Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.11.2003 - 9 B 32.03 (Lieferung 2005)
Aktenzeichen | 9 B 32.03 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 05.11.2003 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | Lieferung | 2005 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Anwendung von § 19 Abs. 2 SachenRBerG in den Verfahren nach § 64 LwAnpG steht im Einklang mit Art. 14 GG. |
2. | Eine unzulässige Überraschungsentscheidung trifft ein Gericht nur, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten. |
Aus den Gründen
Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 3 VwGO i.V.m. § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
- Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde die Frage auf,
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde. Die Beschwerde knüpft ihre verfassungsrechtlichen Bedenken ausdrücklich an die Feststellung an, dass sie in täglichen Verkaufsgeschäften Kaufpreise in Höhe von 50 bis 60 DM/qm erziele, und gründet sie mithin auf die erhebliche Diskrepanz zwischen diesem und dem vom Oberverwaltungsgericht als maßgeblich angesehenen Vergleichswert von 16 DM/qm. Damit stützt sich die Beschwerde auf Tatsachen, die nicht nur vom Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt worden sind, sondern deren Entscheidungserheblichkeit auch vom eigenen Klageantrag nicht umfasst wird. Denn gestützt auf das von ihr vorgelegte Gutachten verlangt die Klägerin mit ihrer Klage, den Bodenwert für die fraglichen Grundstücke auf 21,60 DM/qm bzw. 24,72 DM/qm festzusetzen. Dass sich auch auf der Grundlage dieser, weniger als die Hälfte der genannten Kaufpreise betragenden Bodenwerte die aufgeworfene Frage stellen könnte, hat die Beschwerde entgegen § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht dargelegt.
Auch unabhängig hiervon bedarf die Frage keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Dass die "vom Flurbereinigungsgericht bestätigte Verfahrensweise" nicht mit Art. 14 GG in Einklang stehen könnte, ist, soweit die Beschwerde damit die auch vom erkennenden Senat (Urteil vom 26. März 2003 - BVerwG 9 C 5.02 - Buchholz 424.02 § 63 LwAnpG Nr. 1) anerkannte Anwendung von § 19 Abs. 2 SachenRBerG meint, schon deswegen ausgeschlossen, weil es nach dieser Vorschrift grundsätzlich auf den verfassungsrechtlich unbedenklichen "Verkehrswert im Sinne des § 194 des Baugesetzbuchs" ankommt. Soweit die Beschwerde ihre Frage auf die Anwendung der Vergleichswertmethode unter Beschränkung auf die im fraglichen Gewerbegebiet angefallenen Verkaufsfälle beziehen will, steht eine solche "Verfahrensweise" ebenfalls in Einklang mit der erwähnten Rechtsprechung des Senats. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - eine genügende Anzahl von Verkaufsfällen herangezogen werden kann. Unter diesen Voraussetzungen ist nicht erkennbar oder dargelegt, dass Verfassungsrecht die von der Beschwerde geforderte Einbeziehung weniger einschlägiger Verkaufsfälle aus weiter entfernt liegenden Gebieten (vgl. auch § 13 Abs. 1 Satz 2 WertV) oder undifferenzierter statistischer Werte wie den vom Statistischen Landesamt Mecklenburg-Vorpommern für das gesamte Kreisgebiet R genannten verlangen könnte. Sollte die Beschwerde die "Verfahrensweise" des Oberverwaltungsgerichts schließlich auf die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall beziehen wollen, könnte sich hieraus mangels Verallgemeinerungsfähigkeit die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ergeben.
Auch die geltend gemachten Verfahrensrügen greifen nicht durch.
Die Beschwerde meint zunächst, das Oberverwaltungsgericht habe den Sachverhalt entgegen § 86 VwGO nicht ausreichend erforscht, weil es den vom Sachverständigen ermittelten "Basiswert gewerblicher Bebauung" in Höhe von 48 DM/qm nicht für nachvollziehbar gehalten, jedoch diesen Wert gleichwohl ohne weitere Aufklärung mit willkürlichen Annahmen zur eigenen Wertermittlung herangezogen habe. Dabei verkennt die Beschwerde, dass es für die Frage, welche Tatsachen das Gericht nach § 86 Abs. 1 VwGO aufzuklären hat, auf seine eigene materiellrechtliche Auffassung ankommt, die es seiner Entscheidung zugrunde legt (stRspr; vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18. April 1991 - BVerwG 2 C 7.90 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 230). Das Oberverwaltungsgericht ist bei der Bestimmung des "Basiswerts" ersichtlich davon ausgegangen, dass insoweit auf die im fraglichen Gewerbegebiet angefallenen Verkaufsfälle abzustellen ist. Das Gericht hat sich somit im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 26. März 2003 - a.a.O.) gegen die dem Gutachten zugrunde liegende Berechnungsmethode gewandt, die trotz hinreichender Verkaufsfälle in der unmittelbaren Umgebung weitere, ferner liegende Faktoren ein-bezogen und zu einem Basiswert "verrechnet" hat. Wenn das Oberverwaltungsgericht - zu Recht - die rechnerische Nachvollziehbarkeit dieses Wertes beanstandet hat, war es mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zu weiteren Aufklärungen in dieser Richtung verpflichtet. Es konnte vielmehr auf der Grundlage der im Vortrag der Klägerin sowie im von ihr vorgelegten Gutachten wiedergegebenen Liste von Verkaufsfällen im Gewerbegebiet T., deren Richtigkeit und Vollständigkeit die Klägerin nach wie vor nicht in Frage stellt, den nach seiner Ansicht maßgeblichen "Basiswert" ermitteln. Hierbei kam es auf die Frage, ob der Verkaufsfall von 1996 (125 DM/qm) vom Gutachter bei dessen Berechnung unberücksichtigt geblieben ist, nicht an. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Umstand auch nicht - wie die Beschwerde meint - "zur ausdrücklichen Grundlage seiner Entscheidung" gemacht, sondern mit dem von der Beschwerde zitierten Hinweis die Unterschiede zwischen den Ergebnissen der Bodenwertermittlung zu erläutern versucht. Ein Verstoß gegen Denkgesetze, der ohnehin nicht den Verfahrensablauf, sondern die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung betrifft und mithin - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - einen Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründen kann (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266), ist auf dieser Grundlage jedenfalls nicht erkennbar.
Die Rüge der Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht habe eine Überraschungsentscheidung getroffen, weil die Frage der Nachvollziehbarkeit des gutachtlich festgestellten "Basiswertes" von 48 DM/qm und der Verzicht auf die aus den Randgebieten und der amtlichen Statistik herangezogenen Werte weder schriftlich noch in der mündlichen Verhandlung eine Rolle gespielt habe, geht ebenfalls fehl. In der Sache macht die Beschwerde damit einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs geltend. Insoweit fehlt es für die Zulässigkeit einer solchen Rüge aber bereits an der erforderlichen Darlegung dessen, was auf den vermissten Hinweis des Gerichts im Einzelnen vorgetragen worden wäre (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22. April 1999 - BVerwG 9 B 188.99 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 44).
Auch unabhängig davon greift die Rüge nicht durch. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung trifft ein Gericht nur, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 25. April 2001 - BVerwG 4 B 31.01 - Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 47). Davon kann hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit der Berechnung des "Basiswertes" von 48 DM/qm keine Rede sein, weil dieser Gesichtspunkt - wie dargelegt - für das Oberverwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich gewesen ist. Die Frage der Berechnung des Bodenwertes und seiner Höhe macht hingegen den Kern des Rechtsstreites aus. Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten ist bereits in das Verwaltungsverfahren eingeführt worden, ohne dass der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid der Argumentation des Gutachters gefolgt wäre. Das gilt auch für das gerichtliche Verfahren. Dass die Klägerin dennoch berechtigten Anlass zu der Annahme haben konnte, das Gericht werde die umstrittene Frage der Bodenwertermittlung gerade auf der Grundlage der Rechtsauffassung des klägerischen Gutachtens lösen, ist weder erkennbar noch von der Beschwerde substantiiert dargelegt worden.Anmerkung
Vorinstanz: Flurbereinigungsgericht Greifswald, Urteil vom 22.01.2003 - 9 K 22/01- RzF - 44 - zu § 64 LwAnpG.