Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.06.1970 - IV B 196.69 = RdL 1970 S. 194

Aktenzeichen IV B 196.69 Entscheidung Beschluss Datum 19.06.1970
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen RdL 1970 S. 194  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Bei einem Flurbereinigungsverfahren nach § 87 FlurbG brauchen die Voraussetzungen des § 1 FlurbG nicht vorzuliegen.
2. Die Zulässigkeit der Enteignung selbst richtet sich nach dem jeweils in Frage kommenden besonderen Gesetz.
3. Für den Vollzug der Enteignung gelten die Vorschriften der § 87 ff. FlurbG.
4. Gegen die Besetzung des Flurbereinigungsgerichts mit Laien- und Fachbeisitzern bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Aus den Gründen

Die Frage, ob alleiniger Zweck eines Flurb.Verfahrens nach § 87 ff. FlurbG die Bereitstellung von Straßenbauland sein kann, weist keine grundsätzliche Bedeutung auf. Die Voraussetzungen, unter denen ein Flurb.Verfahren nach § 87 ff. FlurbG im Falle der Inanspruchnahme von Land für öffentliche Zwecke durchgeführt werden darf, sind in § 87 FlurbG abschließend aufgezählt.

Sinn dieser Regelung ist es, nicht nur, wie die Beschwerdeführer zu Unrecht annehmen, den Interessen des Unternehmens durch eine beschleunigte Landbereitstellung zu dienen, sondern in erster Linie den durch das Unternehmen hervorgerufenen Landverlust auf einen größeren Kreis von Besitzern zu verteilen und das Land, wie es in einem Flurb.Verfahren geschieht, neu zu verteilen. Im vorliegenden Fall soll dabei die durch den Bau der Bundesstraße 456 auf dem fraglichen Teilstück verursachte zusätzliche Zersplitterung beseitigt werden. Während der Zweck der Flurbereinigung nach § 1 FlurbG in der Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung und der Förderung der allgemeinen Landeskultur liegt und ein Flurb.Verfahren danach nur durchgeführt werden darf, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, handelt es sich bei dem Verfahren nach § 87 FlurbG um eine Sonderform der Flurbereinigung, die nur die Erfüllung der dort festgelegten Erfordernisse verlangt. Dies wird zudem ausdrücklich durch § 88 Nr. 1 Satz 3 FlurbG klargestellt, wonach im Verfahren nach § 87 FlurbG die Voraussetzungen des § 1 FlurbG nicht vorzuliegen brauchen. Es kommt also nicht darauf an, daß es sich bei den Grundstücken der Beschwerdeführer überwiegend um kleine, nicht unmittelbar landwirtschaftlich, sondern als Kleingärten genutzte Parzellen handelt, bei denen eine Verbesserung der landwirtschaftlichen Erzeugung nicht im Vordergrund steht.

Einer grundsätzlichen Klärung sind ferner die Fragen nicht zugänglich, daß die Einleitung des Flurb.Verfahrens ohne den vorherigen Versuch einer gütlichen Einigung mit den Beteiligten angeordnet wurde und daß die Anordnung der Flurb.Verfahren sich als Mißbrauch zur Umgehung der Enteignungsbestimmungen darstelle. Hier verkennen die Beschwerdeführer den Zusammenhang zwischen Enteignung und Flurbereinigung im Falle des § 87 FlurbG. Wie bereits der Wortlaut des § 87 Abs. 1 Satz 1 FlurbG i.V.m. Abs. 2 zeigt, ist es erforderlich, daß aus besonderem Anlaß eine Enteignung durchgeführt wird und der Plan im Enteignungsverfahren wenigstens vorläufig festgestellt ist. Dies besagt aber nichts anderes, als daß nach einem besonderen Gesetz eine Rechtsgrundlage für die Enteignung vorhanden und daß die Enteignung nach dieser Vorschrift zulässig sein muß. Als Rechtsgrundlage für die Enteignung im Zusammenhang mit Bundesfernstraßen kommt § 19 Abs. 1 FStrG in Betracht, wonach der zuständigen Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben das Enteignungsrecht zusteht. Danach ist die Enteignung zulässig, soweit sie zur Ausführung eines nach § 18 Abs. 5 FStrG festgestellten Bauvorhabens notwendig ist. Demgemäß war im vorliegenden Falle die Enteignung nach § 19 Abs. 1 FStrG zur Durchführung des ordnungsgemäß mit Planfeststellungsbeschluß des Hess.Min. f. WuV vom 15.2.1968 festgestellten Straßenbauvorhabens zulässig. Richtet sich also die Zulässigkeit der Enteignung selbst nach dem jeweils in Frage kommenden besonderen Gesetz, so erfolgt lediglich der Vollzug der Enteignung statt nach den sonst geltenden landesrechtlichen Vorschriften über das Enteignungsverfahren (§ 19 Abs. 5 FStrG) im Rahmen eines Flurb.Verfahrens nach den Vorschriften der § 87 ff. FlurbG (vgl. auch Beschl. vom 20.2.1956 - BVerwG I B 97.55 -, BVerwGE 3, 156 (157)). Daraus ergibt sich, daß die Vorschriften für die Anordnung einer Enteignung durch die Einleitung eines Flurb.Verfahrens nach § 87 FlurbG gar nicht umgangen werden können, da in jedem Falle eine besondere Rechtsgrundlage für die Anordnung der Enteignung vorhanden sein muß. Zum anderen ist auch der Einwand verfehlt, daß der Versuch einer gütlichen Einigung unterblieben sei. Dies ist eine Frage, die die Zulässigkeit der Enteignung selbst - hier nach § 19 Abs. 2 Satz 2 FStrG - betrifft, nicht jedoch das sich im Vollzug der Enteignung anschließende Flurb.Verfahren.

Weiter weisen auch die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Besetzung des Flurb.Gerichts nach § 139 FlurbG mit einem, wie die Beschwerdeführer meinen, "Übergewicht des Laienelements" bei der Entscheidung über verfassungs- und enteignungsrechtliche Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung auf. Denn die Ansicht der Beschwerdeführer, daß das Flurb.Gericht über verfassungs- und enteignungsrechtliche Rechtsfragen im vorliegenden Verfahren zu entscheiden habe, trifft nicht zu. Wie schon zuvor dargelegt, ist im Rahmen des § 87 FlurbG zwischen der Zulässigkeit der Enteignung und dem Vollzug der Enteignung im Flurb.Verfahren zu unterscheiden. Nur für Streitigkeiten, die durch letzteres hervorgerufen werden, ist nach § 140 FlurbG die Zuständigkeit des Flurb.Gerichts begründet. Demgegenüber wird die Zuständigkeit für die Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Enteignung, die die Beschwerdeführer angreifen wollen, durch das FlurbG nicht berührt; hier verbleibt es bei den allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Vorschriften. Darüber hinaus wird durch § 88 Nr. 7 FlurbG für die Höhe der Enteignungsentschädigung der ordentliche Rechtsweg eröffnet. Auch im übrigen bestehen gegen die Besetzung des Flurb.Gerichts mit Laien- und Fachbeisitzern neben Berufsrichtern keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG, Beschl. vom 9.5.1962, BVerwGE 14, 56 (73)).