Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 14.07.2015 - 13 A 14.2106, 13 A 14.2108, 13 A 14.2109, 13 A 15.132 = RdL 2016, 14-16 (Leitsatz und Gründe) (Lieferung 2017)

Aktenzeichen 13 A 14.2106, 13 A 14.2108, 13 A 14.2109, 13 A 15.132 Entscheidung Urteil Datum 14.07.2015
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen RdL 2016, 14-16 (Leitsatz und Gründe)  Lieferung 2017

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Zuteilung eines nur schwer zu bewirtschaftenden Steilhangs durch den Flurbereinigungsplan kann trotz angemessener Hangabschläge die Wertgleichheit der Abfindung beeinträchtigen.

Aus den Gründen

18    Der für jede Landabfindung zwingend vorgeschriebene Gestaltungsgrundsatz, den Teilnehmer für seine in die Flurbereinigung eingebrachten Grundstücke unter Be-rücksichtigung der nach § 47 FlurbG vorgenommenen Abzüge mit Land von glei-chem Wert abzufinden (§ 44 Abs. 1 FlurbG), ist zwar rechnerisch beachtet. Neben dieser rechnerischen Wertgleichheit (Summe der Wertverhältniszahlen) sind aber auch die in § 44 Abs. 2 und 4 FlurbG aufgeführten gleichwertigkeitsbestimmenden Umstände und Faktoren zu beachten. Hierbei ist die gesamte Einlage mit der gesamten Abfindung zu vergleichen (BVerwG, U.v. 10.5.1990 - 5 C 1.87 - BVerwGE 85, 129). Im vorliegenden Fall widerspricht die Gestaltung der Abfindung dem Gebot, alle Umstände zu berücksichtigen, die u.a. auf die Benutzung und die Verwertung der Grundstücke wesentlichen Einfluss haben (§ 44 Abs. 2 Alt. 2 FlurbG).


19    Durch die Zuteilung sehr steiler Teilflächen im oberen Bereich des hängigen Abfindungsflurstücks xxx ist bei den Klägern (Eheleuten) eine unzumutbare Bewirtschaftungserschwernis eingetreten. Diese ca. 100 m lange Grünlandfläche von ca. 1.600 m², welche hohe Hangabschläge von -4H und -5H aufweist, kann nach Einschätzung des zur Beurteilung landwirtschaftlicher Sachverhalte nach § 139 FlurbG fachmännisch besetzten Flurbereinigungssenats (BVerwG, B.v. 4.11.2010 - 9 B 85.09 - RdL 2011, 74) nicht ohne Unfallgefahr abgemäht werden. Die mit -5H belegte Teilfläche lässt sich mit großen Maschinen nicht bearbeiten, weil dort die große Gefahr des Umkippens besteht. Selbst bei Einsatz einer kleinen Maschine und versierter Fahrweise wäre das Risiko des Umkippens nicht zu vernachlässigen. Die mit -4H belegte Teilfläche lässt sich von der Hangneigung her zwar ohne Unfallgefahr befahren, weist aber einen zusätzlichen Risikofaktor auf. Entlang der Grenze zwischen den Einlageflurstücken xxx und xxx verläuft parallel zur Bewirtschaftungsrichtung ein absatzartiger alter Feldrain, der zwar nicht sehr hoch ist, aber bei Befahren der Kante unter Umständen bewirken kann, dass die eingesetzte Mähmaschine ins Rutschen geraten und dann umkippen würde. Diese schwerwiegenden, in der Einlage nicht vorhandenen Nachteile werden durch die Hangabschläge und die daraus resultierende Zuteilung entsprechend größerer Nutzflächen nicht kompensiert. Grundsätzlich ist zwar davon auszugehen, dass die Nachteile der Hängigkeit wie z.B. erhöhte Schlepperkosten, geringere Erträge und zunehmende Erosionsgefahr durch die Hangabschläge ausgeglichen sind (BVerwG, U.v. 23.6.1959 - I C 78.58 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 2). Etwas anderes gilt jedoch, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Bewirtschaftungsnachteile betrieblich nicht auffangbar sind (BVerwG, U.v. 26.3.1962 - I C 24.61 - RdL 1962, 217/218; Mayr in Wingerter/Mayr, FlurbG, 9. Aufl. 2013, § 44 Rn. 14). Aus diesem Grund ist hier auch kein Nachteilsausgleich durch einen der Abfindung innewohnenden positiven neuen Wertfaktor anzunehmen (vgl. Mayr, a.a.O., Rn. 15). Zwar wurde den Klägern eine mit -4N belegte, sehr nasse Fläche von 900 m² nicht wieder zugeteilt, jedoch vermag dieser Umstand die erheblich erschwerte Bewirtschaftung der oberen Steilflächen in Abfindungsflurstück xxx nicht zu kompensieren.


20    Hinzu kommt, dass dieses Flurstück nicht ausreichend erschlossen ist. Nach § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG müssen Grundstücke durch Wege zugänglich gemacht werden. Die Zugänglichkeit setzt einen Anschluss an das öffentliche Wegenetz voraus. Die Beschaffenheit der Erschließung muss der Nutzung der neuen Grundstücke entsprechen, insbesondere das Heranfahren mit den zur Ausübung der Nutzung erforderlichen Fahrzeugen ermöglichen (BayVGH, U.v. 31.7.2007 - 13 A 06.1737 - RdL 2009, 296). Dieses Erfordernis ist hier aber nicht erfüllt. Zwar grenzt das genannte Abfindungsflurstück nordseitig an den öffentlichen Feld- und Waldweg Abfindungsflurstück 748, jedoch fehlt es wegen der ungünstigen Orographie des Geländes an der Möglichkeit, Siloballen vom Abfindungsflurstück 750 aus zur Straße zu transportieren. Aufgrund der gegebenen Bewirtschaftungsrichtung (West-Ost) käme nur eine Abfuhr an dem westlichen Ende in Betracht. Da sich dort aber ein nach Südwesten hin stark abfallender Hügel befindet, kann diese Stelle nicht - wie erforderlich wäre - schräg befahren werden. Die faktische Zufahrt über das westlich angrenzende Abfindungsflurstück 749 genügt nicht, weil die Überfahrt nicht rechtlich gesichert ist (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., Rn. 65). Dass das im dortigen Hangbereich gelegene Einlageflurstück 340 der Kläger ebenfalls nicht durch einen Weg erschlossen war, ist unerheblich, weil es sich bei der Erschließungspflicht um einen zwingend vorgeschriebenen Gestaltungsgrundsatz handelt.