Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 31.07.1970 - IV B 188.68 = Buchholz BVerwG 424.01 § 28 FlurbG Nr. 1= RdL 1971 S. 41

Aktenzeichen IV B 188.68 Entscheidung Beschluss Datum 31.07.1970
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen Buchholz BVerwG 424.01 § 28 FlurbG Nr. 1 = RdL 1971 S. 41  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zur Frage der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
2. Zur Rüge eines Verfahrensmangels nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

Aus den Gründen

Die Rechtssache hat nicht die von den Klägern behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

I. Die Kläger halten es für eine grundsätzliche, der Klärung durch das Revisionsgericht bedürftige Frage, ob die Berücksichtigung des Bodenprofils (des geologischen Aufbaus, der geologischen Beschaffenheit des Bodens) dann zur Entscheidung über die Wertgleichheit von Einlage und Abfindung ausreicht, wenn die im konkreten Falle wesentlichen Bodenfaktoren (Fruchtbarkeitsfaktoren) nicht erfaßt werden und damit die Grundlage für die Schlußfolgerungen und Erwartungen des Flurbereinigungsgerichts fehlt, daß das Abfindungsgrundstück den von dem Gericht erwarteten zukünftigen Zustand jemals erlangen wird. Hiermit wollen die Kläger die Geeignetheit der Schätzungsmethode in Frage stellen, legen damit indessen keine grundsätzliche Frage im Sinne des Gesetzes dar (§ 132 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Denn die Schätzungsmethode umfaßt einerseits die Aufstellung des Schätzungsrahmens und andererseits die Schätzung selbst, d. h. die Einstufung der einzelnen Flurstücke des Flurbereinigungsgebietes in die entsprechenden Klassen des Schätzungsrahmens. Selbst wenn man das Vorbringen der Kläger dahin auffassen könnte, daß sie behaupten wollten, der Schätzungsrahmen umfaßte im vorliegenden Falle nur die Berücksichtigung des Bodenprofils und lasse die Fruchtbarkeitsfaktoren außer acht, so ist nicht ersichtlich, inwieweit darin eine rechtsgrundsätzliche Frage liegen sollte, die durch ein Revisionsverfahren geklärt werden könnte. Das Bewertungsverfahren richtet sich nach den § 27 ff. FlurbG. Für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke ist das Wertverhältnis in der Regel nach dem Nutzen zu ermitteln, den sie bei gemeinüblicher ordnungsgemäßer Bewirtschaftung jedem Besitzer nachhaltig gewähren können. Die danach geforderte Ermittlung des Wertverhältnisses der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke auf der Grundlage des Nutzungswertes erfordert die Feststellung der Beschaffenheit der im Flurbereinigungsgebiet vorhandenen Böden und die Festlegung des Wertes, der für die jeweiligen Böden gerechtfertigt ist. Das Ergebnis dieser Prüfung und die generelle Festlegung für das ganze Flurbereinigungsgebiet finden ihren Niederschlag in eben diesem Schätzungsrahmen, und dieser dient als Ordnungssystem der Eingliederung der in dem betreffenden Gebiet vorgefundenen Böden mit annähernd gleicher Nutzungsfähigkeit in die entsprechenden Gruppen. Dies alles ist bereits geklärt durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 23.8.1962 - BVerwG I C 130.56 (RdL 1963, 107)). Wenn die Kläger demgegenüber bemängeln, daß auch die Fruchtbarkeitsfaktoren dabei berücksichtigt werden müßten und hier nicht berücksichtigt worden seien, so übersehen sie, daß lediglich die im Boden selbst liegenden Ertragsbedingungen und damit die generellen Faktoren der Fruchtbarkeit des Bodens Berücksichtigung finden müssen, d. h. diejenigen, die sich für jeden Besitzer ergeben, nicht aber auch diejenigen, die sich aus der individuellen Bewirtschaftung des Bodens ergeben können. Es ist in der Beschwerde aber nichts dafür dargetan, daß diese generellen Faktoren bei dem Schätzungsrahmen nicht berücksichtigt worden wären.

Es ist zwar richtig, daß das Flurbereinigungsgericht verschiedene Mängel an dem Abfindungsflurstück der Kläger festgestellt hat, wie die Kläger zutreffend dargelegt haben. Die daran geknüpfte Schlußfolgerung des Flurbereinigungsgerichts, daß im vorliegenden Falle indessen dieser Zustand auf mangelnde Pflege und Sorgfalt bei der Bearbeitung zurückzuführen sei, verstößt aber nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und ist darüber hinaus eine Frage des Einzelfalles und daher einer grundsätzlichen Klärung durch das Revisionsgericht nicht zugänglich. Richtig ist ferner, daß bei der Frage, welcher Wert bei der Schätzung zugrunde zu legen ist, auf das tatsächliche Wertverhältnis eines Grundstücks für den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem die Schätzung durchgeführt wird, und daß nicht etwa ein Nutzungswert unterstellt werden darf, der bestehen würde, wenn bereits Bodenverbesserungen durch Dränagen durchgeführt worden sind, die zur Verbesserung der Feuchtigkeitsverhältnisse führen werden (BVerwG a.a.O.). Darum geht es aber im vorliegenden Fall auch nicht. Denn das Flurbereinigungsgericht hat nicht etwa einen durch die Dränagewirkung verbesserten Bodennutzungswert zugrunde gelegt, sondern sich damit auseinandergesetzt, ob die jahrzehntelange schlechte Bearbeitung der etwa 20 Einzelflurstücke, die das jetzige Abfindungsflurstück der Kläger ausmachen, zu einer Änderung der Schätzungsergebnisse oder zu der Gewährung eines Geldausgleichs für vorübergehende Nachteile führen kann. Dabei ist es, ohne daß dies zu einer rechtsgrundsätzlichen Frage würde, denkgesetzlich klar und daher nicht ausgeschlossen, daß auch die Nebenwirkungen von Dränagen berücksichtigt werden können, wenn sie zum Beispiel darin bestehen, die Beseitigung von Unkräutern herbeizuführen. Darauf aber hat das Flurbereinigungsgericht mit Recht abgestellt, indem es - von den Klägern insoweit nicht beanstandet - ausgeführt hat, die bereits wirkende Dränierung werde keine jahrelange Bearbeitung erfordern, um die Verunkrautung mit Ackerschachtelhalmen zu beseitigen. Bei den damit im Zusammenhang von den Klägern aufgeworfenen Fragen handelt es sich nicht um rechtsgrundsätzliche, sondern um die Klärung eines Einzelfalles. Denn das Flurbereinigungsgericht hat nicht etwa auf einen zukünftigen Zustand hinsichtlich des Bodenwertes abgestellt, sondern für den vorliegenden Fall aus der Art der Verunkrautung und aus den - von den Klägern nicht mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffenen - Feststellungen über die Möglichkeit der Beseitigung bzw. Vernichtung dieser Unkräuter denkfehlerfrei gefolgert, daß es sich nur um einen vorübergehenden Nachteil im Sinne von § 51 FlurbG handele und nicht um eine Verunkrautung, die zu einer Minderung des Nutzungswerts des Grundstücks führt (vgl. Urteil vom 3.12.1959 - BVerwG I C 95.58 (RdL 1960, 78)). Daß das Flurbereinigungsgericht in diesem Zusammenhange beiläufig meint, bei Anwendung der von ihm geschilderten Pflegemaßnahmen werde das fragliche Flurstück in absehbarer Zeit einen seinem Bodenwert entsprechenden Ertrag bringen, zeigt eindeutig, daß sich das Gericht der entscheidenden Bedeutung des Bodenwertes für die Schätzung und für die Entscheidung über die Gleichwertigkeit bewußt war.

II. Die Kläger rügen als Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), auf dem das Urteil beruhen könne, den Umstand, daß das Flurbereinigungsgericht auf die vom Wasserwirtschaftsamt vorgelegte Übersichtskarte vom 13. Mai 1966 im Urteil Bezug genommen habe, obwohl die Kläger in der Klageschrift und in zwei weiteren Schriftsätzen angeblich um die Übermittlung der insoweit einschlägigen Akten und damit auch der Übersichtskarte gebeten hätten. Mag diese Behauptung der Kläger über das angebliche Ersuchen um Übermittlung der Akten auch zutreffen, so kann dies doch nicht zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels führen, weil die Kläger das Recht, einen solchen Verfahrensmangel zu rügen, nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verwirkt haben (Urteil vom 12.2.1959 - BVerwG III C 133.57 - (BVerwGE 8, 149)). Nach dem Sitzungsprotokoll hat der Vorsitzende den wesentlichen Inhalt der Akten vorgetragen und Ausführungen zur Sach- und Rechtslage gemacht. Es heißt dann weiter: "Bei der Erörterung bestritten die Kläger die Entwässerungsbedürftigkeit ihrer Einlageflurstücke 40, 60, 115, 119, 122, 135, 140, 142/1 und 150, die in der Karte des Wasserwirtschaftsamtes Heilbronn vom 13.5.1960 als nasse Flächen bezeichnet sind." Daraus folgt, daß den Klägern jedenfalls im Termin zur mündlichen Verhandlung die Darstellungen auf dieser Karte bekannt gewesen sein müssen. Nachdem sodann aufgrund des anschließend verkündeten Beweisbeschlusses diese von den Klägern bezeichneten Einlageflurstücke - mit Ausnahme der Flurstücke 60 und 122 - insbesondere wegen ihrer möglichen Entwässerungsbedürftigkeit sogleich in Augenschein genommen und bis auf das Flurstück 142/1 sämtlich als entwässerungsbedürftig bezeichnet worden waren, hätten die Kläger das Nichtvorliegen der Übersichtskarte noch im Termin rügen können und müssen, und zwar entweder vor oder nach der Beweisaufnahme, bei der Fortsetzung der mündlichen Verhandlung am 2.4.1968 oder zumindest in der mündlichen Verhandlung am 3.4.1968. Sie haben zwar insbesondere am 3.4.1968 andere weitere Beweisanträge gestellt und sich zu dem Verhältnis der dränagebedürftigen Einlage und der Abfindung eingehend geäußert. Einen Antrag, die ihnen angeblich vorenthaltene Einsichtnahme in die Übersichtskarte zu ermöglichen, haben sie indessen ausweislich der Sitzungsniederschrift bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Nach der erwähnten Entscheidung (BVerwGE 8, 149) muß indessen auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Verletzung einer Verfahrensvorschrift, auf deren Befolgung verzichtet werden kann, mindestens bis zum Ablauf der Instanz gerügt werden.