Flurbereinigungsgericht Greifswald, Urteil vom 22.01.2003 - 9 K 22/01 (Lieferung 2005)

Aktenzeichen 9 K 22/01 Entscheidung Urteil Datum 22.01.2003
Gericht Flurbereinigungsgericht Greifswald Veröffentlichungen Lieferung 2005

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Im Bodenordnungsverfahren nach § 64 LwAnpG ist die Wertermittlung in analoger Anwendung der §§ 19 ff. SachenRBerG durchzuführen.
2. Die Ermittlung des Wertes eines unbebaut baureifen Grundstücks hat die planungsrechtliche Situation des Grundstücks zu berücksichtigen.
3. Bei der Wertermittlung eines mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks kann ohne Beachtung der konkreten planungsrechtlichen Situation des Grundstücks die Wertermittlung an Hand von Bodenrichtwerten erfolgen.
4. Die konkrete planungsrechtliche Situation kann nur nach der tatsächlichen Nutzung des Grundstücks beurteilt werden. Für ein im Außenbereich belegendes Grundstück mit einer nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Bebauung ist planungsrechtlich Außenbereich anzunehmen; die Wertermittlung ist auf der Grundlage der Außenbereichsbewertung für vollerschlossenes und einer privilegierten Nutzung zur Verfügung stehenden Landes vorzunehmen.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angegriffene Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Der von der Widerspruchsbehörde festgesetzte Bodenwert für Gewerbefläche ist nicht zu Lasten der Klägerinnen niedriger als der Wert, der sich bei der Wertermittlung nach § 19 Abs. 2 SachenRBerG ergibt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist im Bodenordnungsverfahren nach § 64 LwAnpG die Wertermittlung in analoger Anwendung der § 19 ff. SachenRBerG durchzuführen (vgl. Urt. v. 16.04.1998 - 9 K 28/97 -; Urt. v. 30. März 1999 - 9 K 8/96 -; Urt. v. 19.01.2000 - 9 K 47/97 -; Urt. v. 22. Januar 2003 - 9 K 28/01 -). An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch in Ansehung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.12.1998 - 11 C 5.97 - RzF - 1 - zu § 58 Abs. 2 LwAnpG und des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Februar 2000 - 11 B 52.99 - fest (dem entspricht auch die gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung, vgl. OVG Frankfurt/Oder, Urt. v. 25.01.2001 - 8 D 12/98 -, RdL 2001, 265 ff.; VIZ 2002, 52 ff.).

Der Senat legt die hierfür die Wertermittlung allein in Betracht kommende Vorschrift des § 19 Abs. 2 SachenRBerG in ständiger Rechtsprechung so aus, dass die Wertermittlung für das unbebaute baureife Grundstück die planungsrechtliche Situation des Grundstücks nicht unberücksichtigt lassen darf. Für ein mit einem Wohngebäude bebautes Grundstück hat der Senat allerdings nicht beanstandet, wenn bei der dafür durchgeführten Wertermittlung ohne Beachtung der konkreten planungsrechtlichen Situation des Grundstücks die Wertermittlung an Hand von Bodenrichtwerten erfolgt (Urt. v. 16.04.1998 - 9 K 28/97 -). Diese Art der Wertermittlung entspricht auch der überwiegenden Auffassung im Schrifttum (vgl. Zimmermann/Heller, Das Neue Sach- und Rechtsbereinigungsgesetz, 1995, S. 83 ff.; Vossius, SachenRBerG, § 19 Rdnr. 5; Thöne/Knauber, Boden- und Gebäudeeigentum in den neuen Bundesländern, 2. Auflage Rdnr. 469). Dieser Rechtsprechung liegt der Gedanke zugrunde, dass die konkrete planungsrechtliche Situation mangels anders lautender gesetzlicher Bestimmungen nur mit Blick auf das Grundstück in seiner tatsächlichen Nutzung beurteilt werden kann. Der Senat hat daher in den Fällen, in denen ein im Außenbereich belegendes Grundstück mit einer nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Bebauung bewertet werden musste, planungsrechtlich Außenbereich angenommen und die Wertermittlung auf der Grundlage der Außenbereichsbewertung für vollerschlossenes und einer privilegierten Nutzung zur Verfügung stehenden Landes vorgenommen. Dies entspricht im Ergebnis auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Entscheidung vom 26.10.1999 - LwZR 9/99 RdL 2000, 50 f., VIZ 2000, 112 f.) und der herrschenden Meinung in der Literatur (Thöne/Knauber, a.a.O., Rdnr. 288 ff.).

Gemessen an diesen Maßstäben handelt es sich bei den Flächen, deren Bewertung im vorliegenden Verfahren streitig ist, planungsrechtlich um solche, die als Gewerbegebiet einzustufen sind. Dabei ist es unerheblich, ob der sogenannte "Bebauungsplan Nr. 1 der Gemeinde S.-T. Süd" wirksam ist oder nicht. Die Flächen liegen in mitten eines wenigstens faktischen Gewerbegebiets und sind mit Gebäuden bebaut, die für gewerbliche Zwecke genutzt werden. Eine Bebauung dieser Flächen für gewerbliche Zwecke wäre grundsätzlich nach § 34 Abs. 2 BauGB zulässig. Die vom Beklagten vorgenommene Bewertung anhand von hochgerechneten Ackerlandpreisen ist daher ausgeschlossen.

Zu Gunsten der Klägerinnen geht der Senat bei der von ihm nach § 19 Abs. 2 SachenRBerG vorgenommenen Bewertung dieser Flächen von den Erkenntnissen des von den Klägerinnen beauftragten Sachverständigen aus, soweit es um die Bewertung der einzelnen Flurstücke auf Grund grundstücksbezogener Merkmale geht. Der Senat vermag dem Gutachter aber nicht zu folgen, soweit es um den von ihm ermittelten "Basiswert gewerblicher Bebauung" geht. Der Gutachter meint mit diesem Basiswert ersichtlich den noch nicht nach § 14 WertV bereinigten Wert unbebauten vollerschlossenen, d. h. baureifen und gewerblich nutzbaren Landes. Dieser Wert ist nach der Vergleichswertmethode (§ 13 WertV) zu ermitteln. Der Gutachter hat in seinem Gutachten die Kaufpreise für Vergleichsgrundstücke im Gewerbegebiet T. ermittelt. Der Durchschnittswert aller vom Gutachter ermittelten Verkaufsfälle liegt bei 44,07 DM/qm. Die Herleitung des vom Gutachter angesetzten Basiswertes in Höhe von 48,00 DM/qm ist im Gutachten nicht nachvollziehbar dargestellt.

Der so durch das Gericht ermittelte Basiswert, gleiches gilt für den vom Gutachter herangezogenen Basiswert, muss mit Blick auf § 6 WertV korrigiert werden. Bei der Wertermittlung mittels der Vergleichswertmethode dürfen Kaufpreise nicht berücksichtigt werden, wenn sie erheblich von den Kaufpreisen in vergleichbaren Fällen abweichen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 WertV). Dies ist regelmäßig der Fall, wenn ein einzelner Kaufpreis so große Abweichungen gegenüber den sonstigen ermittelten Vergleichswerten aufweist, dass davon ausgegangen werden muss, dass er auf Grund besonderer, nicht allgemein gültiger Umstände zu Stande gekommen ist. Liegt ein Kaufpreis um mehr als 100 % über dem ohne ihn gebildeten Durchschnittswert aller anderen Kaufpreise, ist er als ungeeignet für die Ermittlung des Vergleichswertes auszuscheiden. So liegt der Fall hier. Der letzte in der Kaufpreissammlung angegebene Kaufpreis beträgt 125,00 DM/qm. Damit liegt er - je nach Bildung der Durchschnittswerte der weiteren zur Vergleichszwecken herangezogenen Kaufpreise - um das 4- bis 8fache über den auf dieser Grundlage jeweils ermittelten durchschnittlichen Werten. Selbst wenn alle vom Gutachter ermittelten Kaufpreise zur Durchschnittsbildung herangezogen werden, läge der Kaufpreis von 125,00 DM/qm immer noch fast 150 % über dem so ermittelten Durchschnittswert. Dieser Kaufpreis ist daher bei der Ermittlung des Vergleichswertes nicht zu berücksichtigen.

Der sich aus allen vorliegenden und zu berücksichtigenden Kaufpreisen für das Gewerbegebiet T. ergebende Vergleichswert (Basiswert) beträgt 30,58 DM/qm. Wird dieser Basiswert nach § 14 S. 1 WertV an Hand der nach Auffassung des Senats nachvollziehbaren weiteren Wertermittlungsschritte des Gutachtens für den allgemeinen Gewerbeflächenwert (zu den einzelnen Berechnungsschritten vgl. Seite 11 unten des Gutachtens) bereinigt, ergibt sich ein Wert von 15,29 DM/qm als allgemeiner Wert für die Gewerbefläche auf dem ehemaligen Technikstützpunkt.

In diesem bereinigten Bodenwert steckt eine Wertminderung von 25 % für die unzureichende Erschließung. Nach § 19 Abs. 2 S. 1 SachenRBerG ist bei der Wertermittlung der Bodenwert für baureifes Land anzusetzen und daher diese Wertminderung bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen. Aufgrund dieser gesetzlichen Vorgabe ergibt sich für die Flächen der Klägerinnen ein Bodenwert - allein nach § 19 Abs. 2 S. 1 und 2 SachenRBerG berechnet - in Höhe von 22,93 DM/qm. Von diesem Wert ist nach § 19 Abs. 2 S. 3 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SachenRBerG ein Betrag von 10,00 DM abzusetzen, wenn die Erschließung nicht vom jetzigen Grundeigentümer hergestellt wurde. So liegt der Fall hier. Der Technikstützpunkt einschließlich seiner Erschließung wurde ersichtlich von der früher nutzungsberechtigten LPG hergestellt. Der so ermittelte Wert ist nach § 19 Abs. 3 S. 2 SachenRBerG auf den Rohbaulandwert anzuheben, wenn sich durch den Abzug ein geringerer Bodenwert als der Rohbauwert ergibt. Der Rohbaulandwert ist der Mindestbodenwert nach § 19 Abs. 2 SachenRBerG. Im hier zu entscheidenden Fall ist zugunsten der Klägerinnen der Rohbaulandwert anzusetzen, da dieser in der Praxis auf Werte höher als 60 % des Wertes von baureifem Land angesetzt wird und der durch den Erschließungsabzug sich ergebende Bodenwert unter dieser Grenze liegt. Der Senat sieht im konkreten Einzelfall einen Abzug von 25 % vom Wert des baureifen Landes für die Festsetzung des Rohbaulandwertes als angemessen an. Daraus ergibt sich der nach § 19 Abs. 2 SachenRBerG ermittelte Bodenwert von 15,29 DM/qm für die Gewerbefläche auf dem ehemaligen Technikstützpunkt.

Dieser aufgrund § 19 Abs. 2 SachenRBerG in Anwendung der Vergleichswertmethode ermittelte Wert liegt deutlich unter dem vom Gutachter angenommenen Wert von 24,-- DM/qm, der darauf beruht, dass der Gutachter bei der Durchschnittsbildung auch den besonderen Verkaufsfall in Höhe von 125,-- DM/qm einbezogen hat. Der vom Gericht ermittelte Bodenwert ergibt für keines der neu gebildeten Grundstücke bei Anwendung der vom Gutachter vorgenommenen individuellen Bewertung einen höheren Wert als den von der Widerspruchsbehörde festgesetzten Wert von 16,-- DM/qm, so dass offen bleiben kann, ob die individuelle Flächenbewertung durch den Gutachter den Vorgaben des § 19 SachenRBerG entspricht.

Anmerkung

bestätigt durch: BVerwG, Beschluss vom 05.11.2003 - 9 B 32.03 - RzF - 47 - zu § 64 LwAnpG.