Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 70. Senat, Urteil vom 23.06.2017 - OVG 70 A 1.15 (Lieferung 2019)
Aktenzeichen | OVG 70 A 1.15 | Entscheidung | Urteil | Datum | 23.06.2017 |
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Gericht | Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 70. Senat | Veröffentlichungen | Lieferung | 2019 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies erfordert, dass der Adressat in die Lage versetzt wird, zu erkennen, was von ihm gefordert wird; zudem muss der Verwaltungsakt eine geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Ankaufsansprüche nach § 15 MeAnlG können nicht geltend gemacht werden, soweit ein Bodenordnungsverfahren angeordnet ist. |
2. | Da die Herstellung und Unterhaltung der gemeinschaftlichen Anlagen eine öffentliche Aufgabe ist, die die Teilnehmergemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts wahrzunehmen hat, ist diese verpflichtet, die gemeinschaftlichen Interessen der Teilnehmer gesamtheitlich wahrzunehmen. Aus diesen Gründen ist eine Beteiligung bzw. Mitwirkung der einzelnen Teilnehmer bei der Planaufstellung und Planfeststellung bzw. Plangenehmigung von ihrer Interessenlage her nicht erforderlich. |
3. | Der von der vorläufigen Anordnung betroffene Teilnehmer kann nicht nur deren Dringlichkeit und Erforderlichkeit bestreiten, sondern auch die für das Gestaltungsbedürfnis vorauszusetzende Erforderlichkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der festgestellten gemeinschaftlichen Anlage nach Art. Umfang und finanziellem Aufwand in Abrede stellen, sodass die Planrechtfertigung dieser gemeinschaftlichen Anlage nicht nur inzident zur gerichtlichen Überprüfung gestellt ist. |
4. | Die Sicherung zugesagter - bei Nichtabruf unter Umständen verfallender - öffentlicher Zuschüsse stellt einen im (finanziellen) Interesse aller Teilnehmer bestehenden beachtlichen Dringlichkeitsgrund dar. |
Aus den Gründen
Entgegen der Auffassung der Klägerin unterliegt die von ihr angegriffene vorläufige Anordnung nicht schon formell-rechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Bestimmtheit der Maßnahme. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG Bbg in Verbindung mit § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dies erfordert, dass der Adressat in die Lage versetzt wird, zu erkennen, was von ihm gefordert wird; zudem muss der Verwaltungsakt eine geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2012 - 9 C 13/11 - <= RzF - 72 - zu § 36 Abs. 1 FlurbG>, bei Juris, Rz. 11). Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. November 2012 nicht das Erfordernis stets metergenauer Angaben. Derartige Angaben lagen zwar dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall zu Grunde und sind von ihm als hinreichend gebilligt worden. Daraus folgt aber nicht, dass sich eine ausreichende Bestimmtheit nicht auch auf andere Weise herstellen lässt.
Das ist hier der Fall. Der angefochtene Bescheid benennt die von der Maßnahme betroffenen Flurstücke der Klägerin einzeln und beziffert die dauernd entzogene Fläche quadratmetergenau, wobei es auf sich beruhen mag, wie die Differenz der in den vom Beklagten eingereichten Katasterunterlagen ausgewiesenen Verkehrsfläche von 5.587 m² - die von der Klägerin in Bezug genommenen Grundbuchauszüge weisen die Verkehrsfläche nicht gesondert aus - und der Angabe der für die Erneuerung der Straße benötigten Fläche von 6.534 m² im Einzelnen zu erklären ist. Welche Teile der bezeichneten Flurstücke betroffen sind, ergibt sich aus den Markierungen in dem dem angefochtenen Bescheid als dessen Bestandteil beigefügten Luftbild. Darüber hinaus ist hier zu berücksichtigen, dass die vorläufige Anordnung der vorgezogenen Umsetzung der Maßnahme 104 des Wege- und Gewässerplans im Sinne von § 41 FlurbG, nämlich dem Ersatzbau des vorhandenen Hauptwirtschaftsweges zwischen K_____ und R_____ dient. Dieser Weg war der Klägerin bekannt und in der Örtlichkeit ohne weiteres erkennbar. Auch wurden durch die Trassenführung sowohl des alten als auch des neuen Weges nur schmale Randstreifen der genannten Flurstücke der Klägerin in Anspruch genommen, so dass hinsichtlich der Bewirtschaftungsmöglichkeiten der verbleibenden Flächen keine nennenswerten Ungewissheiten verbleiben konnten. Überdies ist der Klägerin im angefochtenen Bescheid ausdrücklich angeboten worden, die benötigten Flächen in der Örtlichkeit anzuzeigen, so dass die Klägerin bei etwaigen Unsicherheiten letzte Klarheit hätte erlangen können.
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Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend, dass die Voraussetzungen der Plangenehmigung nach § 41 Abs. 4 Satz 1 FlurbG nicht vorgelegen hätten, weil der Beklagte mit Blick auf ihren Widerspruch gegen die Wertermittlung nicht davon habe ausgehen dürfen, dass mit Einwendungen gegen den zu genehmigenden Plan nicht zu rechnen gewesen sei. Ihre Auffassung, mit Einwendungen seien nicht die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange sondern der betroffenen Privateigentümer gemeint, beruht auf einem Rechtsirrtum (vgl. Wingerter in Flurbereinigungsgesetz, Standardkommentar, 9. Aufl., § 41, Rz. 22, m.w.N.). Bei der Aufstellung des Plans nach § 41 FlurbG ist die Klägerin nicht zu beteiligen gewesen. Der Wege- und Gewässerplan ist von der Flurbereinigungsbehörde aufzustellen und mit den Trägern öffentlicher Belange einschließlich der landwirtschaftlichen Berufsvertretung (§ 109 FlurbG) in einem Anhörungstermin zu erörtern (§ 41 Abs. 1 und 2 Satz 1 FlurbG), das Ergebnis der Planüberprüfung durch die obere Flurbereinigungsbehörde, der Planfeststellungsbeschluss oder die Plangenehmigung, ist dem Träger des Vorhabens und dem Vorstand der Teilnehmergemeinschaft mit Rechtsbehelfsbelehrung zuzustellen (§ 41 Abs. 6 FlurbG). Da die Herstellung und Unterhaltung der gemeinschaftlichen Anlagen eine öffentliche Aufgabe ist (§§ 2 Abs. 1 und 2, § 18 Abs. 1 Satz 2, § 42 Abs. 1 Satz 1 FlurbG), die die Teilnehmergemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 16 Satz 2 FlurbG) wahrzunehmen hat, ist diese verpflichtet, die gemeinschaftlichen Interessen der Teilnehmer gesamtheitlich wahrzunehmen. Aus diesen Gründen ist eine Beteiligung bzw. Mitwirkung der einzelnen Teilnehmer bei der Planaufstellung und Planfeststellung bzw. Plangenehmigung von ihrer Interessenlage her nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1986 - 5 C 40/84 - <= RzF - 51 - zu § 36 Abs. 1 FlurbG>, bei Juris, Rz. 28 f., 32, nachfolgend bestätigt durch BVerfG, Beschluss vom 11. Mai 1989, - 1 BvR 581/86 -, juris).
Zwar ist dem Rechtsschutzbedürfnis des einzelnen Teilnehmers dadurch Rechnung zu tragen, dass er sich gegen den Wege- und Gewässerplan nicht nur gemeinsam mit einem Rechtsbehelf gegen den Flurbereinigungsplan bzw. Bodenordnungsplan, sondern auch insoweit wenden kann, als er gegen eine den Vorausbau ermöglichende vorläufige Anordnung vorgeht (vgl. BT-Drs. 7/4169 zu Nr. 28). Insoweit kann der von der vorläufigen Anordnung betroffene Teilnehmer nicht nur deren Dringlichkeit und Erforderlichkeit bestreiten, sondern auch die für das Gestaltungsbedürfnis vorauszusetzende Erforderlichkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der festgestellten gemeinschaftlichen Anlage nach Art. Umfang und finanziellem Aufwand in Abrede stellen, so dass die Planrechtfertigung dieser gemeinschaftlichen Anlage nicht nur inzidenter zur gerichtlichen Überprüfung gestellt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1986, a.a.O. <= RzF - 51 - zu § 36 Abs. 1 FlurbG>, Rz. 39; Senatsurteil vom 15. Dezember 2016 - 70 A 7.13 -, EA 25).
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Anmerkung
Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.02.2018 - BVerwG 9 B 26.17 - = RzF - 25 - zu § 63 Abs. 2 LwAnpG