Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 03.09.1992 - BVerwG 11 B 2.92 = RdL 1992 S. 321

Aktenzeichen BVerwG 11 B 2.92 Entscheidung Beschluss Datum 03.09.1992
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen RdL 1992 S. 321  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Eine Geldabfindung für abzugebende Obstbäume kann auch dann angemessen im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 FlurbG sein, wenn sie keinen vollen Wertersatz bietet.
2. Das Flurbereinigungsgesetz schreibt für eine solche Geldabfindung keine bestimmte Schätz- oder Wertermittlungsmethode vor (wie BVerwG, Beschluß vom 23.10.1979 - BVerwG 5 CB 76.77 - (Buchholz 424.01 § 28 FlurbG Nr. 4)).

Aus den Gründen

Die Beschwerde wirft zunächst als grundsätzlich und klärungsbedürftig die Frage auf, ob eine angemessene Geldabfindung i. S. v. § 54 Abs. 1 Satz 1 FlurbG i. V. m. § 50 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz FlurbG es erfordert, daß die bei der Wertermittlung für abgegebene Obstbäume festgestellten Werte in voller Höhe abzufinden sind, oder ob ein pauschaler zehnprozentiger Abschlag von diesen Werten zulässig ist. Die Kläger meinen, nur ein voller Wertausgleich für die Obstbäume sei angemessen i. S. d. § 54 Abs. 1 Satz 1 FlurbG. Es bedarf jedoch keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, daß diese Ansicht unzutreffend ist. Die Kläger berufen sich bei ihrer Auslegung des § 54 Abs. 1 Satz 1 FlurbG zu Unrecht auf die Entschädigungsregelung des Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG. Abgesehen davon, daß die hier vorliegende Regelflurbereinigung entgegen der Auffassung der Kläger grundsätzlich keine Enteignung darstellt (BVerwGE 80, 340 (341) m. w. N.) und der Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG folglich nicht - zumindest nicht unmittelbar - anwendbar ist, verlangt diese Norm nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 14, 263 (284); 24, 367 (421); 46, 268 (285)) nicht stets vollen Ersatz, sondern erlaubt je nach den Umständen auch eine geringere Entschädigung. Dasselbe gilt für die angemessene Geldabfindung i. S. d. § 54 Abs. 1 Satz 1 FlurbG (so bereits BVerwG, Beschluß vom 22.11.1963 - BVerwG 1 B 170.63 - (Abdruck S. 4)). Das Flurbereinigungsgesetz läßt damit Raum, bei der Festlegung der im Einzelfall geschuldeten Geldabfindung die Besonderheiten des flurbereinigungsrechtlichen Verfahrens zu berücksichtigen, beispielsweise dem Umstand Rechnung zu tragen, daß für abgegebene Obstbäume in aller Regel auf dem Neubesitz Ersatz gepflanzt werden kann (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.04.1963 - 3 C 97/61 und 46/62 - (RdL 1964, 84) = RzF - 4 - zu § 50 Abs. 2 FlurbG; Schwantag in Seehusen/Schwede, FlurbG, 5. Aufl. 1991, § 50 Rn. 6) und auch nicht alle damit verbundenen Nachteile im Rahmen des § 54 Abs. 1 Satz 1 FlurbG in Ansatz gebracht werden müssen (s. BVerwG, Beschluß vom 23.10.1979 - BVerwG 5 CB 76.77 - (Buchholz 424.01 § 28 FlurbG Nr. 4 S. 6) mit Hinweis auf § 51 FlurbG; ferner auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.12.1968 - 3 C 86/68 - (RdL 1969, 215) = RzF - 7 - zu § 50 Abs. 2 FlurbG). Insbesondere mit dem zuletzt genannten Gesichtspunkt hat das angefochtene Urteil den zehnprozentigen Abschlag gerechtfertigt.

Auch die Frage, ob bei der Wertermittlung für abgegebene Obstbäume die allgemeine Durchschnittsleistung eines Hochstammes im Vollertrag zu berücksichtigen oder ob auf die konkreten betrieblichen Verhältnisse abzustellen und der konkrete durchschnittlich erzielbare Ertrag der zu entschädigenden Bäume in die Wertermittlung einzustellen sei, gibt der Streitsache keine grundsätzliche Bedeutung. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits ausgesprochen hat, schreibt das Flurbereinigungsgesetz für die Wertermittlung als Grundlage für eine Obstbaumabfindung keine bestimmte Schätz- oder Wertermittlungsmethode vor (Beschluß vom 23.10.1979 a.a.O.). Daher sind auch Wertermittiungsverfahren, die - wie das vom Flurbereinigungsgericht angewendete Ertragswertverfahren - für die erzielbaren Durchschnittsleistungen eines bestimmten Obstbaumes auf allgemeinen Erfahrungswerten aufbauen, flurbereinigungsrechtlich nicht ausgeschlossen. Gegen die Heranziehung dieses Verfahrens durch das Flurbereinigungsgericht bestehen deshalb prinzipiell keine Bedenken. Dies gilt zumal dann, wenn, wie das Flurbereinigungsgericht hier sinngemäß festgestellt hat, keine zuverlässigen, über einen längeren Zeitraum ermittelten und daher für eine Prognose geeigneten tatsächlichen Ertragswerte der konkreten Bäume zur Verfügung stehen, sondern nur einzelne "Ergebnisse von Pflückungen ausgesuchter Bäume".