Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.10.1978 - BVerwG 5 C 85.77
Aktenzeichen | BVerwG 5 C 85.77 | Entscheidung | Urteil | Datum | 26.10.1978 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die zur Ausführung des Flurbereinigungsplans erforderlichen technischen Maßnahmen brauchen nicht bereits in dem Plan selbst in allen Einzelheiten festgelegt zu werden; sie zu bestimmen kann der für die Herstellung der gemeinschaftlichen Anlagen zuständigen Teilnehmergemeinschaft im Rahmen der Planausführung überlassen werden (Fortführung von BVerwGE 42, 92 =RzF - 9 - zu § 18 Abs. 1 FlurbG). |
2. | Ein Teilnehmer kann grundsätzlich nur dann verlangen, daß eine in dem Flurbereinigungsplan festgesetzte Ausbaumaßnahme in bestimmter seinen Individualinteressen Rechnung tragender Weise ausgeführt wird, wenn davon die Wertgleichheit seiner Abfindung abhängt. |
Aus den Gründen
Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil eine notwendige Beiladung des Marktes L. zu diesem Verfahren unterblieben ist. Zwar hat die Beklagte diesen Verfahrensmangel mit der Revision nicht gerügt; das ist jedoch unschädlich. Zu den von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensmängeln, die auf das Verfahren in der Revisionsinstanz so fortwirken, daß ein auf die Sache eingehendes Revisionsurteil nicht möglich ist, gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch das Unterlassen einer notwendigen Beiladung (BVerwGE 16, 23, 25); 18, 124). Die Beiladung wäre hinsichtlich der im Urteilstenor ausgesprochenen Verpflichtung der Beklagten, das von der Ortsstraße (Flurstück 1405) abfließende Wasser schadlos abzuleiten, deswegen notwendig im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO gewesen, weil die Rechtsvorgängerin des M. L., die Gemeinde G., die im Flurbereinigungsverfahren erstellten Straßen gemäß § 42 Abs. 2 FlurbG zugeteilt erhalten hat. Der M. L. müßte deshalb angehalten werden können, die der Beklagten auferlegte Verpflichtung zumindest zu dulden. Da er aber an dem vorliegenden Rechtsstreit nicht beteiligt worden ist, kann das erlassene Urteil ihm gegenüber nicht die Wirkungen des § 121 VwGO äußern. Die Beklagte würde zu einer ihr potentiell unmöglichen Leistung verurteilt werden, wenn die ihr auferlegte Verpflichtung zur unschädlichen Ableitung des Straßenoberflächenwassers nicht zugleich auch im Verhältnis zum Eigentümer der Straßenparzellen wirksam werden würde. Dies zu erreichen ist gerade Zweck des § 65 Abs. 2 VwGO, der es dem Gericht zwingend gebietet, in Fällen dieser Art den Dritten beizuladen. Der Mangel der notwendigen Beiladung ist in der Revisionsinstanz im Hinblick auf die Regelung des § 142 VwGO nicht heilbar. Das angefochtene Urteil muß deshalb, soweit es mit der Revision angefochten ist, aufgehoben werden, damit das Flurbereinigungsgericht die Beiladung des M. L. vornimmt.
Bei seiner erneuten Entscheidung über den hier in Frage stehenden Klageantrag wird das Flurbereinigungsgericht davon auszugehen haben, daß insoweit nicht die vorherige Durchführung eines Verfahrens nach § 59 Abs. 2 FlurbG Voraussetzung für die Klage war. Der vom Kläger erhobene Anspruch auf schadlose Ableitung des Straßenoberflächenwassers kann vielmehr nur Gegenstand einer Leistungsklage sein. Mit einer Anfechtungsklage gegen den Flurbereinigungsplan kann ein Teilnehmer nur geltend machen, bestimmte zur Herstellung der Wertgleichheit seiner Abfindung erforderliche Ausbaumaßnahmen seien in dem Flurbereinigungsplan nicht vorgesehen. Hier hingegen handelt es sich um einen Anspruch auf plan- und sachgerechte Ausführung der im Flurbereinigungsplan vorgesehenen Straßenbaumaßnahmen. Dem angefochtenen Urteil ist zu entnehmen, daß Art und Umfang der im Flurbereinigungsgebiet auszuführenden Straßenbaumaßnahmen in dem Flurbereinigungsplan geregelt sind. Dabei kann offenbleiben, ob der Wegeplan auch Einzelheiten über die Lage und den Querschnitt der Pflasterrinne im Bereich der Einmündung des Riedwegs in die Ortsstraße (Flurstück 1405) sowie über die Höhe der Senkborde und der Spitzrinne vor dem Grundstück des Klägers enthält. Auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, hat die Klage ihrem Gegenstand nach nicht einen Antrag auf Ergänzung des Flurbereinigungsplans zum Ziel. Die Verpflichtung der Flurbereinigungsbehörde, bereits in dem Flurbereinigungsplan selbst zu regeln, welche baulichen Maßnahmen im einzelnen ausgeführt werden sollen und dies nicht seiner späteren Ausführung zu überlassen (vgl. hierzu BVerwGE 42, 92, (94)), geht nicht so weit, die für die Ausführung des Plans erforderlichen technischen Maßnahmen in allen Einzelheiten zu beschreiben und festzulegen. Dies zu bestimmen, kann der für die Herstellung der gemeinschaftlichen Anlagen zuständigen Teilnehmergemeinschaft (§ 18 Abs. 1 FlurbG) im Rahmen der Planausführung überlassen werden. Es genügt, im Wegeplan als Teil des Flurbereinigungsplans die durchzuführenden Maßnahmen so zu bezeichnen, daß erkennbar wird, welche Flächen hiervon betroffen werden und in welcher Art und Weise die Neuanlage oder der Ausbau erfolgen soll. Weicht die Teilnehmergemeinschaft bei der Planausführung von diesen Festsetzungen ab oder erweisen sich die durchgeführten Arbeiten als sachwidrig oder sonstwie mangelhaft, so kann sich der betroffene Teilnehmer hiergegen mit der allgemeinen Leistungsklage zur Wehr setzen (BVerwGE 42, 92). So ist auch der von dem Kläger gestellte Klageantrag auf schadlose Ableitung des Straßenoberflächenwassers zu verstehen. Es erübrigen sich deshalb die Ausführungen des Flurbereinigungsgerichts und die hiergegen gerichteten Revisionsrügen der Beklagten zu der Frage, ob die Rechtsvorgänger des Klägers im Rahmen ihrer gegen den Flurbereinigungsplan gerichteten Beschwerde ihre Einwendungen gegen die Straßenentwässerungsmaßnahmen aufrechterhalten haben und ob ihnen insoweit Nachsicht nach § 134 FlurbG gewährt werden kann.
Zweifelhaft erscheint indessen, ob die ohne nähere Begründung von dem Flurbereinigungsgericht vertretene Auffassung zutrifft, die Beklagte sei für den erhobenen Anspruch passivlegitimiert. Das hängt davon ab, ob die Straßenentwässerung, deren unzweckmäßige Bauausführung der Kläger rügt, Teil einer gemeinschaftlichen Anlage im Sinne der § 39 Abs. 1, § 42 Abs. 1 FlurbG ist; denn nur insoweit ist die Teilnehmergemeinschaft zur Herstellung verpflichtet. Sind dagegen die Ortsstraßen, von denen das Wasser auf das Grundstück des Klägers eindringt, nur gelegentlich der Flurbereinigung, wenn auch in deren Regie oder auf deren Kosten, ausgebaut worden, ohne daß diese Maßnahme zugleich den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Teilnehmer dient, so trifft die Beklagte keine Herstellungspflicht (BVerwGE 15, 72, (75 f.) RzF - 1 - zu § 37 Abs. 1 FlurbG). Dies auch dann nicht, wenn die durchzuführenden Maßnahmen in dem Flurbereinigungsplan ausgewiesen sind. Insoweit ersetzen die Festsetzungen in dem Flurbereinigungsplan nicht das nach anderen Gesetzen erforderliche Planfeststellungsverfahren (§ 41 Abs. 3 Satz 3 FlurbG a.F.) und ändern auch nichts an der Verantwortlichkeit des Straßenbaulastträgers für Mängel in der baulichen Ausführung dieser Anlagen.
Ergibt eine weitere Sachaufklärung, daß der Ausbau der Ortsstraßen durch die Beklagte zugleich im wirtschaftlichen Interesse der Teilnehmer erfolgt ist und die Straßen damit zugleich gemeinschaftliche Anlagen im Sinne des § 39 FlurbG sind, so ist die Verantwortung für eine plan- und fachgerechte Ausführung dieser Maßnahmen nicht durch Übergabe der Straßen an die unterhaltspflichtige Gemeinde auf diese übergegangen. Die Übergabe der gemeinschaftlichen Anlagen an die Straßenunterhaltspflichtigen befreit die Teilnehmergemeinschaft, wie sich aus § 42 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ergibt, lediglich von der künftigen Unterhaltungspflicht, sie läßt dagegen ihre in § 18 Abs. 1 Satz 2 FlurbG normierte Pflicht zur Herstellung der gemeinschaftlichen Anlagen unberührt. Die mit der Herstellung dieser Anlage zusammenhängenden Ansprüche einzelner Teilnehmer sind deshalb nach wie vor ihr gegenüber geltend zumachen (a. A., allerdings ohne nähere Begründung, Flurbereinigungsgericht Koblenz, RdL 1972, S. 209; ZMR 1973, S. 63). Dies folgt außer aus der in § 42 Abs. 1 Satz 1 FlurbG vorgenommenen Unterscheidung zwischen Herstellung und Unterhaltung gemeinschaftlicher Anlagen auch daraus, daß die Übernehmer der Anlagen im Planaufstellungsverfahren keinen Anspruch auf eine ihren Bedürfnissen entsprechende Ausgestaltung haben. Die Art und Weise der Herstellung gemeinschaftlicher Anlagen wird allein durch das Interesse der Flurbereinigung bestimmt (§ 39 Abs. 1 FlurbG). Zwar ist der Plan gemäß § 41 Abs. 2 FlurbG mit den beteiligten Behörden und Organisationen zu erörtern, deren Wünschen und Anregungen sich die Flurbereinigungsbehörde nicht ohne zwingenden Grund verschließen darf. Maßgebend dafür, ob und wie eine gemeinschaftliche Anlage hergestellt wird, bleiben aber das Interesse der allgemeinen Landeskultur und die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Teilnehmer. Diese Interessen müssen auch bei der tatsächlichen Ausführung des Plans den Vorrang vor den Bedürfnissen des Unterhaltungspflichtigen haben. Auch aus diesem Grunde muß die Zuständigkeit der Teilnehmergemeinschaft zur Erfüllung der sich aus der Herstellung gemeinschaftlicher Anlagen ergebenden Ansprüche bis zur Schlußfeststellung (§ 149 FlurbG) erhalten bleiben. Der Übernehmer der beanstandeten Anlagen ist lediglich zur Duldung der der Planerfüllung dienenden Maßnahmen verpflichtet. Bis zur Schlußfeststellung hat nämlich jeder Beteiligte am Flurbereinigungsverfahren hinsichtlich der ihm übertragenen Grundstücke diejenigen Maßnahmen der Flurbereinigungsbehörde zu dulden, die zur Erledigung der gegenseitigen Ansprüche aus dem durch den Flurbereinigungsplan konkretisierten Rechtsverhältnis der Beteiligten untereinander erforderlich sind.
Bei seiner erneuten Entscheidung kann das Flurbereinigungsgericht ferner nicht die Frage offenlassen, ob der Wirtschaftshof des Klägers auch vor Einleitung des Verfahrens schon unter Wasserzufluß von den Ortsstraßen her gelitten hat. Der Auffassung des angefochtenen Urteils, die Beklagte müsse jedenfalls ihre eigenen baulichen Maßnahmen im Ortsbereich so gestalten, daß bei einem Anschluß von Wirtschaftswegen an die Ortsstraße dem Fehlen einer Kanalisation hinreichend Rechnung getragen werde, kann mit dieser weitreichenden Auswirkung nicht gefolgt werden. Zwar enthält § 37 FlurbG, auf den sich das Flurbereinigungsgericht bezieht, die gesetzliche Weisung an die Flurbereinigungsbehörde zur Neugestaltung des Verfahrensgebiets und gibt ihr zur Erfüllung dieser Aufgabe einen weit gesteckten Katalog von Befugnissen an die Hand, in dessen Rahmen alle Maßnahmen zu treffen sind, welche die Grundlagen der Wirtschaftsbetriebe verbessern. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch wiederholt darauf hingewiesen, daß aus dieser Vorschrift als Generalklausel kein Anspruch auf Durchführung einer bestimmten Einzelmaßnahme hergeleitet werden kann (vgl. u.a. Urteil vom 25.11.1970 RzF - 13 - zu § 37 Abs. 1 FlurbG - BVerwG IV C 80.66 - (RdL 1971, S. 97); Beschluß vom 26.1.1971 - BVerwG IV CB 8.68 - RzF - 15 - zu § 37 Abs. 1 FlurbG (RdL 1971, S. 154) mit weiteren Nachweisen). Es kann deshalb auch kein Teilnehmer verlangen, daß eine in dem Flurbereinigungsplan festgesetzte Ausbaumaßnahme in bestimmter seinen Individualinteressen Rechnung tragenden Weisen ausgeführt wird. Er ist vielmehr auf die in § 44 FlurbG normierten Ansprüche beschränkt.
Was die Durchführung von Entwässerungsmaßnahmen anbelangt, wie sie der Kläger verlangt, so bestimmt § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG lediglich, daß die erforderliche Vorflut, soweit möglich, zu schaffen ist. Diese einschränkende gesetzliche Formulierung "erforderliche" Vorflut und "soweit möglich" trägt der Tatsache Rechnung, daß der Herstellung von Vorflutanlagen sowohl von den örtlichen Gegebenheiten als auch von den finanziellen Möglichkeiten her Grenzen gezogen sein können (Steuer, Kommentar zum FlurbG, 2. Auflage, Anmerkung 41 zu § 44; RzF - 15 - zu § 37 Abs. 1 FlurbG Beschluß vom 26.1.1971, a.a.O.). Es ist deshalb unzutreffend, wenn das Flurbereinigungsgericht - ohne die Wertgleichheit der Abfindung des Klägers konkret in Frage zu stellen - meint, bei der Anlage von Regenwasserabläufen an der Straßenbegrenzung müsse dem Fehlen einer Kanalisation Rechnung getragen werden. Kein Teilnehmer kann verlangen, daß er durch die Flurbereinigung einen Vorteil erlangt; er hat nur einen Anspruch auf wertgleiche Abfindung. Was die Ausführung von in dem Flurbereinigungsplan vorgesehenen Straßenentwässerungsmaßnahmen anbelangt, so folgt daraus allerdings, daß die Anlagen so beschaffen sein müssen, daß den betroffenen Teilnehmern im Vergleich zu dem bisherigen Zustand in bezug auf ihre Grundstücke kein Nachteil entsteht. Das kann bereits dann der Fall sein, wenn infolge der Befestigung der Fahrbahndecke das Straßenoberflächenwasser nicht mehr versickert oder über Spurrillen abfließt, sondern in die anliegenden Grundstücke eindringt. Auch Veränderungen im Straßengefälle lassen es als möglich erscheinen, daß das Grundstück des Klägers mehr als früher von eindringendem Straßenoberflächenwasser betroffen wird. Solche bisher nicht aufgetretenen Einwirkungen hat die Beklagte zu beseitigen. Dagegen ist sie nicht verpflichtet, bei Gelegenheit des Straßenausbaus auch bisher schon bestehende Mängel zu beseitigen und Versäumnisse, die der bisherige Träger der Straßenbaulast hat eintreten lassen, auszugleichen. Es kommt deshalb entgegen der Meinung des Flurbereinigungsgerichts sehr wohl darauf an, ob der beanstandete Wasserzufluß auf das Grundstück des Klägers in diesem Maße auch früher schon bestanden hat und ob er überhaupt auf Mängel der Straßenentwässerung oder auf das Unterlassen geeigneter Vorkehrungen auf dem Grundstück selbst zurückzuführen ist.