Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.07.1980 - BVerwG 5 B 25.79 = RdL 1981 S. 93
Aktenzeichen | BVerwG 5 B 25.79 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 30.07.1980 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = RdL 1981 S. 93 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Verfassungsmäßigkeit der Unternehmensflurbereinigung und zu deren Abgrenzung vom vereinfachten Flurbereinigungsverfahren. |
Aus den Gründen
Die Beschwerde muß ohne Erfolg bleiben.
Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO angeführten Art für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die die Kläger als alleinigen Grund für die Zulassung der Revision geltend machen, ist nicht gegeben. Die mit der Anordnung einer sogenannten Unternehmensflurbereinigung nach § 87 ff. FlurbG zusammenhängenden Rechtsfragen sind, soweit sie von den Klägern für klärungsbedürftig angesehen werden, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entschieden oder bedürfen keiner weiteren Klärung in dem vorliegenden Verfahren. Dies trifft insbesondere für die von den Klägern aufgeworfene Frage zu, ob die Vorschriften über die Durchführung eines Verfahrens nach § 87 FlurbG verfassungsmäßig sind. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, daß die Landabzüge, die im Rahmen eines solchen Verfahrens zugunsten eines Unternehmens vorgenommen werden, eine Enteignung im Sinne des Artikel 14 GG darstellen, für die der Träger des Unternehmens gemäß § 88 Nr. 4 FlurbG eine Geldentschädigung zu leisten hat. Daraus kann indessen nicht gefolgert werden, die Unternehmensflurbereinigung sei insgesamt als Enteignung anzusehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits unter der Geltung des mit § 87 Abs. 1 FlurbG im wesentlichen inhaltlich übereinstimmenden § 1 Abs. 2 Reichsumlegungsordnung vom 16. Juni 1937 (RGBl. I S. 629) entschieden, daß nur die für das Unternehmen vorgenommenen Landabzüge (§ 88 Nr. 4 FlurbG) den Tatbestand der Enteignung erfüllen, denn nur diese Maßnahme dient einem dem Interesse des Betroffenen entgegengesetzten fremden Interesse. Soweit die in einem solchen Verfahren durchgeführten Maßnahmen darauf gerichtet sind, die Besitzverhältnisse neu zu ordnen und dabei die durch den Bau der Autobahn verursachte zusätzliche Zersplitterung des Grundbesitzes zu beseitigen, liegen sie im Interesse der betroffenen Grundstückseigentümer selbst, denen durch die Umlegung unter Zuteilung gleichwertiger Grundstücke eine wirtschaftlichere Betriebsführung ermöglicht werden soll. Von einer Enteignung kann insoweit nicht gesprochen werden (vergleiche BVerwGE 3; zur Frage der Enteignung auch BGH NJW 1976, S. 1088 =RzF - 6 - zu § 88 Nr. 4 FlurbG).
Ob und in welchem Umfang sich durch eine Ausscheidung der für das Unternehmen benötigten Flächen die zur Befriedigung der Abfindungsansprüche zur Verfügung stehende Verteilungsmasse so verkürzt, daß nicht alle Teilnehmer wertgleich in Land abgefunden werden können, steht bei Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens noch nicht fest. Das hängt vielmehr davon ab, ob der Träger des Unternehmens im Umfang seines Landbedarfs mit eigenen oder während des Verfahrens erworbenen Grundstücken an der Neugestaltung des Flurbereinigungsgebiets teilnimmt. Es kann deshalb regelmäßig erst nach Abschluß der flurbereinigungsbehördlichen Gestaltungsmaßnahmen festgestellt werden, ob für einen Teilnehmer ein durch Gewährung einer Enteignungsentschädigung nach § 88 Nr. 4 FlurbG auszugleichender Rechtsverlust eintritt. Das schließt die Annahme aus, bereits die Anordnung eines Verfahrens nach § 87 FlurbG, um deren Rechtmäßigkeit es hier allein geht, stelle eine enteignende Maßnahme dar (Beschluß vom 9. Januar 1979 - BVerwG 5 B 50.77 = RzF - 1 - zu § 88 Nr. 4 FlurbG.
Auch die übrigen gegen die Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens nach § 87 FlurbG vorgebrachten Einwendungen der Kläger können nicht zur Zulassung der Revision führen. Es kann keine Rede davon sein, die Anordnung eines solchen Verfahrens stelle die betroffenen Grundstückseigentümer schlechter als bei Durchführung der Enteignung. Die Kläger verkennen damit den Zusammenhang zwischen Enteignung und Unternehmensflurbereinigung. Die flurbereinigungsgerichtliche Zuständigkeit beschränkt sich auf die Prüfung, ob der Teilnehmer wertgleich in Land abgefunden ist. Soweit dagegen um die Höhe der Geldentschädigung nach § 88 Nr. 4 Satz 4 FlurbG gestritten wird, ist gemäß § 88 Nr. 7 FlurbG der Rechtsweg zu den Zivilgerichten gegeben, die auch über die Vorfrage entscheiden, ob überhaupt eine Enteignung vorliegt, das heißt, ob die Landabfindung ausreicht, das den Eigentümern auferlegte Sonderopfer auszugleichen (Urteil vom 24. April 1970 - BVerwG IV C 47.66 = RzF - 14 - zu § 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG; BGH, a.a.O., mit weiteren Nachweisen). Es ist auch unzutreffend, wenn die Kläger meinen, den Betroffenen werde durch die Anordnung eines Verfahrens nach § 87 FlurbG verwehrt, die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Enteignung gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Unternehmensflurbereinigung setzt, wie sich aus § 87 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ergibt, voraus, daß nach einem besonderen Gesetz eine Rechtsgrundlage für die Enteignung besteht und daß die Enteignung nach dieser Vorschrift zulässig ist. Das Verfahren kann erst dann eingeleitet werden, wenn der Plan im Enteignungsverfahren mindestens vorläufig festgestellt ist (§ 87 Abs. 2 FlurbG). Daraus folgt, daß die Vorschriften über die Anordnung der Enteignung durch die Einleitung eines Verfahrens nach § 87 FlurbG nicht umgangen werden können. Dies ist in dem angefochtenen Urteil unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vergleiche insbesondere Beschluß vom 19. Juni 1970 - BVerwG IV B 196.69 = RdL 1970, S. 194 = RzF - 10 - zu § 87 Abs. 1 FlurbG) zutreffend dargelegt und bedarf keiner weiteren Erörterung in einem Revisionsverfahren.
Schließlich ist es keine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung, ob im vorliegenden Fall bei Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren nach § 86 FlurbG statt eines Verfahrens nach § 87 FlurbG hätte durchgeführt werden müssen. Entgegen der offenbar von den Klägern vertretenen Auffassung steht der Behörde kein Wahlrecht zu, in welcher Verfahrensart sie den Zweck der Flurbereinigung erreichen will. Aus § 88 Nr. 10 FlurbG folgt vielmehr, daß für Fälle der Bereitstellung von Land in großem Umfang für Unternehmen das vereinfachte Flurbereinigungsverfahren nicht anzuwenden ist.
Wie sich beide Verfahrensarten hinsichtlich ihrer Voraussetzungen unterscheiden, ist nicht mehr klärungsbedürftig. Das vereinfachte Flurbereinigungsverfahren setzt voraus, daß die für das Unternehmen benötigten Flächen von dem Unternehmensträger bereitgestellt werden und nicht wie in dem Verfahren nach § 87 ff. FlurbG von den Teilnehmern aufzubringen sind (vergleiche hierzu Drees, RdL 1967, 281; Seehusen/Schwede/Nebe, Kommentar zum FlurbG, 2. Auflage, Rdnr. 1 zu § 86; Steuer, Kommentar zum FlurbG, 2. Auflage, Rdnr. 2 zu § 86). Dies ergibt sich aus Wortlaut und Sinn der diese Verfahrensarten regelnden § 86 und § 87 FlurbG und bedarf keiner näheren Erörterung in einem Revisionsverfahren. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils hat der Träger des Unternehmens, die Autobahndirektion M., nicht alle in die Trasse fallenden Grundstücke in der Gemarkung E. erwerben können. Mit Recht ist deshalb das Flurbereinigungsgericht davon ausgegangen, daß der Zweck des Verfahrens, die von dem Unternehmensträger erworbenen Flächen in die ausgewiesene Trasse zu verlegen, einen etwa verbleibenden Landverlust auf alle Teilnehmer zu verteilen und Nachteile für die allgemeine Landeskultur, die durch das Unternehmen entstehen, zu vermeiden oder zu beheben, die Anordnung einer Unternehmensflurbereinigung nach § 87 FlurbG rechtfertigen.