Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.04.1976 - V C 40.75 = Buchholz FlurbG § 149 Nr. 4= BVerwGE 49, 3
Aktenzeichen | V C 40.75 | Entscheidung | Urteil | Datum | 29.04.1976 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = Buchholz FlurbG § 149 Nr. 4 = BVerwGE 49, 3 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Befugnis der Flurbereinigungsbehörde, nach § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG andere Änderungen des Plans vornehmen zu können, wenn sie solche für erforderlich hält, gibt keinen Anspruch auf Durchsetzung von Wunschvorstellungen hinsichtlich der Abfindung. |
2. | Zu den Voraussetzungen, Planänderungen oder Planergänzungen nach § 64 FlurbG vorzunehmen. |
3. | Bei plankonformer Gestaltung, plankongruenter Ausführung und plangerechter Erledigung der gegenseitigen Ansprüche aus dem durch den Flurbereinigungsplan konkretisierten Rechtsverhältnis darf durch die Schlußfeststellung die Planerfüllung festgestellt werden. Ansprüche, die der Schlußfeststellung entgegenstehen, müssen sich deshalb in aller Regel unmittelbar aus dem Plan entnehmen lassen oder aufgrund der Planausführung sich mittelbar daraus ergeben. |
Aus den Gründen
Klagegegenstand des angefochtenen Urteils des Flurbereinigungsgerichts war nach dem Tatbestand die angegriffene Schlußfeststellung nebst der miteinbezogenen Beschwerdeentscheidung (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das sich hieraus ergebende Sachbegehren konnte sich deshalb nur darauf erstrecken, ob der getroffenen Feststellung noch offengebliebene und im Verfahren zu berücksichtigende Ansprüche entgegenstehen. In das Sachbegehren (Streitgegenstand) einbezogen werden konnten deshalb nicht mehr Verwaltungsvorgänge, die in den vorausgegangenen Verfahrensabschnitten unanfechtbar geworden oder rechtskräftig festgestellt waren. Einer Einbeziehung und erneuten Überprüfung der Gleichwertigkeit der Abfindung steht einmal die materielle Rechtskraft des Urteils des Flurbereinigungsgerichts vom 07.10.1966 - VI 308/64 - entgegen, derzufolge die Beteiligten und das Gericht in einem späteren Prozeß über denselben Streitgegenstand an die getroffene Entscheidung gebunden sind. Durch die überwiegende Abweisung jenes Klagebegehrens ist - entgegen der Rechtsbehauptung der Klägerin - verbindlich festgestellt, daß die angefochtene Verwaltungsentscheidung, die beanstandete Planabfindung, insoweit weder unzweckmäßig noch rechtswidrig ist und die Klägerin hinsichtlich ihres Abfindungsanspruchs nicht beeinträchtigt. Die daraus folgende Rechtmäßigkeit der Planabfindung und des daraufhin ergangenen Beschwerdebescheids nimmt deshalb insoweit an der Rechtskraft des vorgenannten Urteils teil. Rechtskräftige Urteile über denselben Streitgegenstand, über das identische Sachbegehren, sind für die Beteiligten verbindlich (§ 121 VwGO). Diese Rechtsfolge kann auch im flurbereinigungsgerichtlichen Verfahren nicht in Zweifel gezogen werden (Beschluß vom 16.11.1973 - BVerwG V B 72.73). Hinsichtlich des durch die vorgenannte rechtskräftige Entscheidung offengebliebenen Restanspruchs bestand für die Klägerin keine Beschwer mehr, nachdem sie ihre Klage nach Zuweisung eines weiteren Flurstücks gegen Geldausgleich zurückgenommen hatte.
Der Anspruch auf wertgleiche Abfindung nach Maßgabe des § 44 FlurbG wird für den Teilnehmer durch den Flurbereinigungsplan so konkretisiert, wie er sich aus dem Auszug ergibt, der die neuen Grundstücke nach Fläche und Wert sowie das Verhältnis der Gesamtabfindung des Teilnehmers zu dem von ihm Eingebrachten nachweist (§ 59 Abs. 3 FlurbG). Wird diese Planabfindung nicht beanstandet oder trotz Beanstandung gerichtlich für rechtmäßig befunden, dann ist der auf wertgleiche Abfindung gerichtete Anspruch verwirklicht und eine nachträgliche Abänderung oder Erweiterung grundsätzlich unzulässig. Das rechtskräftig entschiedene und durch Klaglosstellung befriedigte Begehren der Klägerin auf eine anderweitige Abfindung erlaubt deshalb aus Rechtsgründen nicht, die Gleichwertigkeit dieser Abfindung erneut in Frage zu stellen, um damit die mit der Schlußfeststellung eingetretenen Rechtswirkungen zu verhindern. Die von der Klägerin ihrer Beschwerde zugedachte durchgreifende Wirkung liefe dem flurbereinigungsgerichtlichen Verfahrensgang zuwider. Die Schlußfeststellung läßt abgeschlossene Verfahren unangetastet; durch sie wird keine Durchgriffsbeschwerde eröffnet.
In der Tat kann demzufolge das Beschwerde- und Klagevorbringen gegen die Schlußfeststellung sich nur darauf beziehen, daß den bei der bisherigen Durchführung des Verfahrens noch berücksichtigungsbedürftigen Ansprüchen der Beteiligten nicht voll Rechnung getragen worden sei. Derartige Ansprüche müssen sich in der Regel aus dem Plan ergeben und noch unerledigt sein oder der vollständigen Verwirklichung bedürfen. Denn aus § 149 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ergibt sich, daß vor der Schlußfeststellung die Ausführung nach dem Flurbereinigungsplan bewirkt sein muß und sich daraus keine Ansprüche mehr ergeben dürfen. Ist die Ausführung plangerecht bewirkt, so daß sich aus dem Plan keine Ansprüche mehr für die Beteiligten ergeben, dann verbleibt für die Beteiligten kein berechtigtes Bedürfnis, den Verfahrensabschluß zu hemmen. Bei plankonformer Gestaltung, plankongruenter Ausführung und plangerechter Erledigung der gegenseitigen Ansprüche aus dem durch den Flurbereinigungsplan konkretisierten Rechtsverhältnis darf durch die Schlußfeststellung die Planerfüllung festgestellt werden. Ansprüche, die der Schlußfeststellung entgegenstehen, müssen sich deshalb in aller Regel unmittelbar aus dem Plan entnehmen lassen oder aufgrund der Planausführung sich mittelbar daraus ergeben. Eingeschlossen sind solche ergänzende Ansprüche, die sich aus Plannachträgen, Planänderungen und Ergänzungen ergeben und rückwirkend Planbestandteile werden. Zu den planbezogenen Ansprüchen können auch Beanstandungen hinsichtlich der Ausführungsart, der Qualität und der Funktionsfähigkeit der Maßnahmen gehören, wobei hinsichtlich der sogenannten Ausbaubeschwerden hinzu kommt, daß sie innerhalb angemessener Frist gegenüber der Teilnehmergemeinschaft geltend zu machen sind (BVerwGE 42, 92).
Die Befugnis der Flurbereinigungsbehörde, nach § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG andere Änderungen des Plans vornehmen zu können, wenn sie solche für erforderlich hält, gibt der Klägerin keinen Anspruch auf Durchsetzung von Wunschvorstellungen hinsichtlich der Abfindung. Das vorausgesetzte Zweckmäßigkeitserfordernis ist allein der Abwägung der Behörde überantwortet. Die Befugnis der Flurbereinigungsbehörde nach § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG ist zudem nicht nur auf die darin angesprochene Planänderung bezogen und damit substantiell begrenzt, sondern auch temporär auf die Spanne des Verfahrensablaufs zwischen Planerstellung (Planoffenlegung) und der Ausführungsanordnung nach § 62, § 63 FlurbG beschränkt; denn von da an gilt insoweit die strengere Regelung des § 64 FlurbG.
Auch nach der Ausführungsanordnung kann die Flurbereinigungsbehörde den Plan noch ändern oder ergänzen. Diese mit der Rechtskraft der Schlußfeststellung endende Befugnis hat aber nach § 64 Satz 1 FlurbG zur Voraussetzung, daß öffentliche Interessen oder wichtige, nicht vorherzusehende wirtschaftliche Bedürfnisse der Beteiligten die Änderung erfordern oder daß der Behörde eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bekannt wird. Wenngleich die vorgenannten Voraussetzungen alternativ zur Änderung und Ergänzung ermächtigen, so muß dennoch bei den beiden erstgenannten Alternativen eine Korrektur geboten sein, dergestalt, daß die angeführten, als besonders wichtig anzusehenden Interessen eine Planänderung oder Ergänzung unumgänglich erscheinen lassen, um die Neugestaltung so zu bewirken, wie es den gegeneinander abzuwägenden Interessen der Beteiligten entspricht und wie es das Wohl der Allgemeinheit erfordert. Wenn es hierbei auf das Entschließungsermessen der Behörde bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ankommt, so ist es den Beteiligten nicht verwehrt, zur Wahrung ihrer Interessen selbst Anregungen an die Behörde heranzutragen. Während aber in § 134 Abs. 2 und 3 FlurbG mögliche Rechtsverluste infolge unterlassener Erklärungen, Anträge und Beschwerden trotz Kenntnis oder verschuldeter Unkenntnis durch Nachsichtgewährung vermieden werden können und bei unverschuldeter Versäumung und unverzüglicher Nachholung behoben werden müssen, ist in § 64 FlurbG nicht auf die Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit abgestellt, sondern auf nachträglich sich ergebende, nicht vorhersehbar gewesene Interessenlagen oder Bedürfnisse der oben bezeichneten Art, die eine Plankorrektur erfordern. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts sind weder öffentliche Interessen erkennbar geworden noch hat die Klägerin wichtige, nicht vorherzusehende wirtschaftliche Bedürfnisse dargetan, die eine Änderung des bereits ausgeführten Planes erforderlich gemacht hätten. Zu Recht hat das Flurbereinigungsgericht darauf hingewiesen, daß in dem (rechtskräftig abgewiesenen bzw. klaglos gestellten) Begehren der Klägerin auf eine anderweitige Abfindung mit besonderem Verwertungswert kein erst nachträglich erkennbar gewordenes Bedürfnis zu sehen sei. Selbst wenn aber ein dahin gehendes wichtiges wirtschaftliches Bedürfnis unterstellt werden könnte, müßte die Nichtvorhersehbarkeit deswegen verneint werden, weil die Klägerin ihr dahin gehendes Begehren bereits bei der Abfindungsbeschwerde erkennbar gemacht habe. Diese Auffassung wird durch das eigene Revisionsvorbringen der Klägerin bestätigt, in dem sie darauf abstellt, daß der besondere Verwertungswert von Teilen ihrer Einlage schon zu Beginn des Verfahrens vorhanden gewesen sei.
Mit der rechtskräftigen Ablehnung bzw. Klaglosstellung ihres Änderungsbegehrens ist zugleich ein wirtschaftlich wichtiges Bedürfnis verneint worden. Wenn die mit der seinerzeit beanstandeten Abfindung verbundenen Befürchtungen wirtschaftlicher Ertragsminderung und Verwertungseinbuße im Laufe des Verfahrens nicht beseitigt wurden, dann kann daraus kein Bedürfnis zur nachträglichen Planänderung i. S. d. § 64 FlurbG hergeleitet werden, zumal bei einem ausgeführten Plan mit jeder Änderung regelmäßig ein Eingriff in die Rechtsposition anderer Beteiligter verbunden sein wird. Die letzte Alternative der Voraussetzungen für eine solche Planänderung, nämlich die, daß der Flurbereinigungsbehörde eine rechtskräftige, die Plangestaltung berührende gerichtliche Entscheidung bekannt wird, zeigt deutlich, wie intensiv das Korrekturerfordernis sein muß, um einem gerichtlichen Verpflichtungsausspruch gleichgesetzt zu werden.
Die Verpflichtung der Flurbereinigungsbehörde, den ihr bekanntgewordenen gerichtlichen Entscheidungen Rechnung zu tragen (§ 64 Satz 1, letzte Alternative, § 13 Abs. 2 Satz 5 FlurbG), macht andererseits deutlich, daß die ihr eingeräumte Befugnis, den Plan nachträglich zu ändern und zu ergänzen, durch jede derartige rechtskräftige gerichtliche Entscheidung eingeschränkt wird. Im vorliegenden Fall hat die die Klägerin betreffende rechtskräftig gewordene flurbereinigungsgerichtliche Entscheidung, durch die ein weitergehendes Abfindungsbegehren abgewiesen wurde, zur Folge, daß die Flurbereinigungsbehörde sich auch einer Abänderung des Plans enthalten muß, soweit dadurch die rechtskräftig bestätigte Abfindung der Klägerin berührt würde. Das gleiche gilt für das durch die Klagerücknahme erledigte restliche Abfindungsbegehren. Daraus ergibt sich, daß durch das auf die Einhaltung der Gleichwertigkeit der Abfindung gestützte Vorbringen die Wirksamkeit der Schlußfeststellung nicht beeinträchtigt werden kann.