Flurbereinigungsgericht Frankfurt (Oder), Beschluss vom 10.07.2000 - 8 B 74/00.G
Aktenzeichen | 8 B 74/00.G | Entscheidung | Beschluss | Datum | 10.07.2000 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Frankfurt (Oder) | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Auch im Eilverfahren ist richtiger Rechtsweg gegen eine vorläufige Anordnung nach § 36 FlurbG zum Wegebau der zum Flurbereinigungsgericht, nicht der Zivilrechtsweg. |
2. | Eine vorläufige Anordnung nach § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 36 Abs. 1 FlurbG zur Realisierung des Vorausbaus gemeinschaftlicher Anlagen nach § 42 Abs. 1 Satz 2 FlurbG setzt voraus, dass für diese Anlagen der Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischem Begleitplan festgesetzt oder genehmigt ist. Daran fehlt es, wenn die vorläufige Anordnung und die Anlage, deren Realisierung mit der vorläufigen Anordnung durchgesetzt werden soll, von dem genehmigten Plan abweicht. |
3. | Auch eine unwesentliche Änderung des Wege- und Gewässerplans erfordert mindestens einen Planänderungsbeschluss. |
Aus den Gründen
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat Erfolg.
Er ist gemäß § 80a Abs. 1 und 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässig. Dem Antragsteller fehlt ungeachtet der vor dem Amtsgericht gegen den Antragsgegner erwirkten einstweiligen Verfügung nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse an der begehrten Entscheidung. Die vorläufige Anordnung, um deren Vollziehung es hier geht, ermöglicht der Beigeladenen den (weiteren) Ausbau des Weges gerade ohne das Einverständnis des Antragstellers, dessen Fehlen das Amtsgericht zum Anlass genommen hat, den Rückbau des Weges anzuordnen. Im übrigen spricht einiges dafür, dass die - noch nicht rechtskräftige - Entscheidung des Amtsgerichts ohnehin keinen Bestand haben wird, weil es sich insoweit um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt, die in die Zuständigkeit des Flurbereinigungsgerichts fällt (§ 60 LwAnpG i.V.m. § 140 FlurbG und § 40 Abs. 1 VwGO).
Der Antrag ist auch begründet. Maßstab der gerichtlichen Entscheidung ist insoweit eine umfassende Interessensabwägung. Das Gericht prüft im Falle einer behördlich angeordneten sofortigen Vollziehung, ob das öffentliche Interesse und ggf. das private Interesse eines sonstigen Beteiligten an der sofortigen Vollziehung der vorläufigen Anordnung schwerer wiegt als das private Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens von einer Vollziehung verschont zu bleiben. In diese Interessenabwägung fließen auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit bzw. die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, der vollzogen werden soll, als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte ein.
Mit Blick auf diesen Maßstab überwiegt im vorliegenden Fall das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, weil an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Anordnung vom 13. März 2000 ernsthafte und durchgreifende Zweifel bestehen.
Es spricht Überwiegendes dafür, dass die materiellen Voraussetzungen für eine vorläufige Anordnung nach § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 36 Abs. 1 FlurbG nicht vorliegen. Zufolge § 36 Abs. 1 Satz 1 FlurbG kann eine vorläufige Anordnung unter anderem erlassen werden, wenn es aus dringenden Gründen erforderlich wird, vor der Ausführung des Flurbereinigungsplans - hier des Bodenordnungsplans - den Besitz oder die Nutzung von Grundstücken oder die Ausübung anderer Rechte zu regeln. Im Unterschied zur vorläufigen Besitzregelung nach § 61a LwAnpG sowie zur vorläufigen Besitzanweisung nach § 65 Abs. 1 FlurbG, die grundsätzlich darauf gerichtet sind, einen bereits geplanten Zustand vor Eintritt der rechtlichen Wirkung des Flurbereinigungs- bzw. Bodenordnungsplanes herbeizuführen, bezweckt § 36 Abs. 1 FlurbG nur, eine Zwischenregelung zu ermöglichen, um den Übergang in den neuen Zustand vorzubereiten und zu sichern sowie die Aufstellung des Flurbereinigungsplans bzw. des Bodenordnungsplanes und die Durchführung des Verfahrens zu erleichtern und zu beschleunigen (vgl. Beschluss des Senats vom 21. Juli 1999 - 8 B 73/99.G -, RdL 1999, 273 f.; Hegele in Seehusen/Schwede, Flurbereinigungsgesetz, Kommentar, 7. Auflage 1997, § 36 Rn. 1). Eine solche Zwischenregelung hat der Antragsteller hier getroffen, indem er für eine Teilfläche eines einzelnen Flurstücks eine vorläufige Regelung des Besitzes an dieser Fläche angeordnet hat, um insoweit einen Vorausbau nach § 42 Abs. 1 Satz 2 FlurbG zu ermöglichen. Hierfür bietet, soweit der Eigentümer - wie hier (s.o.) - seine Zustimmung nicht erteilt, die vorläufige Anordnung nach § 36 FlurbG grundsätzlich die geeignete rechtliche Handhabe zur zwangsweisen Durchsetzung (so schon BVerwG, Beschluss vom 6. Februar 1958 - I B 74.57 = RzF - 1 - zu § 36 Abs. 1 FlurbG, Hegele, a.a.O., § 36 Rn. 6; Quadflieg, Recht der Flurbereinigung, Stand 1989, § 36 Anm. 20). Allerdings ist insoweit zu beachten, dass eine vorläufige Anordnung zur Realisierung eines Vorausbaus nach § 42 Abs. 1 Satz 2 FlurbG nur dann erlassen werden darf, wenn neben den dringenden Gründen im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 1 FlurbG auch die rechtlichen Voraussetzungen für den Vorausbau, so wie er mit der vorläufigen Anordnung realisiert werden soll, gegeben sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1986 - 5 C 40.84 -; BVerwGE 74, 1, 12 = RzF - 51 - zu § 36 Abs. 1 FlurbG; BVerwG, Beschluss vom 6. Februar 1958, a.a.O; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. April 1996 - 7 S 3096/95 -; RdL 1996, 261, 262 = RzF - 59 - zu § 36 Abs. 1 FlurbG; und Beschluss vom 5. Oktober 1998 - 7 S 2322/98 -; RdL 1999, 25 f.; BayVGH, Urteil vom 30. November 1978 - 88 XIII 78 = RzF - 41 - zu § 36 Abs. 1 FlurbG; Hegele a.a.O., § 36 Rn. 6; Quadflieg, a.a.O.).
Hier liegen die Voraussetzungen für einen Vorausbau des Weges, dessen Realisierung mit der vorläufigen Anordnung durchgesetzt werden soll, nicht vor. Nach § 42 Abs. 1 Satz 2 FlurbG können gemeinschaftliche Anlagen vor der Ausführung des Flurbereinigungsplans - hier des Bodenordnungsplans - gebaut werden, wenn der Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischem Begleitplan (also der Plan über die gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen nach § 41 Abs. 1 FlurbG) für sie festgestellt ist. Bei dem hier in Rede stehenden Weg handelt es sich um einen landwirtschaftlichen Wirtschaftsweg, der der Erschließung der Feldflur dienen soll, mithin um eine gemeinschaftliche Anlage (vgl. § 39 Abs. 1 FlurbG). Dass auf dem Weg in beschränktem Umfang öffentlicher Verkehr zugelassen werden soll, steht der Einordnung als gemeinschaftliche Anlage nicht entgegen (vgl. Hegele, a.a.O., § 39 Rn. 6). Für diese Anlage ist jedoch ein Plan nach § 41 Abs. 1 FlurbG nicht festgestellt. Zwar ist es für die Zulässigkeit des Vorausbaus unschädlich, dass der Plan vom 28. April 1998 vom seinerzeit zuständigen Ministerium ohne Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens (lediglich) genehmigt worden ist, weil die Genehmigung insoweit einer Planfeststellung im Sinne des § 41 Abs. 3, § 42 Abs. 1 Satz 2 FlurbG gleichzusetzen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1996, a.a.O., Seite 3 f.; BayVGH, Beschluss vom 7. August 1997 - 13 AS 97.2274 = RzF - 16 - zu § 39 FlurbG; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Oktober 1998, a.a.O.). Der genehmigte Plan sieht jedoch einen Weg in der Form, wie sie mit der vorläufigen Anordnung realisiert werden soll und in weiten Teilen offenbar realisiert worden ist, nicht vor. Vielmehr soll der Weg E.-Nr. 117 nach dem genehmigten Plan südlich der sog. Wildflughecke zwischen dieser Hecke und der Grundstücks- und Verfahrensgrenze verlaufen. Die vorläufige Anordnung dient demgegenüber ausweislich ihrer Begründung und der ihr beigefügten Zeichnung der Realisierung eines nördlich der Wildflughecke zur Grundstücksmitte hin versetzt verlaufenden Weges.
Diese Abweichung ist nicht etwa - wie der Antragsgegner offenbar meint - in planungsrechtlicher Hinsicht gänzlich unbeachtlich. Der genehmigte Plan sieht für das Grundstücks des Antragstellers einen Neu- und Ausbau des bereits vorhandenen, an bzw. neben der Grundstücksgrenze verlaufenden Weges in einem Abstand von 1,50 m von der südlichen Grundstücksgrenze vor. Demgegenüber verläuft der Weg, der mit der vorläufigen Anordnung durchgesetzt werden soll, selbst nach den eigenen Angaben des Antragsgegners - für deren Richtigkeit ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Fotos der Örtlichkeit einiges spricht - mindestens 10 m weiter nördlich. Für diese augenfällige Abweichung bietet der genehmigte Plan keine hinreichende Grundlage.
Auf die weiterführende Frage, wie die notwendige planungsrechtliche Grundlage für die geänderte Wegführung nachträglich herbeigeführt werden kann, kommt es nach Lage des Falles nicht an. Zwar spricht einiges dafür, dass es sich insoweit nur um eine im planungsrechtlichen Sinne unwesentliche Änderung handelt. Auch in einem solchen Fall ist jedoch schon aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit ein Planänderungsverfahren erforderlich, um für das geänderte Vorhaben die Rechtswirkungen des § 41 Abs. 5, § 42 Abs. 1 Satz 2 FlurbG herbeizuführen. Dabei kann dahinstehen, ob für unwesentliche Änderungen die Verfahrenserleichterungen nach § 41 Abs. 4 Satz 2 FlurbG oder nach der allgemeinen Regelung des § 76 Abs. 2 und 3 VwVfGBbg Anwendung finden (vgl. hierzu - eine Anwendung des § 41 Abs. 4 Satz 2 FlurbG bejahend - Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 2. Dezember 1988 - 9 C 58/87 = RzF - 5 - zu § 41 Abs. 4 FlurbG; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. August 1978 - VII 2802/78 , AgrarR 1979, S. 55; Kraffert, RdL 1986, 197 f.; anders Hegele in Seehusen/Schwede, a.a.O., § 41 Rn. 27; Quadflieg, a.a.O., § 41 Anm. 193, Hoecht, AgrarR 1983, 85, 87). Sollte § 76 VwVfGBbg Anwendung finden, bedürfte es zumindest eines Planänderungsbeschlusses der Planfeststellungsbehörde, hier des zuständigen Ministeriums (vgl. Obermayer, VwVfG, 3. Auflage 1999, § 76 Rn. 31; Knack, VwVfG, 6. Auflage 1998, § 76 Rn. 5.3). Eine dahingehende Entscheidung ist indes nicht ersichtlich. Sollte § 41 Abs. 4 Satz 2 FlurbG anwendbar sein, wofür einiges sprechen könnte, wäre die dann wohl für die Planänderung zuständige Planaufstellungsbehörde - hier der Antragsgegner - von der Notwendigkeit eines Planfeststellungsverfahrens, nicht jedoch von der förmlichen Planänderung selbst entbunden (vgl. Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 2. Dezember 1988, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. August 1978 - a.a.O; Kraffert, a.a.O, S. 198). Ob ein solcher Planänderungsbeschluss zudem einer Genehmigung der oberen Flurbereinigungsbehörde bedarf (so VGH Baden-Württemberg, a.a.O.), braucht hier nicht vertieft zu werden. Es fehlt schon an einem die veränderte Wegführung erfassenden Planänderungsbeschluss des Antraggegners. Die hier nur erfolgte Berücksichtigung der geänderten Wegeführung im Rahmen der Ausführungsplanung kann eine Änderung des genehmigten Plans nach § 41 Abs. 1 FlurbG nicht ersetzen. Da der Plan nach § 41 Abs. 1 FlurbG Bestandteil des Flurbereinigungsplans wird (§ 58 Abs. 1 Satz 1 FlurbG), kommt es vielmehr darauf an, dass dieser Plan mit den bereits realisierten oder zu realisierenden gemeinschaftlichen Anlagen übereinstimmt.