Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.08.1962 - I C 130.56 = RdL 1963 S. 107
Aktenzeichen | I C 130.56 | Entscheidung | Urteil | Datum | 23.08.1962 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = RdL 1963 S. 107 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Der Beteiligte eines Flurbereinigungsverfahrens ist im Schätzungsstreit nicht auf Einwendungen beschränkt, die die Einreihung seiner Grundstücke in eine bestimmte Schätzungsklasse betreffen; er kann auch den Schätzungsrahmen selbst angreifen. |
2. | Zur Frage, in welcher Weise eine vorhandene Dränage-Anlage und eine fehlende Dränage-Anlage bei der Schätzung zu berücksichtigen ist. |
Aus den Gründen
Das Flurbereinigungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Teilnehmer im Rahmen des Schätzungsstreites auch den Schätzungsrahmen angreifen kann und daß das Flurbereinigungsgericht dann über seine Rechtmäßigkeit zu entscheiden hat.
Gegenstand des Schätzungsstreits ist die Feststellung der "Ergebnisse der Schätzung" nach § 38 der Reichsumlegungsordnung vom 16. Juni 1937 (BGBl. I S. 629) - RUO -. Nur dieser feststellende Verwaltungsakt kann mit der Klage nach § 140 FlurbG angefochten werden. Als Anfechtungsgründe können aber alle materiell-rechtlichen und alle verfahrensrechtlichen Gesichtspunkte geltend gemacht werden, die auf den sachlichen Inhalt dieser Feststellung Einfluß haben können.
Die RUO gibt keine abschließende Regelung für die Wertermittlung. Sie legt zwar die unabdingbaren und der Disposition der Behörde entzogenen Voraussetzungen fest, die für die Beurteilung der Grundstücke der Teilnehmer nach Wertgesichtspunkten bestimmend sein sollen (vgl. hierzu Urteil vom 26.3.1962, BVerwG I C 24.61, RdL 1962 S. 217); sie schreibt aber für die Durchführung keine bestimmte technische Methode vor. Die Umlegungsbehörde hat also - von den gesetzlichen Grenzen und von internen Bindungen durch Verwaltungsanweisungen abgesehen - bei der Wahl der Methode einen weiten Spielraum.
In der vorliegenden Streitsache ist die Wertermittlung nach Maßgabe des zur RUO ergangenen Erlasses vom 25.4.1938 (LwRMBl.Sp. 421) durchgeführt worden. Nach der hier festgelegten Methode gliedert sich die Wertermittlung in die Aufstellung des Schätzungsrahmens (Einleitung der Schätzung) und in die Einstufung der Flächen des Umlegungsgebietes in die Klassen des Schätzungsrahmens (Schätzung). Der Auffassung der beklagten Behörde und des Oberbundesanwalts, daß sich der Teilnehmer nur gegen die Einreihung seiner Grundstücke in eine bestimmte Schätzungsklasse wenden könne, also nur der zweite Teil des Schätzungsvorganges der gerichtlichen Kontrolle unterliege, vermag der Senat nicht zu folgen. Diese Auffassung wäre nur dann zutreffend, wenn es sich bei dem Schätzungsrahmen um eine abgeleitete Norm handeln würde oder wenn ihm für die Einzelschätzung keine Bedeutung zukäme. Beides trifft nicht zu.
Daß der Schätzungsrahmen keine Norm ist, hat der Senat bereits im Beschluß vom 10.8.1961, BVerwG I CB 133.60, RdL 1961 S.324 = BBauBl. 1962 S. 14, entschieden. Die gegenteilige Auffassung scheitert - abgesehen davon, daß der Schätzungsrahmen keinen Rechtssatz enthält - bereits daran, daß es an einer ermächtigenden Norm fehlt. Aus den gleichen Erwägungen ist auch die Aufstellung des Schätzungsrahmens kein Normsetzungsverfahren.
Auch der zweite Gesichtspunkt greift nicht durch. Der der gerichtlichen Prüfung nach § 140 FlurbG, § 38 Abs.1 RUO unterliegende Verwaltungsakt hat die Feststellung zum Inhalt, daß die Grundstücke des Teilnehmers in einem bestimmten Wertverhältnis zu den übrigen Grundstücken des Umlegungsgebietes stehen (§ 32 RUO). Dem Gesetz entspricht diese Feststellung dann, wenn einerseits die nach der RUO maßgeblichen Wertmaßstäbe (§§ 34, 35 RUO) dem Schätzungsverfahren zugrunde gelegt worden sind und wenn andererseits die auf dieser Grundlage festgestellten Schätzwerte mit den tatsächlichen Werten übereinstimmen. Der den Gegenstand des Schätzungsstreites bildende Verwaltungsakt ist also nicht auf die Feststellung beschränkt, daß die Grundstücke in eine vorgesehene Schätzungsklasse richtig eingereiht worden sind. Alle für die nach § 38 RUO zu treffende Feststellung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen müssen notwendigerweise der gerichtlichen Beurteilung unterliegen, da sonst der dem Teilnehmer eingeräumte Rechtsschutz in unzulässiger Weise eingeschränkt würde. Dabei ist es ohne Belang, daß ein Teil der Voraussetzungen in dem für alle Grundstücke maßgeblichen Verfahrensabschnitt, den der Erlaß als "Einleitung der Schätzung" bezeichnet, generell festgestellt wird. Die nach §§ 32, 34 RUO vorgeschriebene Ermittlung des Wertverhältnisses der landw. genutzten Grundstücke auf der Grundlage des Nutzungswertes erfordert, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen, die Feststellung der Beschaffenheit der im Umlegungsgebiet vorhandenen Böden und die Festlegung des Wertes, der für die jeweiligen Böden gerechtfertigt ist. Das Ergebnis dieser für das ganze Umlegungsgebiet vorgenommenen Prüfung und generellen Festlegung findet seinen Niederschlag im Schätzungsrahmen, der als Ordnungssystem dazu dient, die im Umlegungsgebiet vorgefundenen Böden mit annähernd gleicher Nutzungsfähigkeit in Gruppen zu gliedern. Durch die Festlegung der Klassenmerkmale und des Wertverhältnisses der Schätzungsklassen bildet der Schätzungsrahmen nicht nur eine entscheidende Grundlage für die Einzelschätzung, sondern nimmt einen rechtlich erheblichen Teil des der Anfechtung unterliegenden Verwaltungsakts vorweg. Das Endergebnis - die mit der Klage anfechtbare Feststellung - hängt somit maßgeblich von der Rechtmäßigkeit dieses Teiles des Schätzungsvorganges ab. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Schätzungsrahmens darf daher von der gerichtlichen Prüfung nicht ausgenommen werden.
Die somit zulässigen Angriffe gegen den Schätzungsrahmen sind aber nicht begründet.
Wenn auch die Behörde bei der Wertermittlung in der Wahl der technischen Methode (nicht ihrer rechtlichen Voraussetzungen) weitgehend frei ist, so muß die angewendete Methode doch einerseits rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechen und andererseits sicherstellen, daß der durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG geschützte Anspruch auf eine wertgleiche Abfindung tatsächlich verwirklicht wird (vgl. BVerwGE 8, 343 (349, 350), Beschl. vom 10.8.1961 a.a.O.). Wenn auch unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten weitergehende Einwendungen gegen den Schätzungsrahmen zulässig sind, als das Flurbereinigungsgericht annimmt, bestehen gleichwohl gegen das hier angewendete Verfahren keine Bedenken. Die einzelnen Rügen sind nicht gerechtfertigt.
a) - c) (wird ausgeführt)
d) Der Kläger hält zu Unrecht die Schätzungswerte deshalb für unrichtig, weil für nicht dränierte Flächen keine gesonderten Abschläge gemacht worden sind. Er meint, es müsse von geregelten Wasserverhältnissen ausgegangen werden und es müsse der "Minderwert infolge Dränagebedürftigkeit bei den einzelnen Parzellen berücksichtigt werden". Diese Auffassung findet im Gesetz keine Stütze: Nach § 34 RUO ist für landw. genutzte Grundstücke das Wertverhältnis nach dem Nutzen zu ermitteln, den sie bei gemeinüblicher ordnungsgemäßer Bewirtschaftung jedem Besitzer nachhaltig gewähren können. Für den Nutzungswert i.S. dieser Vorschrift sind neben den im Boden selbst liegenden Ertragsbedingungen die Feuchtigkeitsverhältnisse von wesentlicher Bedeutung. Das Wasser ist für die Ertragsfähigkeit des Bodens ebenso wichtig wie seine chemische, physikalische und biologische Beschaffenheit; es bildet zusammen mit dem Klima eine maßgebliche Grundlage der Bodenbildung. Im Hinblick auf diese enge Beziehung zwischen Bodenbeschaffenheit und dem natürlichen Wasserhaushalt müssen die Wasserverhältnisse in der Regel bei der Beurteilung des Bodens miterfaßt werden. Werden etwaige ungünstige Wasserverhältnisse auf diese Weise im Bodenwert berücksichtigt, so ist kein Raum für zusätzliche Abzüge bei Dränagebedürftigkeit. Da bei der Schätzung das tatsächliche Wertverhältnis der Grundstücke für den Zeitraum zu ermitteln ist, in dem die Schätzung durchgeführt wird, kommt es auf den in diesem Zeitpunkt vorhandenen Zustand des Bodens an. Es muß also der Nutzungswert festgestellt werden, der den gegebenen Feuchtigkeitsverhältnissen entspricht. Es darf also nicht ein Nutzungswert unterstellt werden, der bestehen würde, wenn bereits Bodenverbesserungen durch Dränagen durchgeführt worden wären. Das Flurbereinigungsgericht hat also zu Recht die Ansicht des Klägers abgelehnt. Es ist auch nicht zutreffend, wenn der Kläger geltend macht, es müßten bestehende Dränagen mit einem Restwert nach § 35 RUO geschätzt werden. Das Flurbereinigungsgericht hat bei dränierten Grundstücken zutreffend auf § 34 Abs. 2 RUO abgestellt. Nach dieser Vorschrift sind wesentliche Bestandteile eines Grundstücks, die seinen Wert dauernd beeinflussen, soweit erforderlich, besonders zu schätzen. Hierdurch soll sichergestellt werden, daß der Wert von Bestandteilen eines Grundstücks, der nicht bereits im Nutzungswert nach § 34 Abs. 1 RUO enthalten ist, berücksichtigt wird. Eine gesonderte Schätzung ist also nur hinsichtlich solcher Bestandteile des Grundstücks erforderlich, die neben dem Nutzungswert noch einen besonderen Vermögenswert darstellen. Das ist bei verlegten Dränagerohren regelmäßig nicht der Fall. Die Beklagte weist mit Recht darauf hin, daß die im Boden liegenden Anlagen im allgemeinen keinen selbständigen Wertfaktor darstellen, sondern lediglich Bodenverbesserungsmittel sind. Den Dränagerohren kommt nach der Verlegung in der Regel nur im Zusammenhang mit dem Boden für die Wertermittlung eine Bedeutung zu. Die Dränageanlage, die nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck der Verbesserung des Bodens ist, bringt für den Boden physikalische und chemische Vorteile, die seinen Nutzungswert erhöhen. Der Wert einer wirksamen Dränage kommt also im Zustand des Bodens zum Ausdruck und wirkt sich bei seiner Bewertung aus. Daher kommt eine Berücksichtigung des Herstellungsaufwandes mit dem noch nicht abgeschriebenen Restbetrag nicht in Betracht. Die steuerlichen Erwägungen des Klägers haben bei der Umlegungsschätzung außer Betracht zu bleiben.
Wie die Verhältnisse dann zu beurteilen sind, wenn es sich um eine neue Dränageanlage handelt, die sich noch nicht im erwarteten Umfang auf die Bodenverhältnisse ausgewirkt hat, oder wenn die Unterhaltung der Anlage dauernd besondere Aufwendungen erfordert, bedarf keiner Entscheidung, weil ein solcher Fall nach den tatsächlichen Feststellungen nicht vorliegt.
Der Kläger macht zu Unrecht geltend, das Flurbereinigungsgericht hätte nicht von § 34 Abs. 2 RUO, sondern von § 35 Abs. 1 RUO ausgehen müssen, der für bauliche Anlagen die Schätzung nach dem gemeinen Wert vorsieht. Er übersieht hierbei, daß diese Vorschrift nur einen von § 34 Abs. 1 RUO abweichenden Bewertungsmaßstab für bauliche Anlagen aufstellt, die dem wirtschaftlichen Verkehr unterliegen (vgl. § 35 Abs. 2 RUO). Diese Voraussetzungen liegen bei einer verlegten Dränageanlage nicht vor.