Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 03.05.2018 - 13 A 16.2394 (Lieferung 2019)

Aktenzeichen 13 A 16.2394 Entscheidung Urteil Datum 03.05.2018
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung 2019

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Zuteilung eines von der unteren Naturschutzbehörde als Biotopfläche im Sinn von § 30 Abs. 1 BNatSchG eingestuften Abfindungsflurstücks stellt keinen Ausgleich zur Herstellung einer wertgleichen Abfindung dar, wenn der Teilnehmer nicht auch in seiner Einlage eine vergleichbare Biotopfläche hatte.
2. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Nachteile der Hängigkeit wie z.B. erhöhte Schlepperkosten, geringere Erträge und zunehmende Erosionsgefahr durch die Hangabschläge ausgeglichen sind. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Bewirtschaftungsnachteile betrieblich nicht auffangbar sind.
3. Vorrangig dient Masseland als Reserve zur wertgleichen Abfindung. Auf zugeteiltes Masseland können Behörden wie Gerichte bis zur Unanfechtbarkeit der Abfindung aller Teilnehmer und nach § 64 FlurbG zurückgreifen. Denn Masseland, auf das ohnehin kein Anspruch besteht, kann keinen stärkeren Bestandsschutz genießen als jede Abfindung.

Aus den Gründen

27    Der für jede Landabfindung zwingend vorgeschriebene Gestaltungsgrundsatz, den Teilnehmer für seine in die Flurbereinigung eingebrachten Grundstücke unter Berücksichtigung der nach § 47 FlurbG vorgenommenen Abzüge mit Land von gleichem Wert abzufinden (§ 44 Abs. 1 FlurbG), ist vorliegend zwar rechnerisch beachtet. Den Klägern wurde mit der zusätzlichen Zuteilung des Abfindungsflurstücks 763 durch den Widerspruchsbescheid des Spruchausschusses vom 4. November 2016 sogar mehr an Abfindung zugeteilt, als ihnen als Forderung aufgrund ihrer Einlage zusteht. Neben der rechnerischen Wertgleichheit (Summe der Wertverhältniszahlen) sind aber auch die in § 44 Abs. 2 und 4 FlurbG aufgeführten gleichwertigkeitsbestimmenden Umstände und Faktoren zu beachten. Hierbei ist die gesamte Einlage mit der gesamten Abfindung zu vergleichen (BVerwG, U.v. 10.5.1990 - 5 C 1.87 - BVerwGE 85, 129 <= RzF - 90 - zu § 44 Abs. 2 FlurbG>). Im vorliegenden Fall widerspricht die Gestaltung der Abfindung dem Gebot, alle Umstände zu berücksichtigen, die u.a. auf die Benutzung und die Verwertung der Grundstücke wesentlichen Einfluss haben (§ 44 Abs. 2 Alt. 2 FlurbG). Sowohl das zusätzlich zugeteilte Abfindungsflurstück als auch das nach wie vor zugeteilte Abfindungsflurstück 750 weisen hinsichtlich ihrer landwirtschaftlichen Nutzbarkeit Mängel auf, die einer Wertgleichheit von Einlage und Abfindung entgegenstehen.


28    Die im Widerspruchsbescheid vom 4. November 2016 erfolgte zusätzliche Zuteilung von Abfindungsflurstück 763 vermag die fehlende Wertgleichheit von Einlage und Abfindung der Kläger nicht zu beheben, da dieses aufgrund seiner Beschaffenheit und der von der unteren Naturschutzbehörde den Klägern bestätigten Qualität als gesetzlich geschütztes Biotop nach § 30 Abs. 1 BNatSchG nicht ausreichend bewirtschaftbar ist und damit keinen zumutbaren Ausgleich darstellt, zumal die Kläger in ihrer Einlage keine vergleichbare Biotopfläche hatten.


29    Das zusätzlich zugeteilte Abfindungsflurstück 763 ist wegen der vorhandenen Biotopstrukturen für eine rationelle und effektive Bewirtschaftung ungeeignet. Die Biotopstrukturen waren bereits bei der Inaugenscheinnahme am 29. Mai 2017 festgestellt worden und sind nach wie vor vorhanden, wie bei der Inaugenscheinnahme am 2. Mai 2018 festzustellen war. Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bestätigung der unteren Naturschutzbehörde vom 3. Mai 2018, wonach es sich um eine gemäß § 30 BNatSchG geschützte Fläche handelt, sind sie aus naturschutzrechtlichen Gründen auch nicht ohne weiteres behebbar. Wegen der Biotopflächen und des Grabenverlaufs kann das ca. 0,5 ha große Wiesenflurstück 763 allenfalls eingeschränkt bewirtschaftet werden. Der Grundsatz, dass kein Teilnehmer mängelbehaftete Flurstücke zurückweisen kann (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 44 Rn. 41 m.w.N.), gilt nur dann, wenn sich die bisherige Nutzbarkeit nicht wesentlich verschlechtert (vgl. BayVGH, U.v. 15.6.2009 - 13 A 08.70 - juris Rn. 20). Dies ist hier aber der Fall. Die Biotopstrukturen bilden nicht nur ein punktuelles oder eng begrenztes Problem für die Bewirtschaftung, sondern prägen das Abfindungsflurstück 763 im Ganzen. Das Flurstück 763 erfordert im Unterschied zu bewirtschafteten Wiesenflächen eine biotopspezifische Pflege, die sich von der üblichen Grünlandbewirtschaftung stark unterscheidet. Dies entspricht nicht dem Zweck der Neuordnung, den Arbeitsaufwand zu vermindern und die Bewirtschaftung zu erleichtern (§ 37 Abs. 1 Satz 2 FlurbG).


30    Im Übrigen verbleibt es hinsichtlich des Abfindungsflurstücks 750 dabei, was der Senat bereits in seinem gegenüber den Beklagten rechtskräftigen Urteil vom 14. Juli 2015 in den Verfahren 13 A 14.2106 und 13 A 14.2108 entschieden hat (RdL 2016, 14 = juris Rn. 19 f. <= RzF - 122 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>). Danach ist aufgrund der Zuteilung sehr steiler Teilflächen im oberen Bereich des hängigen Abfindungsflurstücks 750 bei den Klägern eine unzumutbare Bewirtschaftungserschwernis eingetreten und fehlt es an der Wertgleichheit von Einlage und Abfindung. Hierzu hat der Senat in den Urteilsgründen folgendes ausgeführt: "Durch die Zuteilung sehr steiler Teilflächen im oberen Bereich des hängigen Abfindungsflurstücks 750 ist bei den Klägern (Eheleuten) eine unzumutbare Bewirtschaftungserschwernis eingetreten. Diese ca. 100 m lange Grünlandfläche von ca. 1.600 m², welche hohe Hangabschläge von -4H und -5H aufweist, kann nach Einschätzung des zur Beurteilung landwirtschaftlicher Sachverhalte nach § 139 FlurbG fachmännisch besetzten Flurbereinigungssenats (BVerwG, B.v. 4.11.2010 - 9 B 85.09 - RdL 2011, 74) nicht ohne Unfallgefahr abgemäht werden. Die mit -5H belegte Teilfläche lässt sich mit großen Maschinen nicht bearbeiten, weil dort die große Gefahr des Umkippens besteht. Selbst bei Einsatz einer kleinen Maschine und versierter Fahrweise wäre das Risiko des Umkippens nicht zu vernachlässigen. Die mit -4H belegte Teilfläche lässt sich von der Hangneigung her zwar ohne Unfallgefahr befahren, weist aber einen zusätzlichen Risikofaktor auf. Entlang der Grenze zwischen den Einlageflurstücken 340 und 341 verläuft parallel zur Bewirtschaftungsrichtung ein absatzartiger alter Feldrain, der zwar nicht sehr hoch ist, aber bei Befahren der Kante unter Umständen bewirken kann, dass die eingesetzte Mähmaschine ins Rutschen geraten und dann umkippen würde. Diese schwerwiegenden, in der Einlage nicht vorhandenen Nachteile werden durch die Hangabschläge und die daraus resultierende Zuteilung entsprechend größerer Nutzflächen nicht kompensiert. Grundsätzlich ist zwar davon auszugehen, dass die Nachteile der Hängigkeit wie z.B. erhöhte Schlepperkosten, geringere Erträge und zunehmende Erosionsgefahr durch die Hangabschläge ausgeglichen sind (BVerwG, U.v. 23.6.1959 - I C 78.58 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 2). Etwas anderes gilt jedoch, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Bewirtschaftungsnachteile betrieblich nicht auffangbar sind (BVerwG, U.v. 26.3.1962 - I C 24.61 - RdL 1962, 217/218 <= RzF - 15 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>; Mayr in Wingerter/Mayr, FlurbG, 9. Aufl. 2013, § 44 Rn. 14). Aus diesem Grund ist hier auch kein Nachteilsausgleich durch einen der Abfindung innewohnenden positiven neuen Wertfaktor anzunehmen (vgl. Mayr, a.a.O., Rn. 15). Zwar wurde den Klägern eine mit -4N belegte, sehr nasse Fläche von 900 m² nicht wieder zugeteilt, jedoch vermag dieser Umstand die erheblich erschwerte Bewirtschaftung der oberen Steilflächen in Abfindungsflurstück 750 nicht zu kompensieren. Hinzu kommt, dass dieses Flurstück nicht ausreichend erschlossen ist."


35    Die tenorierte Änderung des Flurbereinigungsplans C. erscheint auch sachgerecht. Für die Herstellung einer wertgleichen Abfindung der Kläger sind keine Alternativen ersichtlich. Die Änderung ist auch für den hiervon betroffenen Beigeladenen zu 1 zumutbar, zumal dessen Anspruch auf wertgleiche Abfindung hierdurch nicht in Frage gestellt wird.


36    Die Wertgleichheit der Abfindung im Vergleich zur Einlage wird durch die tenorierte Änderung des Flurbereinigungsplans C. - Zuteilung einer 4.159 WVZ entsprechenden Fläche aus dem Abfindungsflurstück 775 des Beigeladenen zu 1 ausgehend von der westlichen Grenze parallel dazu an Stelle der Abfindungsflurstücke 750 und 763 - erreicht. Die 4.159 WVZ entsprechen der Bewertung des bisherigen Abfindungsflurstücks 750 im Abfindungsnachweis.


37    Die sich dadurch ergebende Verkleinerung des Abfindungsflurstücks 775 des Beigeladenen zu 1 erfolgt mit Geldausgleich und stellt dessen wertgleiche Abfindung nicht in Frage, da es sich bei einer Teilfläche des Abfindungsflurstücks 775 um sogenanntes Masseland handelte, der Beigeladene zu 1 also bereits vor dessen Erwerb von der TG C. wertgleich abgefunden war und damit hinsichtlich der Wertgleichheit der Abfindung des Beigeladenen zu 1 keine Bedenken bestehen. Zwar wird ihm das Abfindungsflurstück 775 gegen Wertausgleich verkleinert, jedoch handelt es sich hierbei um ihm von der Beklagten während des Flurbereinigungsverfahrens zugeteiltes Masseland im Sinn von § 54 Abs. 2 FlurbG. Der Rückgriff auf eine solche Wertzuteilung bewirkt grundsätzlich keine Rechtsbeeinträchtigung, weil auf den Erwerb von Land, das zur Abfindung der Teilnehmer nicht benötigt wurde, kein Rechtsanspruch besteht (st. Rspr., BVerwG, B.v. 2.12.1980 - 5 B 109.79 - Buchholz 424.01 § 54 FlurbG Nr. 3; BayVGH, U.v. 15.6.2009 - 13 A 08.70 - juris m.w.N.). Bei ergänzendem Landbedarf ist derartiges Land "zuvörderst" heranzuziehen (BVerwG, U.v. 26.11.1981 - 5 C 7.81 - RdL 1982, 327/328 = RzF 9 zu § 44 III/2 <= RzF - 9 - zu § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG>; BayVGH, U.v. 15.6.2009 - 13 A 08.70 - juris; U.v. 30.9.1977 - 197 XIII 76 - RdL 1978, 234/236). Wie jede Abfindung unter dem Vorbehalt einer möglichen nachträglichen Änderung steht (BVerwG, U.v. 26.5.1978 - V C 2.77 - BVerwGE 56, 1/2), ist auch die Vergabe von Masseland einer Korrektur zugänglich. Vorrangig dient Masseland als Reserve zur wertgleichen Abfindung bei begründeten Widersprüchen (BVerwG, U.v. 15.3.1973 - V C 4.72 - BVerwGE 42, 87 = AgrarR 1973, 332 = RzF 54 zu § 44 I <= RzF - 54 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG> < Anm. d. Schriftleitung: Der Masseland betreffende Urteilstext ist in der RzF nicht wiedergegeben>; BayVGH, U.v. 15.6.2009 - 13 A 08.70 - juris; U.v. 30.9.1977 - 197 XIII 76 - RdL 1978, 234/236). Auf zugeteiltes Masseland können Behörde wie Gerichte bis zur Unanfechtbarkeit der Abfindung aller Teilnehmer und nach § 64 FlurbG zurückgreifen (BVerwG, U.v. 26.11.1981 - 5 C 7.81 - RdL 1982, 327 <= RzF - 9 - zu § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG>). Denn Masseland, auf das ohnehin kein Anspruch besteht, kann keinen stärkeren Bestandsschutz genießen als jede Abfindung (BVerwG, U.v. 15.3.1973 - V C 4.72 - BVerwGE 42, 87 = AgrarR 1973, 332 = RzF 54 zu § 44 I <= RzF - 54 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG> < Anm. d. Schriftleitung: Der Masseland betreffende Urteilstext ist in der RzF nicht wiedergegeben>; Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 54 Rn. 13).