt das Zustandekommen der einzelnen grafischen Darstellungen in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und überzeugend erläutert bzw. plausibilisiert. Nachdem, wie aus den nachträglich vorgelegten Bodenrissen erhellt, auch eine hinreichende Anzahl von Bodenproben gezogen und bewertet worden war, kann die mittels Interpolationen erstellte grafische Darstellung nicht schon deshalb beanstandet werden, weil die zahlreichen Einzelpunkte - vereinfachend - durch gerade Linien und nicht durch Kurven verbunden wurden. Dies gilt umso mehr, als noch manuelle Korrekturen vorgenommen wurden.