Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.05.1980 - 5 C 46.79 = RdL 1981 S. 41
Aktenzeichen | 5 C 46.79 | Entscheidung | Urteil | Datum | 29.05.1980 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = RdL 1981 S. 41 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Durch die Erhebung eines Widerspruchs ist die Flurbereinigungsbehörde nach § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG nicht gehindert, eine Verschlechterung der Abfindung vorzunehmen. |
Aus den Gründen
Die Revision ist nicht begründet, weil das Urteil des Flurbereinigungsgerichts im Ergebnis sich als richtig erweist.
Im Revisionsverfahren ist nur noch die von der Beklagten durch Beschluß vom 28. April 1976 vorgenommene Planänderung im Streit, wonach vom zunächst ausgewiesenen Abfindungsflurstück der Kläger 5578 die darin aufgegangene Wegeteilfläche 5564 (alt) und die Flurstücke 5573, 5574 und 5575 (alt) abgetrennt wurden und die Wegeteilfläche vom Flurstück 5564 wieder als Weg ausgewiesen wurde. Die den Klägern durch den Zusammenlegungsplan zugeteilte Abfindung ist damit praktisch um die in Gewanne 138 belegenen Flurstücke verringert worden. Entgegen der Auffassung des Flurbereinigungsgerichts ist diese Planänderung nicht außerhalb des eingeleiteten Widerspruchsverfahrens, sondern im Verlauf des von den Klägern erhobenen Widerspruchs vorgenommen worden. Nach den vom Flurbereinigungsgericht zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Verwaltungsvorgängen wies die Tagesordnung der Vorstandssitzung der Beklagten vom 28. April 1976 als einzigen Tagesordnungspunkt die Beschwerde der Kläger aus. Die dabei beschlossene Planänderung hinsichtlich der mit der Schätzwertbeschwerde beanstandeten Mehrausweisung in Gewanne 138 erfolgte erklärtermaßen zu dem Zweck, die Mehrausweisung von 3380 WVZ zu verringern, nachdem beschlossen worden war, die Wegeteilfläche Flurstück 5564 wieder als Weg herzustellen.
Entgegen der Auffassung des Spruchausschusses war die (als verspätet angesehene) Beschwerde gegen die Schätzwertfeststellung durch die Abtrennung der hiervon erfaßten Flurstücke nicht gegenstandslos geworden. Mit der Abtrennung der Grundstücke war den Klägern die ausgewiesene Mehrabfindung, auf die ihre Beschwerde sich bezog, zwar entzogen und damit ihrem Beanstandungsbereich enthoben worden. Gleichzeitig war ihnen dadurch aber eine andere Beschwer erwachsen, so daß von einer Abhilfe der Beschwerde der Kläger im Sinne des § 60 Absatz 1 Satz 1 FlurbG nicht ausgegangen werden kann. Die Kläger, denen die angeführte Planänderung durch den Vorstandsbeschluß vom 28. April 1976 bekanntgegeben worden war, haben den hier noch streitigen Teil des Vorstandsbeschlusses auch keinesfalls als erledigt angesehen, sondern die sich daraus für sie ergebende Beschwer zum Gegenstand des aufrechterhaltenen Widerspruchs und der nachfolgenden Klage gemacht. Hinsichtlich der Abtrennung der für die Kläger im Zusammenlegungsplan ausgewiesenen Flurstücke in Gewanne 138, die als eine nachträgliche Planänderung im Sinne der § 100 Satz 2, § 60 Absatz 1 Satz 2 FlurbG zu qualifizieren ist, liegen keine Mängel des Verwaltungsverfahrens vor. Nach § 60 Absatz 1 Satz 3 FlurbG ist die Bekanntgabe der Planänderung und die Anhörung auf die daran Beteiligten zu beschränken. Die Bekanntgabe der Änderung erfolgte am 4. Mai 1976 mit der Eröffnung des Vorstandsbeschlusses vom 28. April 1976. Den Klägern wurde dabei unter Übergabe eines Beschlußabdrucks Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, von der sie auch Gebrauch gemacht haben. Damit ist den verfahrensrechtlichen Erfordernissen des § 60 Absatz 1 Sätze 3 und 4 FlurbG Genüge getan. Wie sich aus dem insoweit anzuwendenden § 59 Absatz 1 und 2 FlurbG ergibt, hat der Planänderung keine vorherige Anhörung vorauszugehen, wie dies in § 57 FlurbG - auf den in § 60 Absatz 1 FlurbG nicht verwiesen ist - vor der Planaufstellung vorgesehen ist. Eine Anhörung im Sinne des § 59 Absatz 2 FlurbG, dessen Anwendung nach § 60 Absatz 1 Satz 4 FlurbG vorgeschrieben ist, kann vielmehr erst nach der Bekanntgabe an die von der Planänderung betroffenen Teilnehmer stattfinden. Dem ist hier Rechnung getragen. Da die Kläger nach Erhebung ihres Widerspruchs eine Verringerung der ausgewiesenen Abfindung erfahren haben, ist - entgegen der Auffassung des Flurbereinigungsgerichts - in die revisionsgerichtliche Überprüfung der Entscheidung mit einzubeziehen, ob die während des Widerspruchsverfahrens zum Nachteil der Kläger vorgenommene Änderung des Zusammenlegungsplans zulässig war oder ob insoweit das Verbot der reformatio in peius eingreift.
Die Verböserung einer angegriffenen Entscheidung ist - soweit gesetzlich nichts anderes vorgesehen - im Widerspruchsverfahren grundsätzlich zulässig (BVerwGE 30, 132 (134)). Im vorliegenden Fall konnte der Zusammenlegungsplan deshalb zum Nachteil der betroffenen Kläger noch geändert werden, weil insoweit flurbereinigungsrechtlich keine Einschränkung besteht. Das ergibt sich hier daraus, daß das Flurbereinigungsgesetz in § 60 Absatz 1 Satz 2, der nach § 100 Satz 2 im beschleunigten Zusammenlegungsverfahren sinngemäß anzuwenden ist, der Beklagten die Befugnis einräumt, nicht nur die zur Abhilfe von begründeten Beschwerden erforderlichen Regelungen zu treffen (§ 60 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 100 Satz 2 FlurbG), sondern auch gestattet, andere Änderungen des Zusammenlegungsplanes vorzunehmen, die sie für erforderlich hält. Kann danach die Beklagte flurbereinigungsrechtlich zulässige Änderungen vor der Ausführung des Zusammenlegungsplans jederzeit und gegenüber jedem Teilnehmer vornehmen, der noch keine im förmlichen Rechtsmittelverfahren oder durch verbindliche Zusage oder Vereinbarung geschützte Rechtsposition erreicht hat, dann sind derartige Änderungen auch gegenüber solchen Verfahrensbeteiligten statthaft, die im Widerspruchsverfahren zwar eine Verbesserung ihrer Abfindung begehren, insoweit aber noch keine geschützte Rechtsposition innehaben. Da jede vorgesehene Abfindung unter dem Vorbehalt möglicher Änderungen steht, solange nicht alle den Gesamtplan betreffenden Zuteilungen unanfechtbar geworden sind (Urteile vom 25. Mai 1961 - BVerwG I C 102.58 (RdL 1961, 274) und vom 26. Mai 1978 - BVerwG V C 2.77 -), kann kein Teilnehmer sich auf die Unveränderbarkeit der im bekanntgegebenen Zusammenlegungsplan ausgewiesenen Abfindung berufen.
Entgegen der Auffassung der Kläger ist die beanstandete Änderung des Zusammenlegungsplans nicht fehlerhaft. Das nach § 60 Absatz 1 Satz 2 FlurbG vorausgesetzte Zweckmäßigkeitserfordernis, das der Abwägung der Beklagten überantwortet ist (BVerwGE 49, 176), ist hier als gegeben anzusehen, und zwar aus folgenden Gründen: Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Verwaltungsvorgängen war die Landabfindung der Kläger gemäß § 44 Absatz 3 Satz 1 FlurbG in einem durch Zusammenlegung der in den Gewannen 137 und 138 gelegenen Parzellen gewonnenen großen Grundstück 5578 ausgewiesen worden, und zwar unter Einbeziehung der Wegeteilfläche Flurstück 5564. Da die Kläger nicht nur die Angemessenheit des Geldausgleichs für die durch die großzügige Gestaltung entstandene Mehrausweisung in Gewanne 138 beanstandeten (§ 44 Absatz 3 Satz 2, § 54 Absatz 1 Satz 1 FlurbG), sondern auch die unzureichende Erschließung des Ersatzflurstücks 5578 geltend machten, half die Beklagte dem letzten Beschwerdepunkt dadurch ab, daß sie die Wegeteilfläche vom Flurstück 5564 wieder als Weg auswies. Dadurch wurde das Ersatzflurstück 5578 in eine Fläche südlich des wiederhergestellten Weges - die Parzellen der Gewanne 137 umfassend - und in eine Fläche nördlich davon - die Parzellen der Gewanne 138 umfassend - geteilt. Das nur die Parzellen der Gewanne 137 umfassende Flurstück erhielt die Nummer 5578 (neu). Durch das auf diese Weise reduzierte Ersatzflurstück, in dem die Einlageflurstücke der Kläger aufgegangen waren, wurde den Klägern nach den das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts (§ 137 Absatz 2 VwGO) eine wertgleiche und zweckmäßig gestaltete Landabfindung ausgewiesen, die ihre Forderung noch um 547 WVZ überstieg. Daraus ergab sich aber auch, daß mit der wegen der begehrten Wiederherstellung der Zuwegung einhergehenden Teilung des ursprünglich großen Abfindungsflurstücks 5578 durch das Ersatzflurstück 5578 (neu) nicht nur der Anspruch der Kläger auf wertgleiche Abfindung erfüllt werden konnte, sondern daß durch die Abtrennung der in Gewanne 138 gelegenen Flächen als Flurstück 5575 (neu) die bei der ursprünglich großflächigen Abfindungsgestaltung als unvermeidbar angesehene Mehrausweisung in diesem Umfange für die Abfindung entbehrlich wurde. Eine vermeidbare Mehrausweisung muß ein Teilnehmer nicht - auch nicht gegen angemessenen Geldausgleich - übernehmen, sie muß ihm andererseits auch nicht verbleiben. Eine vermeidbar gewordene Mehrausweisung kann deshalb eine Änderung des Flurbereinigungsplans im Sinne des § 60 Absatz 1 Satz 2 FlurbG erfordern, insbesondere dann, wenn diese Fläche - wie im vorliegenden Fall - zur Abfindung auch anderer Teilnehmer nicht benötigt wird und als sogenanntes Masseland in einer dem Zweck der Flurbereinigung entsprechenden Weise Verwendung finden soll (§ 54 Absatz 2 Satz 1 FlurbG). Da eine im Sinne des § 44 Absatz 3 Satz 2 FlurbG vermeidbar gewordene Mehrabfindung der nachträglichen Plankorrektur nach § 60 Absatz 1 Satz 2 FlurbG nicht entzogen ist, war die Beklagte befugt, durch nachträgliche Änderung des Zusammenlegungsplans die Landabfindung der Kläger auf einen der Gleichwertigkeit genügenden Umfang zu beschränken. Für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidung ist es unerheblich, daß die hier angeführten rechtlichen Erwägungen im Vorstandsbeschluß vom 28. April 1976 nicht im einzelnen ihren Niederschlag gefunden haben. Für die mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten Kläger war der Zweck der vorgenommenen Planänderung erkennbar und hinreichend deutlich gemacht. Hinzu kommt, daß die Planänderung, die in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, Gegenstand der Anfechtungsklage ist (§ 79 Absatz 1 Nummer 1 VwGO), durch den Widerspruchsbescheid eine ergänzende Begründung hinsichtlich der Gesichtspunkte erhalten hat, von denen die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Danach ist darauf abgestellt worden, daß die Kläger, die durch die Ausweisung des Abfindungsflurstücks 5578 (neu) in Gewanne 137 eine wertgleiche und zweckmäßig arrondierte Landabfindung erhalten haben, keinen Anspruch auf Zuweisung der in Gewanne 138 gelegenen Masseflurstücke erheben können. Der Inhalt der getroffenen Entscheidung wird dadurch nicht verändert, die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Planänderung damit nicht in Frage gestellt. Handelte es sich bei den von der den Klägern zugedachten Ausweisung abgetrennten Flurstücken der Gewanne 138 zuvor schon um - wie das Flurbereinigungsgericht mangels vorgebrachter Rügen für das Revisionsgericht bindend festgestellt hat - sogenanntes Masseland, das nach § 54 Absatz 2 FlurbG zur Abfindung der Teilnehmer nicht benötigt wird, so greifen in Fortführung der Rechtsprechung des Senats in BVerwGE 42, 87 (90, 91) folgende Überlegungen Platz: Masseland wird, weil es zur Abfindung der Teilnehmer nicht benötigt wird, dem Empfänger - der sowohl ein Teilnehmer als auch ein Nebenbeteiligter sein kann (§ 10 Nummer 1 und Nummer 2 f. FlurbG) - zu Eigentum zugeteilt (§ 54 Absatz 2 Satz 2 FlurbG). Da die Bestimmung des Empfängers ebenfalls durch den Zusammenlegungsplan erfolgt, der bis zur Ausführung nach § 60 Absatz 1 Satz 2 FlurbG noch anderweitigen Änderungen unterworfen werden kann, ist eine Änderung des Plans sowohl hinsichtlich der Person des Empfängers als auch hinsichtlich der neuen Grundstücke nach § 54 Absatz 2 FlurbG zulässig. Die vorgenommene Abtrennung der in Gewanne 138 gelegenen Flurstücke war deshalb auch dann nicht ausgeschlossen, wenn diese den Klägern als Aufstockungsland zu ihrer Abfindung im Zusammenlegungsplan als neue Grundstücke im Sinne des § 54 Absatz 2 FlurbG in Verbindung mit § 98 FlurbG zu Eigentum zugeteilt werden sollten.
Da von der Befugnis zur Planänderung nach § 60 Absatz 1 Satz 2 FlurbG sowohl Abfindungsausweisungen nach § 44 FlurbG als auch Landzuteilungen nach § 54 Absatz 2 FlurbG erfaßt werden können, kann im vorliegenden Fall keine Rede davon sein, daß die beanstandete Planänderung in rechtswidriger Weise vorgenommen worden sei.
Die im Verlaufe des Rechtsmittelverfahrens offenbarten Vorstellungen über die beabsichtigte Verwendung des zur Abfindung der Teilnehmer nicht benötigten Landes stellt keine nachgeholte Begründung für die Planänderung dar. Denn die Gründe für die Planänderung müssen mit den für die spätere Verwendung des Masselandes maßgeblichen Gründen weder identisch noch unlösbar verknüpft sein. Die beabsichtigte Verwendung des von der Planänderung erfaßten Masselandes braucht die vorhergehende Planänderung weder ausgelöst haben noch müssen beide Vorhaben gleichzeitig durchgeführt oder abgewickelt werden. Im vorliegenden Fall wird dies besonders daran deutlich, daß über die Zuteilung des hier in Betracht kommenden Masselandes noch nicht entschieden ist, sondern nur Vorschläge der Beklagten gegenüber der oberen Flurbereinigungsbehörde (§ 58 Absatz 3 FlurbG) über die vorgesehene Verwendung und den dafür in Betracht kommenden Empfängerkreis bekannt sind. Bei der danach gebotenen differenzierenden Betrachtung sind deshalb dem zeitlichen Ablauf der hier zu überprüfenden Maßnahme zufolge, die für die Abtrennung maßgeblichen Gründe von den für die spätere Verwendung der abgetrennten Flächen angestellten Überlegungen zu trennen, zumal die Kläger nur durch die Abtrennung der in Gewanne 138 gelegenen Flurstücke in ihrer Abfindung beeinträchtigt sein könnten, und sie deswegen auch nur diese Planänderung angegriffen haben. Da nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts - an die das Revisionsgericht nach § 137 Absatz 2 VwGO gebunden ist - die Kläger trotz der vorgenommenen Abtrennung des in Gewanne 138 gelegenen Masselandes eine nach § 98 FlurbG in Verbindung mit § 44 FlurbG wertgleiche und zweckmäßig gestaltete Abfindung erhalten haben, kam es auf die im Rechtsmittelverfahren dargelegten Erwägungen für die beabsichtigte Verwendung des in Gewanne 138 gelegenen Masselandes nicht an. Denn die Prüfung der Frage, ob die vorgesehene Verwendung des durch die zulässige Planänderung zur Disposition stehenden Masselandes in Gewanne 138, auf dessen Zuteilung kein Teilnehmer oder Nebenbeteiligter Anspruch erheben kann, dem Zweck der Flurbereinigung nach § 54 Absatz 2 FlurbG entsprechen würde, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Eine Versagung des rechtlichen Gehörs hinsichtlich dieser erst im Rechtsmittelverfahren hierfür offenbarten Erwägungen scheidet deshalb schon begrifflich aus.