Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 25.04.1963 - 3 C 97/61 und 46/62 = RdL 1964 S. 84= IK 1964 S. 19
Aktenzeichen | 3 C 97/61 und 46/62 | Entscheidung | Urteil | Datum | 25.04.1963 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Koblenz | Veröffentlichungen | = RdL 1964 S. 84 = IK 1964 S. 19 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Der Obstbaumschätzung im Flurbereinigungsverfahren ist nicht der Verkehrswert zugrunde zu legen. |
Aus den Gründen
Bevor im einzelnen die Forderungen der Kläger erörtert werden, ist es notwendig, zunächst grundsätzlich auf das von den Flurbereinigungsbehörden gehandhabte Obstbaumausgleichsverfahren einzugehen.
Vorausgeschickt muß werden, daß die Gesamtplanung nicht durch die im Flurbereinigungsgebiet befindlichen, im Vergleich zur Gesamtplanung nur einen zeitlich beschränkten Zustand darstellenden Obstbäume gestört werden darf, weil dadurch der Zweck der Flurbereinigung, eine möglichst straffe Zusammenlegung zu erreichen, teilweise vereitelt werden könnte. Die Bewertung der infolge dieser Zweckbestimmung nicht wiederzugeteilten Obstbäume bereitet in der Regel deshalb keine oder doch nur geringe Schwierigkeiten, weil sich auch in den Abfindungsplänen zumeist wiederum Obstbäume befinden, so daß lediglich ein Ausgleich zwischen den verlorengegangenen und den wiederzugeteilten Obstbäumen stattzufinden braucht.
Erst dann, wenn durch die Landzuteilung eine wesentliche Verschiebung im Baumbestand dahin eintritt, daß ein Beteiligter einen erheblichen Teil seines bisherigen Bestandes verliert, ohne einen einigermaßen entsprechenden Baumausgleich zu erhalten, wird die Frage nach der Bewertung, d.h. - im Grunde genommen - nach der Entschädigung (Geldabfindung), problematisch.
Obstbäume stellen wesentliche Bestandteile eines Grundstücks i.S. des § 28 Abs. 2 FlurbG dar, da sie dessen Wert dauernd beeinflussen (vgl. auch Steuer, Komm., Anm. 8 zu § 28 und Seehusen - Schwede - Nebe, Komm. Anm. 3 zu § 28). Sie sind also nach dieser Vorschrift besonders - d.h. gesondert neben den in Abs. 1 a.a.O. aufgeführten landw. genutzten Grundstücken - zu schätzen.
Über die Frage, welcher Wert dieser Schätzung zugrunde zu legen ist, läßt sich das FlurbG nicht aus. Im § 50 Abs. 1 FlurbG wird lediglich der Übernahmezwang seitens des Empfängers eines mit Bäumen bestandenen Abfindungsplans und im Abs. 2 die Pflicht bzw. Berechtigung der Teilnehmergemeinschaft geregelt, "den bisherigen Eigentümer in Geld abzufinden" und "von dem Empfänger der Landabfindung angemessene Erstattung zu verlangen". Nach § 54 Satz 1 FlurbG müssen Geldabfindungen und Geldausgleiche angemessen sein.
Mit der Forderung auf Angemessenheit der Geldabfindung (für die abgegebenen Obstbäume) stellt das FlurbG einen Begriff besonderer Art auf, der mit dem des "Verkehrswertes" nicht identisch ist. Letzterer käme z.B. bei der Wegnahme von Obstbäumen anläßlich einer Enteignung zugunsten der Verbreiterung einer Landstraße in Frage. Ihm müssen die durchschnittliche Lebensdauer und die Ertragsverhältnisse des einzelnen Obstbaumes etwa nach der Tabelle von Prof. Kemmer (Wertabschätzung im Obstbau, 1950) zugrunde gelegt werden. Eine derartige Wertermittlung wird jedoch den besonderen Gegebenheiten des Flurbereinigungsverfahrens nicht gerecht. Abgesehen davon, daß für den Verlust eines Grundstücks mit aufstehenden Bäumen außerhalb einer Flurbereinigung in der Regel keine Ersatzgrundstücke für die Neuanpflanzung gegeben werden, die bisherige Einnahmequelle also endgültig versiegt, gehen das FlurbG und auch seine Vorläufer davon aus, daß die Neuordnung von den Beteiligten - außer den gesetzlich in § 19 und § 47 FlurbG niedergelegten Verpflichtungen - erhebliche Aufwendungen an Zeit und Geld für die Umstellung, insbesondere hinsichtlich der Neugestaltung der sich aus Altparzellen verschiedenster Art und Bewirtschaftungsweise zusammensetzenden Abfindungspläne, fordert und infolgedessen zunächst mit einem Rückgang im Betrieb zu rechnen ist. Dieser Grundgedanke, daß nämlich vorübergehende Nachteile zu erwarten sind, kommt in § 51 Abs. 1 FlurbG zum Ausdruck. Von jedem Beteiligten muß gefordert werden, daß er im eigenen Interesse bemüht ist, entstandene Nachteile möglichst bald zu beseitigen. Wie er zu diesem Zwecke im einzelnen verfährt, ist seine Sache. Nachteilig ist ohne Zweifel auch der Verlust von Obstbäumen und die u.U. dadurch bedingten Mindereinnahmen hinsichtlich der Obstverwertung. Um diesen Mangel auf eine möglichst kurze Zeit zu beschränken, wird der Betroffene gehalten sein, unter Beachtung neuer Zuchtergebnisse schnellwüchsige und damit frühtragende (bereits im 4. Jahr!) Sorten auf den Abfindungsplänen zu pflanzen. Das ist um so mehr erforderlich, als bei der starken Konkurrenz innerhalb der "Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft" nur Qualitätsobst noch Aussicht auf entsprechende Einnahmen hat.
Nach alledem ist eine dem tatsächlichen Verlust an Obstbäumen entsprechende angemessene Geldabfindung festzusetzen, die bei Obstbaum-Streubesitz infolge der erhöhten Mehrarbeit an Pflege, Schädlingsbekämpfung und Aberntung geringer sein wird als bei geschlossenen Obstanlagen.