Flurbereinigungsgericht Weimar, Urteil vom 04.11.2003 - 7 F 748/03 = BVerwGE 55, 48= RdL 1961 S. 324= IK 1962 S. 18 (Lieferung 2005)
Aktenzeichen | 7 F 748/03 | Entscheidung | Urteil | Datum | 04.11.2003 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Weimar | Veröffentlichungen | = BVerwGE 55, 48 = RdL 1961 S. 324 = IK 1962 S. 18 | Lieferung | 2005 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Dringlichkeit des Vorausbaus gemeinschaftlicher Anlagen gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 FlurbG liegt vor, wenn die Verwaltung bezweckt, das Verfahren zu beschleunigen und die Betroffenen frühzeitiger in den Genuss der mit der Durchführung des Verfahrens bezweckten agrarstrukturellen Verbesserungen gelangen zu lassen als auf der Grundlage des Flurbereinigungsplans. |
2. | Der Vorausbau ist nicht nur dann dringlich, wenn es darum geht, bisher fehlende Erschließungsanlagen zu schaffen oder völlig unzureichende Erschließungsanlagen instand zu setzen, sondern auch dann, wenn das vorhandene Wegenetz den heutigen Anforderungen angepasst werden soll. |
3. | Ergänzend darf die Verwaltung auf Wirtschaftlichkeitserwägungen verweisen. Vorgesehene Wegebaumaßnahmen z.B. lassen sich kostensparender in einem Zuge statt in mehreren Teilabschnitten ausführen. |
Aus den Gründen
Die vorläufige Anordnung Nr. 2, die die Bereitstellung von Flächen für den vorzeitigen Ausbau gemeinschaftlicher Anlagen (Wege und landschaftsgestaltende Anlagen) zum Gegenstand hat, findet ihre Grundlage in § 36 Abs. 1 Satz 1 FlurbG. Nach dieser Bestimmung kann die Flurbereinigungsbehörde eine vorläufige Anordnung erlassen, wenn es aus dringenden Gründen erforderlich wird, vor der Ausführung des Flurbereinigungsplanes den Besitz oder die Nutzung oder die Ausübung anderer Recht zu regeln. Soweit die vorläufige Anordnung den Vorausbau gemeinschaftlicher Anlagen nach § 42 Abs. 1 Satz 2 FlurbG bezweckt, kann der davon betroffene Teilnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat sich anschließt, nicht nur die Dringlichkeit und Erforderlichkeit der vorläufigen Anordnung bestreiten, sondern auch die für das Gestaltungsbedürfnis vorauszusetzende Erforderlichkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der festgestellten gemeinschaftlichen Anlage nach Art, Umfang und finanziellem Aufwand in Abrede stellen, so dass die Planrechtfertigung dieser gemeinschaftlichen Anlage ebenfalls zur gerichtlichen Überprüfung gestellt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 6.2.1986 - 5 C 40.84 -, BVerwGE 74, 1 = RdL 1988, 131 = AgrarR 1988, 224 = RzF - 51 - zu § 36 Abs. 1 FlurbG). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Flurbereinigungsbehörde bei der Aufstellung des dem Vorausbau zugrundeliegenden Wege- und Gewässerplans mit landschaftspflegerischem Begleitplan nach § 41 FlurbG ein Planungsermessen eingeräumt ist. Die Nachprüfung des Wege- und Gewässerplanes durch das Flurbereinigungsgericht hat sich daher darauf zu beschränken, ob die Flurbereinigungsbehörde die gesetzlichen Grenzen ihrer Gestaltungsfreiheit überschritten oder ihr Planungsermessen sonst fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. nur OVG Lüneburg, Urteil vom 22.10.1980 - F OVG A 216/78 -, RzF - 46 - zu § 36 Abs. 1 FlurbG; Seehusen/Schwede, Flurbereinigungsgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 1997, § 41 Rdn. 7 m.w.N.).
Der mit der vorläufigen Anordnung bezweckte vorzeitige Ausbau von Wegen und landschaftsgestaltenden Anlagen findet seine formelle Grundlage in § 42 Abs. 1 Satz 2 FlurbG. Danach können derartige gemeinschaftliche Anlagen schon vor der Ausführung des Flurbereinigungsplans gebaut werden, sofern der Wege- und Gewässerplan festgestellt ist. Dies ist hier der Fall. Der Wege- und Gewässerplan (der den einzelnen Grundstückseigentümern als am Flurbereinigungsverfahren beteiligte Teilnehmer nicht zugestellt werden muss) ist zwar nicht nach § 41 Abs. 3 FlurbG festgestellt, sondern nach § 41 Abs. 4 FlurbG durch das zuständige Ministerium als obere Flurbereinigungsbehörde genehmigt worden; die Genehmigung steht aber der Planfeststellung gleich (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.4.1996 - 7 S 3096/95 -, RdL 1996, 261; Seehusen/Schwede, Flurbereinigungsgesetz, § 41 Rdn. 24 und § 42 Rdn. 4 m.w.N.).
Der vorgesehene vorzeitige Ausbau der Wege Nr. 119, 124 und 125 sowie die Herstellung der landschaftsgestaltenden Anlagen 655 und 656 ist auch unter dem Gesichtspunkt der Planrechtfertigung nicht zu beanstanden. Ausweislich des Erläuterungsberichts zum Plan über die gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen (unter Ziff. 3.2) soll der Plan dem Erschließungsgebot des § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG Rechnung tragen. Dabei hat sich das Flurneuordnungsamt am vorhandenen Wegenetz orientiert; lediglich drei Wege, die aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, sollen neutrassiert werden. Die auf der Grundlage dieser sachgerechten und am Ziel der Flurbereinigung orientierten Überlegungen getroffene planerische Entscheidung über die Durchführung der im vorliegenden Verfahren streitigen Maßnahmen hält einer gerichtlichen Nachprüfung stand.
Die mithin auf einer nicht zu beanstandenden planerischen Grundlage getroffenen Maßnahmen sind auch im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 1 FlurbG "dringlich" und rechtfertigen deshalb den Erlass der streitigen vorläufigen Anordnung. Die von § 36 Abs. 1 Satz 1 FlurbG geforderte Dringlichkeit des Vorausbaus gemeinschaftlicher Anlagen ist dann zu bejahen, wenn er dazu dient, den Übergang in den neuen Zustand vorzubereiten und zu sichern, sowie die Aufstellung des Flurbereinigungsplans und die Durchführung des Verfahrens zu erleichtern und zu beschleunigen. Dabei bezieht sich der Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung nicht nur auf den Fortgang des formellen Verfahrensablaufs, sondern auch auf das Verfahrensergebnis und besagt insoweit, dass die mit dem Verfahren zu erzielenden Verbesserungen so frühzeitig wie möglich verwirklicht werden sollen (vgl. BayVGH, Urteil vom 19.11.1987 - 14 A 86.03365 -, AgrarR 1988, 222; Beschluss vom 17.5.1995 - 13 AS 95.1340 -). Die streitige vorläufige Anordnung trägt diesem Beschleunigungsgebot dadurch Rechnung, dass die Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens L. durch den nunmehr auch auf den Grundstücken der Kläger möglichen Vorausbau der gemeinschaftlichen Anlagen frühzeitig in den Genuss der mit der Durchführung dieses Verfahrens bezweckten agrarstrukturellen Verbesserungen gelangen. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass der Vorausbau nicht mehr zu einer Beschleunigung des Verfahrens führen könne, weil in Kürze bereits ein Planwunschtermin stattfinden solle. Ohne den durch die vorläufige Anordnung Nr. 2 vorgesehenen Übergang des Besitzes an den für die geplanten Anlagen benötigten Teilen der Grundstücke des Klägers und der Kläger des Parallelverfahrens - 7 F 727/03 - auf die Teilnehmergemeinschaft (als Vorhabensträger) könnten diese erst mit der Ausführung des Flurbereinigungsplans hergestellt werden; wann es nach dem Planwunschtermin zur Austellung des Flurbereinigungsplans und seiner Ausführung kommen wird, ist aber zurzeit noch ungewiss (zu den Voraussetzungen einer - ggf. vorzeitigen - Ausführungsanordnung vgl. § 61 ff. FlurbG).
Die Dringlichkeit des Vorausbaus der Wege kann auch nicht mit der Begründung in Frage gestellt werden, dass die Wege bereits vorhanden seien und den bisherigen Nutzern und Bewirtschaftern insb. der durch den Weg 125 erschlossenen Wiesenflächen ohne weiteres zumutbar sei, die Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens abzuwarten. Die geforderte "Dringlichkeit" von Maßnahmen des Vorausbaus liegt nicht nur dann vor, wenn es darum geht, bisher fehlende Erschließungsanlagen zu schaffen oder völlig unzureichende Erschließungsanlagen instandzusetzen, sondern auch dann, wenn es - wie hier - um Ausbaumaßnahmen geht, durch die das bereits vorhandene Wegenetz den heutigen Anforderungen angepasst werden soll.
Der Beklagte hat schließlich zur Begründung der Dringlichkeit zu Recht auch - ergänzend - auf Wirtschaftlichkeitserwägungen verwiesen (vgl. dazu BayVGH, Urteil vom 20.3.1980 - 151 XIII 78 -, RzF - 44 - zu § 36 Abs. 1 FlurbG; Seehusen/Schwede, § 36 Rdn. 15). Es liegt auf der Hand, dass die vorgesehenen Wegebaumaßnahmen sich kostensparender durchführen lassen, wenn sie in einem Zuge statt in mehreren Teilabschnitten ausgeführt werden. Dies gilt auch für die vom Beklagten ins Auge gefasste Durchführung der Sanierung der Brücke 514 (die nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist) und der Wegebaumaßnahmen durch ein Bauunternehmen. Auch wenn nicht sicher sein mag, dass die Arbeiten tatsächlich an ein und dasselbe Bauunternehmen vergeben werden, ist jedenfalls die konkrete Möglichkeit einer einheitlichen Vergabe und einer damit einhergehenden Kostenersparnis gegeben. Überdies hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass der Vorausbau des Weges 125 deshalb geboten ist, weil die Brückenbaustelle über diesen Weg angefahren werden soll; das erscheint nachvollziehbar. Gegen die Berücksichtigung der mit einer Sanierung der Brücke 514 und dem Ausbau des Weges 125 in einem Zuge bzw. durch ein Unternehmen verbundenen Vorteile (insb. einer möglichen Kostenersparnis) lässt sich schließlich auch nicht einwenden, dass die Brückenbaumaßnahme selbst planerisch nicht gerechtfertigt sei. Auch wenn die Brücke nur der Erschließung von jenseits des Baches gelegenen Wiesenflächen dient und diese zurzeit ausschließlich von Herrn S. bewirtschaftet werden, ist ihre Sanierung bzw. der im Erläuterungsbericht zum Plan nach § 41 FlurbG angesprochene "Ersatzneubau" notwendig, ohne dass es darauf ankommt, worauf die Sanierungsbedürftigkeit der Brücke zurückzuführen ist. Entscheidend ist, dass die Brücke wiederhergestellt werden muss, um die bisher vorhandene Erschließung der genannten Flächen über den Weg 125 auch in Zukunft sicherzustellen. Dies gilt selbst dann, wenn die fraglichen Wiesenflächen über Umwege auch anderweitig zu erreichen sein sollten.