Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19.09.1989 - 5 C 3.87 = BVerwGE 82, 313= NVwZ 1989 S. 469= DÖV 1989 S. 342= RdL 1990 S. 44= AgrarR 1990 S. 346

Aktenzeichen 5 C 3.87 Entscheidung Urteil Datum 19.09.1989
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen BVerwGE 82, 313 = NVwZ 1989 S. 469 = DÖV 1989 S. 342 = RdL 1990 S. 44 = AgrarR 1990 S. 346  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG dient der Sicherstellung der Planungshoheit der Flurbereinigungsbehörde; er vermittelt keinen subjektivrechtlichen Schutz vor rechtswidrigen Planänderungen. Der von einer Planänderung betroffene Teilnehmer kann deswegen die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer nach dieser Vorschrift vorgenommenen Plankorrektur nicht unabhängig davon angreifen, ob seine durch den Plannachtrag veränderte Abfindung in ihrer Wertgleichheit beeinträchtigt wird.
2. Kein Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens hat einen Rechtsanspruch auf eine besonders vorteilhafte Abfindung. Ebensowenig kann er beanspruchen, daß er nach Zuweisung einer solchen Abfindung gegen deren spätere Änderung geschützt wird.

Aus den Gründen

Durch § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG gedeckt ist die angefochtene Planänderung nur, wenn es sich dabei um eine Maßnahme handelt, die die Flurbereinigungsbehörde für erforderlich halten konnte. Das Ermessen, von der insoweit eingeräumten Ermächtigung Gebrauch zu machen, also eine Änderung des Flurbereinigungsplanes vor Ergehen der Ausführungsanordnung vorzunehmen, ist der Flurbereinigungsbehörde in der Weise überantwortet, daß die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer Plankorrektur an den verfahrensbestimmenden Planungszielen und Abfindungsgrundsätzen der § 1, § 37, § 44 ff. FlurbG auszurichten sind (vgl. BVerwGE 49, 176 (181); Urteile vom 29.04.1976 - BVerwG V C 40.75 (RzF - 11 - zu § 60 Abs. 1 FlurbG) und vom 29.05.1980 - BVerwG 5 C 46.79 (Buchholz 424.01 § 60 FlurbG Nr. 4 = RdL 1981, 41) (RzF - 16 - zu § 54 Abs. 2 FlurbG); ferner Beschluß vom 03.06.1987 - BVerwG 5 B 74.86 (Buchholz 424.01 § 37 FlurbG Nr. 18>) (RzF - 46 - zu § 37 Abs. 1 FlurbG). Wenngleich der unbestimmte Gesetzesbegriff des "Für-erforderlich-Haltens" in § 60 Abs. 1 Satz 1 FlurbG subjektiv geprägt auf die Situationsbewertung der Flurbereinigungsbehörde abstellt, der mit Blick auf die Planvorgabe auch die Änderungsinitiative obliegt, ist dieser Behörde hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "erforderlich" keine eigene, der gerichtlichen Kontrolle nicht oder nur eingeschränkt zugängliche Beurteilungsermächtigung eingeräumt. Vielmehr ist die für die jeweilige Änderungsmaßnahme darzulegende Erforderlichkeit gerichtlich voll überprüfbar. Das bedeutet, daß das Flurbereinigungsgericht die Planänderung der Beklagten vom 11./22.12.1981 im Rahmen des § 114 VwGO an sich auf ihre Geeignetheit und Zweckerforderlichkeit überprüfen konnte. Es hätte jedoch zuvor auch feststellen müssen, daß durch diese Maßnahme der Anspruch der Kläger auf eine gleichwertige und zweckmäßig gestaltete Abfindung beeinträchtigt wird. Dahin gehender Feststellungen hätte es deshalb bedurft, weil § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG für sich allein keinen subjektiv-rechtlichen Schutz vor rechtswidrigen Planänderungen vermittelt.

Die genannte Vorschrift prolongiert die planerischen Gestaltungsbefugnisse der Flurbereinigungsbehörde über die Planaufstellung hinaus bis zum Erlaß der Ausführungsanordnung nach den § 61, § 63 FlurbG (vgl. BVerwGE 49, 176 (181)) und bindet die Planänderungsbefugnis nur an die schon erwähnte Voraussetzung, daß die Flurbereinigungsbehörde Änderungen des Flurbereinigungsplanes für erforderlich hält. Bereits daraus folgt, daß § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG allein der Sicherstellung der Planungshoheit der Flurbereinigungsbehörde dient. Gerade im Hinblick auf diese umfassende Änderungsbefugnis der Flurbereinigungsbehörde in der Verfahrensphase zwischen Planoffenlegung und Erlaß der Ausführungsanordnung hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung immer wieder betont, daß mit der Planaufstellung noch kein verbindlicher Rechtszustand hergestellt wird und kein Teilnehmer einen Bestandsschutz in bezug auf die ihm zugewiesene Abfindung erlangt, solange er noch keine im förmlichen Rechtsmittelverfahren oder durch verbindliche Zusage oder Vereinbarung geschützte Rechtsposition erreicht hat oder der Flurbereinigungsplan unanfechtbar und allen Beteiligten gegenüber verbindlich geworden ist (s. dazu die schon angeführten Senatsentscheidungen vom 29.05.1980 und 03.06.1987). Die objektiv-rechtlichen Voraussetzungen, an die § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG die nachträgliche Ausübung des flurbereinigungsbehördlichen Gestaltungsermessens knüpft, gewähren demnach für sich allein keinen subjektiv-rechtlichen Schutz vor rechtswidrigen Planänderungen. Dieser folgt vielmehr - von besonderen Rechtstiteln wie Planzusagen oder Planvereinbarungen abgesehen - aus § 44 FlurbG und setzt - neben und zunächst unabhängig von dem objektiv-rechtlichen Verstoß gegen § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG - voraus, daß durch die rechtswidrige Planänderung der Anspruch des von der Änderung betroffenen Teilnehmers auf eine wertgleiche und zweckmäßig gestaltete Abfindung verletzt ist.

Dies hat das Flurbereinigungsgericht verkannt. Denn es hat den von den Klägern angefochtenen Plannachtrag nur daraufhin überprüft, ob die Planänderung von der Erlaßbehörde für erforderlich gehalten werden durfte. Im fortzusetzenden flurbereinigungsgerichtlichen Verfahren wird deshalb zuerst zu klären sein, ob durch die Verfügungen vom 11./22.12.1981 mit der Wegnahme der Pferdeweide und der Zuweisung des Abfindungsflurstücks 244/1 an die Kläger deren Abfindungsanspruch aus § 44 FlurbG beeinträchtigt wurde. Zweifel am Vorliegen einer solchen Beeinträchtigung könnten sich daraus ergeben, daß die Kläger im Widerspruchs- und im Klageverfahren nur auf den Verlust des vor Planänderung eingeräumten Vorteils hingewiesen haben, der darin bestanden habe, daß die streitbefangene, der landwirtschaftlichen Nutzung unterliegende und dementsprechend bewertete Fläche von ihnen zur Erweiterung ihres Anwesens vorgesehen gewesen sei, obgleich sie - was unstreitig ist - ihren landwirtschaftlichen Betrieb verpachtet haben. Sollten diese Einlassungen dahin zu verstehen sein, daß die Kläger nicht die Wertgleichheit ihrer Abfindung als solche beanstanden, sondern sich lediglich den Verbleib der ihnen vor der Planänderung zugewiesenen und von ihnen als besonders vorteilhaft empfundenen Abfindung sichern wollen, könnte ihr darauf gerichtetes Verlangen nicht auf Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes gestützt werden. Kein Teilnehmer hat danach einen Rechtsanspruch auf eine besonders vorteilhafte Abfindung. Ebensowenig kann er beanspruchen, daß er nach Zuweisung einer solchen Abfindung gegen deren spätere Änderung geschützt wird. Rechtsgrundlagen anderer Art, wie sie oben genannt worden sind, dürften hierfür ebenfalls nicht in Betracht kommen.