Flurbereinigungsgericht München, Beschluss vom 28.01.2008 - 13 AS 07.2262 (Lieferung 2009)
Aktenzeichen | 13 AS 07.2262 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 28.01.2008 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht München | Veröffentlichungen | Lieferung | 2009 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Bei der vor der Anordnung der Flurbereinigung vorzunehmenden Aufklärung der voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer ist eine Bezugnahme auf frühere Aufklärungsveranstaltungen eines beendeten Verfahrens grundsätzlich nur möglich, wenn das neu zur Anordnung vorgesehene Flurbereinigungsverfahren mit dem damaligen Flurbereinigungsverfahren identisch ist. Bei einer Änderung des Verfahrensgebiets ist dies regelmäßig nicht der Fall. |
2. | Die Bestimmung über die Abhaltung einer Aufklärungsversammlung in den Arbeitshilfen und Vorschriften für die Ländliche Entwicklung in Bayern -AVLE IV-, 2. Auflage 1981, ist eine Verwaltungsvorschrift. Diese Verwaltungsvorschrift, die darauf abzielt, die Ermessensausübung der Flurbereinigungsbehörden im Freistaat Bayern vereinheitlichend zu steuern, bewirkt eine rechtliche Bindung des Ermessens und lässt ein Abweichen von der dadurch gegebenen Verfahrensweise nur noch in besonderen atypischen Ausnahmefällen zu. |
Aus den Gründen
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Es bestehen jedoch durchgreifende Bedenken bezüglich der Durchführung einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Aufklärung der voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer nach § 88 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 FlurbG. Diese sind vor der Anordnung der Flurbereinigung in geeigneter Weise eingehend über das geplante (Unternehmens-)Flurbereinigungsverfahren und dessen besonderen Zweck sowie über die voraussichtlich entstehenden Kosten aufzuklären. Die Form der Aufklärung steht im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde und hängt weitgehend von den örtlichen Verhältnissen und den Umständen des geplanten Flurbereinigungsverfahrens ab (BVerwG vom 28.12.1959 RdL 1960, 166; vom 15.12.1983 RdL 1984, 67; Hegele, a.a.O., RdNr. 2 zu § 5).
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In den Bestimmungen der Arbeitshilfen und Vorschriften für die Ländliche Entwicklung in Bayern - AVLE - (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 11.1.1994, Allgemeines Ministerialblatt 1994, 150; siehe auch LMS vom 18.3.2004 Nr. E 4/R 3-7500-1230), Nr. 5.22 der AVLE IV - Verfahrensrechtliche Vorschriften - (2. Aufl. 1981), ist hierzu vorgesehen, dass die Flurbereinigungsbehörde zur Aufklärung der voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer in den zur Flurbereinigung heranstehenden Gemeinden eine Aufklärungsversammlung veranstaltet, zu der zwei Wochen vorher durch öffentliche Bekanntmachung einzuladen ist. Diese Verwaltungsvorschrift, die darauf abzielt, die Ermessensausübung der Flurbereinigungsbehörden im Freistaat Bayern vereinheitlichend zu steuern, bewirkt eine rechtliche Bindung des Ermessens (s. hierzu BayVGH vom 5.6.2002 13 AS 02.864 = RzF 37 zu § 4 <Anm. d. Schriftlt.: Lies RzF - 37 - zu § 4 FlurbG>, insoweit nicht wiedergegeben; Rennert in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 28 zu § 114) und lässt ein Abweichen von der dadurch vorgegebenen Verfahrensweise nur noch in besonderen atypischen Ausnahmefällen zu (so z.B. Rennert a.a.O.). Dass hier ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist nicht ersichtlich. Zwar hat das ALE anlässlich der Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens A. IV, das dann nach der mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2006 erfolgten Aufhebung des Flurbereinigungsbeschlusses wieder beendet wurde, am 3. März und 23. Mai 2006 Aufklärungsversammlungen durchgeführt. Ein Verzicht auf die nach Nr. 5.22 AVLE IV vor der Anordnung des Verfahrens A.-Nord grundsätzlich durchzuführende Aufklärungsversammlung unter Verweis auf die im Zusammenhang mit der Anordnung des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens A. IV erfolgten Veranstaltungen war aber im vorliegenden Fall nicht möglich.
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Dies ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass das Flurbereinigungsverfahren, in dem Aufklärungsversammlungen stattgefunden haben, später formal beendet wurde und keine Rechtswirkungen mehr zeitigt. Voraussetzung für eine Bezugnahme auf frühere im Zusammenhang mit der Einleitung eines anderen Flurbereinigungsverfahrens erfolgte Aufklärungsmaßnahmen zur Erfüllung der in § 5 Abs. 1 FlurbG vorgesehenen behördlichen Aufklärungsverpflichtungen ist aber grundsätzlich, dass es sich in den wesentlichen ein Verfahren bestimmenden Eckpunkten, wie die Abgrenzung des Verfahrensgebiets, die Verfahrenszielsetzung usw., um identische Verfahren handelt. Denn nur dadurch ist gewährleistet, dass dem hier in § 88 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 FlurbG verankerten Informationsanspruch der betroffenen Grundstückseigentümer ausreichend Rechnung getragen wird. Diesen Anforderungen wird die im vorliegenden Verfahren praktizierte Verfahrensweise nicht gerecht. Das Flurbereinigungsverfahren A.-Nord ist - obwohl dies im Rundbrief des Antraggegners vom Juni 2007 fälschlich so dargestellt wurde - hinsichtlich der Abgrenzung und der Verfahrensgebietsfläche, d.h. der einbezogenen Grundstücke, nicht mit dem Flurbereinigungsverfahren A. IV identisch. Zum Verfahrensgebiet des Verfahrens A.-Nord wurden jedenfalls zusätzlich die (Wege-)Flurstücke 369/2 und 379/3 mit einer Fläche von insgesamt 0,4416 ha beigezogen, so dass sich die Zahl der verfahrensbetroffenen Flurstücke auf 83 und die Verfahrensgebietsfläche von 90,0672 ha auf 90,5817 ha erhöht hat. Daneben wurde das Flurstück 369/3, das zwar in der Gebietskarte des Verfahrens A. IV als innerhalb des Verfahrensgebiets liegend dargestellt, aber in der Flurstücksliste und bei der Ermittlung der Zahl der betroffenen Flurstücke bzw. der Berechnung der Verfahrensgebietsfläche nicht erfasst war, nunmehr ausdrücklich auch in der Flurstücksaufzählung und bei der Berechnung der Verfahrensgebietsfläche berücksichtigt. Da es sich zumindest bei der Vergrößerung des Verfahrensgebiets nicht um eine nur marginale Änderung handelt, liegt ein anderes (neues) Verfahren vor, bei dem nicht ausnahmsweise unter Verweis auf die zur Vorbereitung des Verfahrens A. IV durchgeführten Aufklärungsversammlungen von den in Nr. 5.22 der AVLE IV enthaltenen Vorgaben abgesehen werden konnte. Darauf deutet im Übrigen auch die Verwendung eines anderen Namens zur Bezeichnung des Verfahrens hin.
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Soweit angenommen wird, dass kleinere Überschreitungen des in der Aufklärungsversammlung angegebenen Gebiets durch das spätere Flurbereinigungsgebiet unschädlich seien (siehe Hegele, a.a.O., RdNr. 6 zu § 5 unter Verweis auf HessVGH vom 19.3.1980 F 61/76 = RzF 13 zu § 5 Abs. 1 <Anm. d. Schriftlt.: Lies RzF - 13 - zu § 5 Abs. 1 FlurbG>), kann dies nicht auf das streitgegen-ständliche Verfahren übertragen werden. Der genannten Entscheidung liegt ein Fall zugrunde, in dem sich - im Gegensatz zu der hier vorliegenden Fallkonstellation - eine wesentliche Änderung des Flurbereinigungsgebiets (erst) nach Durchführung einer Aufklärungsversammlung ergeben hat. Hiervon abgesehen zeichnet sich der vorliegende Fall zudem noch dadurch aus, dass gegenüber den voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümern in dem Rundschreiben vom Juni 2007, das deren einzige Information zum vorgesehenen Verfahren A.-Nord durch das ALE ist, der - objektiv unzutreffende - Eindruck erweckt wurde, an der Abgrenzung des Verfahrensgebiets habe sich nichts geändert. Im Übrigen ist auch die auf der Rückseite des Rundbriefs abgedruckte Übersichtskarte nicht geeignet, die voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer über den Umgriff des geplanten Verfahrens A.-Nord in ausreichender Weise zu informieren, da sie z.B. die Einbeziehung der Flurstücke 369/2 und 379/3 nicht erkennen lässt und die Gebietsabgrenzung im Bereich der Zuwegungen zum Flurstück 292 - soweit ersichtlich - unzureichend dargestellt ist.
Nach summarischer, aber im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch ausreichender Prüfung ist dieses Abweichen von der durch die Verwaltungsvorschrift für das ALE bindend vorgegebenen Verfahrensweise rechtsfehlerhaft, da es den in Art. 40 BayVwVfG geregelten gesetzlichen Vorgaben für die Ausübung behördlichen Ermessens widerspricht (zur Prüfungskompetenz des Gerichts s. § 114 Satz 1 VwGO). Der Flurbereinigungsbeschluss vom 8. August 2007 ist damit zwar nicht nichtig (vgl. HessVGH vom 19.11.1961 = RzF 3 zu § 5 Abs. 1 <Anm. d. Schriftlt.: Lies RzF - 3 - zu § 5 Abs. 1 FlurbG>; Hegele, a.a.O., RdNr. 6 zu § 5). Er ist jedoch derzeit rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten mit der Folge, dass der Widerspruch vom 18. August 2007 nach gegenwärtiger Sach- und Rechtslage als voraussichtlich erfolgreich anzusehen ist und das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse überwiegt. Das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes verlangt in diesem Fall die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs.