Flurbereinigungsgericht München, Beschluss vom 28.01.2008 - 13 AS 07.2777 = KommunalPraxis Bayern 2008, 184 (Leitsatz) (Lieferung 2009)
Aktenzeichen | 13 AS 07.2777 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 28.01.2008 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht München | Veröffentlichungen | = KommunalPraxis Bayern 2008, 184 (Leitsatz) | Lieferung | 2009 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Aufgrund vergleichbarer Enteignungsbetroffenheit sind vor der Anordnung einer Unternehmensflurbereinigung zur Umsetzung eines (Straßen-)Bebauungsplans neben den voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümern auch die Pächter der in der Trasse liegenden Grundstücke aufzuklären. Dabei ist eine Bezugnahme auf frühere Aufklärungsveranstaltungen eines beendeten Verfahrens grundsätzlich nur möglich, wenn das neu zur Anordnung vorgesehene Flurbereinigungsverfahren mit dem damaligen Flurbereinigungsverfahren identisch ist. Bei einer Änderung des Verfahrensgebiets ist dies regelmäßig nicht der Fall. |
Aus den Gründen
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Der Antrag ist zulässig. Insbesondere liegt beim Antragsteller die erforderliche Antragsbefugnis vor (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Zur Bejahung der Antragsbefugnis ist es als ausreichend anzusehen, dass der Antragsteller die Möglichkeit einer materiellen Betroffenheit durch den angefochtenen Verwaltungsakt geltend machen kann (vgl. hierzu z.B. BVerwG vom 23.6.1983 RdL 1983, 321; vom 6.5.1991 RdL 1991, 324; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2007, RdNr. 66 zu § 42; Happ in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 93 zu § 42). Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Allerdings ergibt sich eine die Antragsbefugnis begründende Rechtsbetroffenheit nicht bereits aufgrund der Stellung als Nebenbeteiligter am Flurbereinigungsverfahren im Sinn von § 10 Nr. 2 Buchst. d FlurbG (BVerwG vom 23.6.1983 und vom 6.5.1991 jeweils a.a.O.). Auch aus der Tatsache, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung im Fachplanungsrecht die Klagebefugnis von Pächtern mittlerweile regelmäßig bejaht (so z.B. BVerwG vom 1.9.1997 BVerwGE 105, 178; vom 27.11.1996 NVwZ 1997, 917), lässt sich in Bezug auf die vorliegende Anordnung eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens nach § 87 FlurbG nicht zwangsläufig auf das Bestehen einer Antragsbefugnis dieses Personenkreises schließen. Die mögliche materielle Betroffenheit des Antragstellers ist aber daraus herzuleiten, dass er als Pächter der in der vorgesehenen Trasse der geplanten Umgehungsstraße liegenden Einlageflurstücke 169, 287, 335, 335/1, 369 und 369/3 durch die Anordnung der Unternehmensflurbereinigung A.-Nord in seinem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Pacht- bzw. Besitzrecht (vgl. BVerfG vom 26.5.1993 NJW 1993, 2035) tangiert wird (so bereits BayVGH vom 8.11.2007 Az. 13 A 07.184).
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Der Antrag ist auch begründet.
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Der Antragsteller hat Anspruch auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines mit Schreiben vom 6. September 2007 erhobenen Widerspruchs, da die vom Gericht vorzunehmende Abwägung der jeweiligen Interessen unter Berücksichtigung der summarisch überprüften Erfolgsaussichten des Widerspruchs, soweit sie sich im Entscheidungszeitpunkt übersehen lassen, ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses gegenüber dem Vollzugsinteresse ergibt (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO kommen Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung zu. Hat die Behörde, um diese Rechtsfolge auszuschließen, den sofortigen Vollzug nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet, wie dies in dem angefochtenen Flurbereinigungsbeschluss geschehen ist, so kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung wiederherstellen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Mit der Schaffung des § 80 VwGO hat der Gesetzgeber dem Anspruch des Bürgers auf eine tatsächliche wirksame gerichtliche Kontrolle im Sinn des Art. 19 Abs. 4 GG Rechnung getragen. Ohne den Suspensiveffekt verwaltungsprozessualer Rechtsbehelfe würde Verwaltungsrechtsschutz wegen der notwendigen Verfahrensdauer häufig hinfällig (BVerfG vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166). Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen im Verwaltungsprozess aber nicht schlechthin. Das Gericht trifft vielmehr eine originäre Entscheidung durch Abwägung der gegensätzlichen berechtigten Interessen. Dabei ist auch auf den voraussichtlichen Erfolg des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs in der Weise abzustellen, als summarisch zu prüfen ist, ob der Widerspruch nach dem Vortrag der Antragstellerseite erfolgreich sein wird oder nicht. Erweist sich nämlich, dass der Verwaltungsakt zu Unrecht angegriffen wird, muss in der Regel das Interesse des Betroffenen an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zurückstehen (BVerfG vom 11.2.1982 BayVBl 1982, 276).
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Die in dem angegriffenen Flurbereinigungsbeschluss vom 8. August 2007 im öffentlichen Interesse erfolgte behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts ist – entgegen der Auffassung des Antragstellers – ausreichend begründet. Insbesondere genügen die angeführten fallbezogenen und nicht lediglich formelhaften Aspekte, vor allem in Bezug auf die von der derzeitigen Verkehrssituation ausgehende Gefährdung der Anwohner und Verkehrsteilnehmer sowie die Notwendigkeit der Durchführung der Vorstandswahl, den gesetzlichen Anforderungen von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (so bereits BayVGH vom 18.9.2006 RdL 2006, 334).
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Die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten des vom Antragsteller erhobenen Widerspruchs ergibt jedoch, dass dieser voraussichtlich Erfolg haben dürfte, weil der angegriffene Flurbereinigungsbeschluss rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
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Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 FlurbG kann auf Antrag der Enteignungsbehörde ein (Unternehmens-) Flurbereinigungsverfahren eingeleitet werden, wenn aus besonderem Anlass eine Enteignung zulässig ist, durch die ländliche Grundstücke in großem Umfang in Anspruch genommen würden und der den Betroffenen entstehende Landverlust auf einen größeren Kreis von Eigentümern verteilt oder Nachteile für die allgemeine Landeskultur, die durch das Unternehmen entstehen, vermieden werden sollen. Der zur Verfahrenseinleitung erforderliche Antrag der Enteignungsbehörde wurde vom Landratsamt L. mit Schreiben vom 14. Juni 2007 gestellt. Damit ist dem gesetzlich vorgesehenen Antragserfordernis genügt.
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Das fehlende Einvernehmen der landwirtschaftlichen Berufsvertretung steht der Anordnung des Verfahrens nicht entgegen. Da es in dem angeordneten Verfahren aufgrund des bereits erfolgten Flächenerwerbs nicht zu einem Landabzug kommen dürfte, ist das Einvernehmen gemäß § 87 Abs. 1 Satz 2 FlurbG wegen Wegfall des Schutzzwecks nicht erforderlich (Hegele in Seehusen/Schwede, FlurbG, 7. Aufl. 1997, RdNr. 11 zu § 87).
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Keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Flurbereinigungsbeschlusses bestehen auch im Hinblick auf den von § 87 Abs. 1 Satz 1 FlurbG vorausgesetzten größeren Flächenbedarf. Die im vorliegenden Unternehmensverfahren aufgrund der Verkehrsflächenfestsetzungen im Bebauungsplan benötigte – zumeist landwirtschaftlich genutzte – Fläche beträgt ca. 11 ha. Damit liegt eine Inanspruchnahme von "ländlichen Grundstücken in großem Umfang" vor, die die Einleitung eines Flurbereinigungsverfahrens nach § 87 Abs. 1 FlurbG rechtfertigt (vgl. auch Hegele, a.a.O., RdNr. 7 zu § 87).
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Es bestehen jedoch durchgreifende Bedenken bezüglich der Durchführung einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Aufklärung der voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer und enteignungsbetroffenen Pächter von in der Trasse liegenden Grundstücken nach § 88 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 FlurbG.
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Im vorliegenden Fall soll die Enteignung mittels Unternehmensflurbereinigung zur Umsetzung des vom Markt A. erlassenen (Straßen-)Bebauungsplans "Nordumfahrung A." auf der Grundlage fachgesetzlicher Ermächtigung erfolgen. Im Unterschied zur Planfeststellung entfaltet ein Bebauungsplan jedoch keine enteignungsrechtlichen Vorwirkungen, d.h. die Zulässigkeit der Enteignung folgt nicht unmittelbar aus dem Bauleitplan (BVerwG vom 11.3.1998 NVwZ 1998, 845; BayVGH vom 24.5.2004 VGH n.F. 58, 155). Der Beginn der Enteignung durch eine Unternehmensflurbereinigung wird markiert durch deren Anordnung (BVerfG vom 24.3.1987 BVerfGE 74, 264, 282 – Boxberg). Diese besitzt Eingriffscharakter (BVerfG vom 22.5.2001 BVerfGE 104, 1, 10; vom 24.3.1987 BVerfGE 74, 264, 279; BGH vom 2.9.1999 NVwZ 2000, 230; BayVGH vom 18.9.2006 BayVBl 2007, 180 = RdL 2006, 334). Aufgrund dessen bedarf es bei der Anordnung einer Unternehmensflurbereinigung zur Umsetzung eines (Straßen-)Bebauungsplans zusätzlich zum Vorliegen einer allgemeinen gesetzlichen Enteignungsermächtigung der Prüfung der konkreten einzelfallbezogenen Enteignungszulässigkeit (BayVGH a.a.O.). Aus dem das Eigentumsrecht der Grundstückseigentümer unmittelbar berührenden Entscheidungsinhalt eines Anordnungsbeschlusses (auch im Regelflurbereinigungsverfahren) – der ihnen eine Widerspruchsbefugnis vermittelt – ergibt sich ohne Weiteres, dass er von den Teilnehmern als den Eigentümern der zum Flurbereinigungsgebiet gehörenden Grundstücke (§ 10 Nr. 1 FlurbG) angefochten werden kann (so z.B. BVerwG vom 6.5.1991 a.a.O.). Enteignungsbetroffene der Unternehmensflurbereinigung aufgrund eines (Straßen-)Bebauungsplans können aber auch die Pächter von in der Trasse der geplanten Kreisstraße liegenden Grundstücken sein, da bei diesen Flächen (fach-)planungsrechtlich fest steht, dass eine unveränderte (Wieder-)Zuteilung an den Eigentümer und damit die Fortsetzung des Pachtverhältnisses (§ 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG) dort ausscheidet. Dies kann dazu führen, dass der Pächter einen – von den Ansprüchen des Grundstückseigentümers unabhängigen – eigenständigen Entschädigungsanspruch etwa nach § 88 Nr. 4 FlurbG erlangt (s. allg. zur Enteignungsentschädigung bei Pachtverhältnissen z.B. BGH vom 2.10.2003 NJW 2004, 281; Hegele, a.a.O., RdNrn. 25 und 26 zu § 88).
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Diese unmittelbare materielle Enteignungsbetroffenheit des Pächters führt zunächst dazu, dass ihm verfahrensrechtlich die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes gegen den behördlichen Akt, der die Zulässigkeit der Enteignung feststellt, eingeräumt wird. Dieser Akt ist hier die mit Beschluss des ALE vom 8. August 2007 erfolgte Anordnung der Unternehmensflurbereinigung A.-Nord. Würde dem Pächter ein Anfechtungsrecht in Bezug auf die Anordnung dieser Unternehmensflurbereinigung verweigert, hätte dies zur Folge, dass für ihn die dabei stattfindende Überprüfung und Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen einer Enteignung im Einzelfall vorliegen, nicht justiziabel wäre und späteren Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Enteignung im Einzelfall – z.B. im Verfahren zur Festsetzung der Entschädigung nach § 88 Nr. 4 FlurbG – die Bestandskraft der Anordnung entgegen stünde. Damit wäre dem Pächter die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der Enteignungszulässigkeit verschlossen. Dies ist im Hinblick auf die Eingriffsintensität einer Enteignung und die Grundrechtsrelevanz des betroffenen Rechtguts (s. hierzu BVerfG vom 26.5.1993 a.a.O.) mit den Erfordernissen des in Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich verankerten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz nicht zu vereinbaren.
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Die dargestellte materielle Enteignungsbetroffenheit hat aber auch zur Folge, dass die Pächter von in der Trasse liegenden Grundstücken bei verfassungskonformer die Bedeutung von Art. 14 Abs. 1 GG für den Gehalt verwaltungsverfahrensrechtlicher Bestimmungen berücksichtigender Auslegung (s. hierzu z.B. BVerfG vom 20.12.1979 BVerfGE 53, 30, 71 ff. = NJW 1980, 759 – Mülheim-Kärlich) der Regelungen in § 88 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 FlurbG zu dem vor der Anordnung der Unternehmensflurbereinigung aufzuklärenden Personenkreis zu zählen und insoweit mit den Grundstückseigentümern gleich zu stellen sind. Neben den voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümern sind demzufolge auch die Pächter der in der Trasse liegenden Flächen vor der Anordnung der Flurbereinigung in geeigneter Weise über das geplante Verfahren und dessen besonderen Zweck sowie über die voraussichtlich entstehenden Kosten zu informieren. Dies ist jedoch unterblieben. Adressaten des vom ALE im Juni 2007 versandten Rundbriefs waren ausschließlich die betroffenen Grundstückseigentümer. Die im Jahr 2006 vor der Anordnung des Verfahrens A. IV durchgeführten Aufklärungsmaßnahmen richteten sich ebenfalls nur an diese.
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Soweit eine Information der Pächter über die Grundstückseigentümer in ihrer Stellung als Verpächter als möglich und ausreichend erachtet würde, könnte im vorliegenden Fall gleichwohl nicht von einer ausreichenden Aufklärung der Pächter ausgegangen werden, da bereits die notwendige Aufklärung der Eigentümer den rechtlichen Anforderungen nicht genügte.
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Die Form der Aufklärung steht im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde und hängt weitgehend von den örtlichen Verhältnissen und den Umständen des geplanten Flurbereinigungsverfahrens ab (BVerwG vom 28.12.1959 RdL 1960, 166; vom 15.12.1983 RdL 1984, 67; Hegele, a.a.O., RdNr. 2 zu § 5).
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In den Bestimmungen der Arbeitshilfen und Vorschriften für die Ländliche Entwicklung in Bayern – AVLE – (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 11.1.1994, Allgemeines Ministerialblatt 1994, 150; siehe auch LMS vom 18.3.2004 Nr. E 4/R 3-7500-1230), Nr. 5.22 der AVLE IV – Verfahrensrechtliche Vorschriften – (2. Aufl. 1981), ist hierzu vorgesehen, dass die Flurbereinigungsbehörde zur Aufklärung der voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer in den zur Flurbereinigung heranstehenden Gemeinden eine Aufklärungsversammlung veranstaltet, zu der zwei Wochen vorher durch öffentliche Bekanntmachung einzuladen ist. Eine Aufklärungsversammlung zur Anordnung des Verfahrens A.-Nord hat hier nicht stattgefunden. Die Verwaltungsvorschrift, die darauf abzielt, die Ermessensausübung der Flurbereinigungsbehörden im Freistaat Bayern vereinheitlichend zu steuern, bewirkt jedoch eine rechtliche Bindung des Ermessens (s. hierzu BayVGH vom 5.6.2002 13 AS 02.864 = RzF 37 zu § 4 <Anm. d. Schriftlt.: Lies RzF - 37 - zu § 4 FlurbG>, insoweit nicht wiedergegeben; Rennert in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 28 zu § 114) und lässt ein Abweichen von der dadurch vorgegebenen Verfahrensweise nur noch in besonderen atypischen Ausnahmefällen zu (so z.B. Rennert a.a.O.). Dass hier ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist nicht ersichtlich. Zwar hat das ALE anlässlich der Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens A. IV, das dann nach der mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2006 erfolgten Aufhebung des Flurbereinigungsbeschlusses wieder beendet wurde, am 3. März und 23. Mai 2006 Aufklärungsversammlungen durchgeführt. Ein Verzicht auf die nach Nr. 5.22 AVLE IV vor der Anordnung des Verfahrens A.-Nord grundsätzlich durchzuführende Aufklärungsversammlung unter Verweis auf die im Zusammenhang mit der Anordnung des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens A. IV erfolgten Veranstaltungen war aber im vorliegenden Fall nicht möglich.
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Dies ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass das Flurbereinigungsverfahren, in dem Aufklärungsversammlungen stattgefunden haben, später formal beendet wurde und keine Rechtswirkungen mehr zeitigt. Voraussetzung für eine Bezugnahme auf frühere im Zusammenhang mit der Einleitung eines anderen Flurbereinigungsverfahrens erfolgte Aufklärungsmaßnahmen zur Erfüllung der in § 5 Abs. 1 FlurbG vorgesehenen behördlichen Aufklärungsverpflichtungen ist aber grundsätzlich, dass es sich in den wesentlichen ein Verfahren bestimmenden Eckpunkten, wie die Abgrenzung des Verfahrensgebiets, die Verfahrenszielsetzung usw., um identische Verfahren handelt. Denn nur dadurch ist gewährleistet, dass dem hier in § 88 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 FlurbG verankerten Informationsanspruch der betroffenen Grundstückseigentümer ausreichend Rechnung getragen wird. Diesen Anforderungen wird die im vorliegenden Verfahren praktizierte Verfahrensweise nicht gerecht. Das Flurbereinigungsverfahren A.-Nord ist – obwohl dies im Rundbrief des Antragsgegners vom Juni 2007 fälschlich so dargestellt wurde – hinsichtlich der Abgrenzung und der Verfahrensgebietsfläche, d.h. der einbezogenen Grundstücke, nicht mit dem Flurbereinigungsverfahren A. IV identisch. Zum Verfahrensgebiet des Verfahrens A.-Nord wurden jedenfalls zusätzlich die (Wege-)Flurstücke 369/2 und 379/3 mit einer Fläche von insgesamt 0,4416 ha beigezogen, so dass sich die Zahl der verfahrensbetroffenen Flurstücke auf 83 und die Verfahrensgebietsfläche von 90,0672 ha auf 90,5817 ha erhöht hat. Daneben wurde das Flurstück 369/3, das zwar in der Gebietskarte des Verfahrens A. IV als innerhalb des Verfahrensgebiets liegend dargestellt, aber in der Flurstücksliste und bei der Ermittlung der Zahl der betroffenen Flurstücke bzw. der Berechnung der Verfahrensgebietsfläche nicht erfasst war, nunmehr ausdrücklich auch in der Flurstücksaufzählung und bei der Berechnung der Verfahrensgebietsfläche berücksichtigt. Da es sich zumindest bei der Vergrößerung des Verfahrensgebiets nicht um eine nur marginale Änderung handelt, liegt ein anderes (neues) Verfahren vor, bei dem nicht ausnahmsweise unter Verweis auf die zur Vorbereitung des Verfahrens A. IV durchgeführten Aufklärungsversammlungen von den in Nr. 5.22 der AVLE IV enthaltenen Vorgaben abgesehen werden konnte. Darauf deutet im Übrigen auch die Verwendung eines anderen Namens zur Bezeichnung des Verfahrens hin.
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Soweit angenommen wird, dass kleinere Überschreitungen des in der Aufklärungsversammlung angegebenen Gebiets durch das spätere Flurbereinigungsgebiet unschädlich seien (siehe Hegele, a.a.O., RdNr. 6 zu § 5 unter Verweis auf HessVGH vom 19.3.1980 F 61/76 = RzF 13 zu § 5 Abs. 1 <Anm. d. Schriftlt.: Lies RzF - 13 - zu § 5 Abs. 1 FlurbG>), kann dies nicht auf das streitgegenständliche Verfahren übertragen werden. Der genannten Entscheidung liegt ein Fall zugrunde, in dem sich – im Gegensatz zu der hier vorliegenden Fallkonstellation – eine wesentliche Änderung des Flurbereinigungsgebiets (erst) nach Durchführung einer Aufklärungsversammlung ergeben hat. Hiervon abgesehen zeichnet sich der vorliegende Fall zudem noch dadurch aus, dass gegenüber den voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümern in dem Rundschreiben vom Juni 2007, das deren einzige Information zum vorgesehenen Verfahren A.-Nord durch das ALE ist, der – objektiv unzutreffende – Eindruck erweckt wurde, an der Abgrenzung des Verfahrensgebiets habe sich nichts geändert. Im Übrigen ist auch die auf der Rückseite des Rundbriefs abgedruckte Übersichtskarte nicht geeignet, die voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer über den Umgriff des geplanten Verfahrens A.-Nord in ausreichender Weise zu informieren, da sie z.B. die Einbeziehung der Flurstücke 369/2 und 379/3 nicht erkennen lässt und die Gebietsabgrenzung im Bereich der Zuwegungen zum Flurstück 292 – soweit ersichtlich – unzureichend dargestellt ist.
Nach summarischer, aber im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch ausreichender Prüfung ist dieses Abweichen von der durch die Verwaltungsvorschrift für das ALE bindend vorgegebenen Verfahrensweise rechtsfehlerhaft, da es den in Art. 40 BayVwVfG geregelten gesetzlichen Vorgaben für die Ausübung behördlichen Ermessens widerspricht (zur Prüfungskompetenz des Gerichts s. § 114 Satz 1 VwGO). Der Flurbereinigungsbeschluss vom 8. August 2007 ist damit zwar nicht nichtig (vgl. HessVGH vom 19.11.1961 = RzF 3 zu § 5 Abs. 1 <Anm. d. Schriftlt.: Lies RzF - 3 - zu § 5 Abs. 1 FlurbG>; Hegele, a.a.O., RdNr. 6 zu § 5). Er ist jedoch derzeit jedenfalls rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten mit der Folge, dass der mit Schreiben vom 6. September 2007 erhobene Widerspruch nach gegenwärtiger Sach- und Rechtslage als voraussichtlich erfolgreich anzusehen ist und das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse überwiegt. Das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes verlangt in diesem Fall die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs.