RzF - 37 - zu § 4 FlurbG

Flurbereinigungsgericht München, Beschluss vom 05.06.2002 - 13 AS 02.864

Aktenzeichen 13 AS 02.864 Entscheidung Beschluss Datum 05.06.2002
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Verwaltungsvorschriften stellen bloßes Innenrecht dar; ihre ermessensbindene Wirkung erstreckt sich nur auf die dort geregelten Konstellationen.

Aus den Gründen

Der auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 11. September 2001 (gegen die Änderung des Flurbereinigungsgebiets) gerichtete Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 80 Abs. 1 VwGO kommen Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung zu. Hat die Behörde, um diese Rechtsfolge auszuschließen, den sofortigen Vollzug nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet, wie dies hier mit Beschluss vom 20. März 2002 (erneut) geschehen ist, so kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung wiederherstellen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Mit der Schaffung des § 80 VwGO hat der Gesetzgeber dem Anspruch des Bürgers auf eine tatsächliche wirksame gerichtliche Kontrolle i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG Rechnung getragen. Ohne den Suspensiveffekt verwaltungsprozessualer Rechtsbehelfe würde Verwaltungsrechtsschutz wegen der notwendigen Verfahrensdauer häufig hinfällig (BVerfG vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/178).

Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen im Verwaltungsprozess aber nicht schlechthin. Das Gericht trifft vielmehr seine Entscheidung durch Abwägung der gegensätzlichen berechtigten Interessen. Dabei darf auch auf den voraussichtlichen Erfolg des in der Hauptsache eingelegten Rechtsmittels in der Weise abgestellt werden, als summarisch zu prüfen ist, ob der Widerspruch nach dem Vortrag der Antragsteller erfolgreich sein wird oder nicht. Erweist sich nämlich, dass der Verwaltungsakt zu Unrecht angegriffen wird, muss in der Regel das Interesse des Betroffenen an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zurückstehen (BVerfG vom 11.02.1982 BayVBl 1982, 276). So aber liegt der Fall hier.

Die DLE ... hat die Anordnung des sofortigen Vollzuges nunmehr in einer dem gesetzlichen Erfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet. Sie stellte auf das Interesse der Landwirte ab, möglichst bald den Weg zur Staatsstraße ..., dessen Anlage erst durch die nachträgliche Beiziehung möglich ist, nutzen zu können. Des Weiteren wird auf den Verfahrensstand verwiesen, wonach noch im Herbst 2002 die vorläufige Besitzeinweisung erfolgen solle. Damit ist der entscheidende Sachverhalt dargelegt; die die sofortige Vollziehung tragenden Gründe sind ausreichend angesprochen. Der Anordnung steht auch nicht entgegen, dass das Gericht mit Beschluss vom 26. Februar 2002 die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses vom 15. August 2001 aufgehoben hatte (Az. 13 AS 02.57). Da die Aufhebung allein wegen eines Formverstoßes erfolgte, war die DLE ... nicht am Erlass einer neuen Vollziehungsanordnung mit neuer Begründung gehindert (Jörg Schmidt in Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, RdNr. 93 zu § 80; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, RdNr. 87 zu § 80).

Im Rahmen der dann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Überprüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich der Beschluss der DLE zur geringfügigen Änderung des Verfahrensgebietes vom 15. August 2001 als voraussichtlich rechtmäßig, so dass das Interesse der Antragsteller an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs als nachrangig gegenüber dem Interesse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO anzusehen ist.

Insbesondere dürften die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 FlurbG vorliegen. Nach dieser Vorschrift kann die Flurbereinigungsbehörde geringfügige Änderungen des Flurbereinigungsgebietes anordnen. Dabei enthält § 8 FlurbG nur Verfahrensvorschriften; die materiellen Voraussetzungen richten sich nach den § 1 und § 37 FlurbG. Die formellen Voraussetzungen liegen vor. Die DLE ist nach Art. 1 Abs. 3 des Gesetzes zur Ausführung des Flurbereinigungsgesetzes - AGFlurbG - die auch für eine geringfügige Änderung zuständige Flurbereinigungsbehörde. Die Vergrößerung des Flurbereinigungsgebiets um 24,4602 ha, das sind rund 4 Prozent der ursprünglichen Fläche, ist als geringfügig anzusehen. Der Beschluss wurde zudem entsprechend § 8 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 4 Halbsatz 2 FlurbG begründet und nach § 8 Abs. 1 Satz 3 FlurbG den beteiligten Grundstückseigentümern mitgeteilt.

Aber auch die Voraussetzungen des § 1 FlurbG, die auch bei den auf Grund des § 8 Abs. 1 FlurbG nachträglich hinzugenommenen Flächen gegeben sein müssen (BVerwG vom 05.04.1972 AgrarR 1972, 151), liegen vor. Im Beschluss vom 15. August 2001 wird die Gebietsänderung insbesondere begründet mit dem Erfordernis eines durchgehend ausgebauten Wirtschaftsweges bis zur Staatsstraße ... . Die Gestaltung des Wegenetzes ist aber nach § 37 Abs. 1 Satz 1 FlurbG eine Aufgabe der Flurbereinigung. Daneben ist, wie sich aus den vorgelegten Karten ergibt, der Grundbesitz im "Unteren Grund" zersplittert, so dass eine Neugestaltung sich als zweckmäßig darstellt. Damit hat die DLE schlüssig dargelegt, dass sie die Gebietsänderung aus sachbezogenen, am Flurbereinigungsgesetz orientierten Gründen für erforderlich gehalten hat. Ob zudem eine Entwässerung des Gebietes am E.-bach wünschenswert wäre, ändert an der dargelegten Erforderlichkeit nichts.

Die von den Antragstellern erhobenen Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Änderungsbeschlusses greifen im Rahmen der hier gebotenen summarischen Prüfung nicht durch. Insbesondere ist nicht entscheidend, ob jeder Teilnehmer einen Vorteil durch die angestrebten Maßnahmen erlangt. Abzustellen ist vielmehr darauf, dass ebenso wie bei der anfänglichen Abgrenzung des Flurbereinigungsgebietes der Zweck der Flurbereinigung möglichst vollkommen erreicht wird (§ 7 Abs. 1 Satz 2 FlurbG). Es genügt deshalb, wenn sich die nachträgliche Änderung als geeignet erweist, den Flurbereinigungserfolg im gesamten Planungsraum zu fördern. Nicht erforderlich ist, dass sie zwingend notwendig ist. Bei der Feststellung des Beteiligteninteresses kommt es damit nicht auf das Einzelinteresse der Antragsteller an. Dass ein durchgehend ausgebauter Wirtschaftsweg jedenfalls grundsätzlich eine Erleichterung für die Bewirtschaftung bedeuten kann, wird auch von den Antragstellern nicht in Frage gestellt. Objektiv gesehen, kann auch eine Entlastung der Staatsstraße ... eintreten. Ob eine bessere Flureinteilung und zweckmäßige Zusammenlegung der Grundstücke erreicht werden kann, wird letztlich erst im Rahmen der Neuverteilung - dem Flurbereinigungsplan - entschieden werden können. Dass dies jedoch jedenfalls für einzelne Teilnehmer möglich ist, räumen auch die Antragsteller ein.

Anmerkung