Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 06.07.1977 - 3 C 60/76 = RdL 1978 S. 52
Aktenzeichen | 3 C 60/76 | Entscheidung | Urteil | Datum | 06.07.1977 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Koblenz | Veröffentlichungen | = RdL 1978 S. 52 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Wahl des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft ist kein Verwaltungsakt. Sie kann daher mit der Feststellungsklage angegriffen werden. |
2. | Die Aufteilung der Vorstandsmitglieder nach Gemeinden oder Besitzgruppen ist durch Mehrheitsbeschluß der Teilnehmerversammlung zulässig. |
3. | Die Wahl des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft ist rechtsunwirksam, wenn den wahlberechtigten Teilnehmern nicht die Möglichkeit eingeräumt wird, alle vorgesehenen Mitglieder des Vorstandes bzw. deren Stellvertreter zu wählen. |
Aus den Gründen
Die Feststellungsklage ist zulässig.
Der Kläger kann seine Rechte nämlich nicht durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen (§ 43 Abs. 2 VwGO). Die Wahl des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft charakterisiert sich nicht als ein Verwaltungsakt, dessen Aufhebung mit der Anfechtungsklage begehrt werden kann (§ 42 VwGO). Denn sie stellt sich nicht als eine behördliche Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtes dar, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 35 VwVfG). Die Wahl des Vorstandes durch die Teilnehmerversammlung qualifiziert sich rechtlich vielmehr als ein Akt der inneren Organisation der Teilnehmergemeinschaft, so daß sie nur mit der Feststellungsklage angegriffen werden kann (OVG Münster, Urteil vom 22.1.1976 - IX G 23/75 - in RzF - 4 - zu § 21 Abs. 2 FlurbG; BayVGH, Urteil vom 26.3.1971 - 210 VII 67 - in RzF - 2 - zu § 21 Abs. 2 FlurbG = RdL 1972, 71). Die übrigen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 1 VwGO, unter denen die Feststellungsklage zulässig ist, liegen ebenfalls vor. Danach kann die baldige Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger daran ein berechtigtes Interesse hat. Der Wahlakt an sich ist zwar mit einem Rechtsverhältnis, das Gegenstand der Feststellungsklage sein muß, nicht gleichzusetzen. Die begehrte Feststellung, daß die Vorstandswahl unwirksam sei, erstreckt sich jedoch sinngemäß auch auf das damit verbundene Rechtsverhältnis zwischen dem Vorstand der Teilnehmergemeinschaft und den einzelnen Teilnehmern. Ist nämlich der Vorstand nicht rechtswirksam gewählt worden, so hat er nicht die gesetzliche Stellung als Organ der Teilnehmergemeinschaft mit den daraus folgenden Rechten und Pflichten gegenüber den Teilnehmern erlangt. Dem Kläger muß auch ein berechtigtes Interesse zuerkannt werden, dies alsbald feststellen zu lassen. Denn von der Frage der rechtsgültigen Bestellung des Vorstandes hängt es ab, ob dieser die ihm schon in naher Zukunft obliegenden Geschäfte im Flurbereinigungsverfahren in wirksamer Weise vornimmt oder nicht. Aus seiner mitgliedschaftlichen Stellung ergibt sich im übrigen ein Recht des Teilnehmers, daß sich die körperschaftliche Willensbildung auf der Grundlage der dafür vorgesehenen Gesetzesbestimmungen vollzieht (OVG Münster, a.a.O.). Der Kläger hat somit ein berechtigtes Interesse, die Wirksamkeit der Vorstandswahl alsbald feststellen zu lassen.
Die Klage muß auch in der Sache zum Erfolg führen. Denn die Wahl des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft ist unter schwerwiegender Verletzung der Bestimmung des § 21 Abs. 3 Satz 1 FlurbG zustande gekommen, so daß ihr Ergebnis keinen Bestand haben kann. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Prozeßbeteiligten wurde die Wahl so durchgeführt, daß die wahlberechtigten Teilnehmer mit Wohnsitz in der Gemeinde S. von insgesamt sieben Vorstandsmitgliedern und deren Vertreter nur drei ordentliche Mitglieder und drei Vertreter, die Teilnehmer aus der Gemeinde N. nur zwei ordentliche Mitglieder und zwei Vertreter und die Teilnehmer mit Wohnsitz in der Gemeinde E. ebenfalls nur zwei ordentliche Mitglieder und zwei Vertreter gewählt haben.
Der Senat sieht zwar in dem Umstand, daß die Teilnehmerversammlung vor der Wahl durch mehrheitlichen Beschluß eine besondere Zusammensetzung des Vorstandes nach den Flurbereinigungsgemeinden festgelegt hat, keinen Verstoß gegen die Wahlbestimmungen des Flurbereinigungsgesetzes. Diese Aufteilung nach Ortsgemeinden der von der Flurbereinigungsbehörde gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 FlurbG bestimmten Anzahl der Vorstandsmitglieder entspricht einem sachlichen und anerkennenswerten Bedürfnis. Damit wird dem Gedanken Rechnung getragen, daß bei einem aus Teilen mehrerer Gemeinden bestehenden Flurbereinigungsgebiet unterschiedliche örtliche Probleme entstehen können, die unter Umständen einer differenzierten Behandlung und Lösung zuzuführen sind (Steuer, FlurbG, 2. Aufl., Anm. 1 zu § 21). Ebenso kann es sachgerecht sein, die Zusammensetzung des Teilnehmervorstandes durch die Teilnehmerversammlung vorab in der Weise festzulegen, daß Vorstandsmitglieder in bestimmter Anzahl dem kleinen, mittleren und größeren Grundbesitz zuzugehören haben. Auch eine solche Regelung dient in Flurbereinigungsverfahren mit unterschiedlicher Besitzgrößenstruktur dazu, die anders gearteten Betriebsprobleme im Verfahrensgebiet bei Beschlußfassungen des Vorstandes besser berücksichtigen zu können (Steuer, a.a.O.; Seehusen - Schwede - Nebe, FlurbG, 2. Aufl., Anm. 1 zu § 21). Es wäre jedoch mit dem Flurbereinigungsgesetz unvereinbar, würden die genannten Festlegungen über die Zusammensetzung des Vorstandes so verstanden, daß die jeweiligen Vorstandsmitglieder nur die Interessen der Teilnehmer aus ihrer Gemeinde bzw. ihrer Besitzgruppe zu vertreten hätten. Denn die Mitglieder des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft haben die Interessen der gesamten Gemeinschaft im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen wahrzunehmen und dabei ihr Amt gewissenhaft und uneigennützig auszuüben (§ 18, § 25 FlurbG). Der Sinn und Zweck einer nach Ortsgemeinden oder Besitzgruppen bestimmten Zusammensetzung des Vorstandes kann nur darin liegen, daß die jeweils ortsbedingten oder mit der Besitzgrößenstruktur zusammenhängenden Fragen überhaupt aufgegriffen, in den Vorstand getragen, dort mit allem Für und Wider erörtert und schließlich solchen Lösungen zugeführt werden, die mit den Gesamtbelangen der Teilnehmergemeinschaft in Einklang stehen. Im vorliegenden Fall entspricht die örtliche Aufteilung der Vorstandsmitglieder auch der Bedeutung der jeweils zugezogenen Gebietsteile - nach Fläche, Größe, Einwohnerzahl und Ortslagenzuziehung -, so daß gegen das zu wahrende angemessene Verhältnis der Anzahl der aus den verschiedenen Gemeinden zu wählenden Vorstandsmitglieder keine Bedenken geltend gemacht werden können.
Die Festlegung der Vorstandsmitglieder nach Gemeinden hat jedoch in den Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes, insbesondere dort seine Grenzen, wo der Wesensgehalt des Wahlrechtes der Teilnehmer berührt werden könnte. Nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 3 Satz 1 FlurbG kann es keinem Zweifel unterliegen, daß "die Mitglieder des Vorstandes", demnach alle Mitglieder des Vorstandes - in der von der Flurbereinigungsbehörde bestimmten Zahl - von den im Wahltermin anwesenden Teilnehmern oder Bevollmächtigten zu wählen sind. Das bedeutet bei der Zusammensetzung des Vorstandes aus Mitgliedern verschiedener Gemeinden, daß jeder wahlberechtigte Teilnehmer die Mitglieder des Vorstandes und deren Vertreter aus allen Gemeinden zu wählen hat. Entgegen der Auffassung des Beigeladenen kann die Teilnehmerversammlung dieses gesetzlich festgelegte Wahlrecht mit solchem Inhalt weder einschränken noch aufheben. Die gesetzliche Regelung in § 21 Abs. 3 Satz 1 FlurbG entspricht der - bereits dargelegten - Rechtslage hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Mitglieder des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft. Diese charakterisiert sich nicht als eine Vertretung spezieller Einzelinteressen, sondern als die Wahrnehmung gemeinschaftlicher Angelegenheiten der Gesamtheit der Verfahrensbeteiligten. Die Wahl von "Teilvorständen" für die jeweiligen Flurbereinigungsgemeinden ist somit gesetzlich ausgeschlossen. Gegen diesen elementaren Wahlgrundsatz ist bei der Wahl des Vorstandes der Beklagten verstoßen worden. Die auf diese Weise zustande gekommene Wahl kann daher keine rechtliche Wirkung entfalten, so daß sie wiederholt werden muß. Ist der Klage bereits unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt stattzugeben, so kommt es auf die Würdigung des weitergehenden Vorbringens der Prozeßbeteiligten nicht mehr an.
Aus Gründen der Zweckmäßigkeit wird allerdings auf folgendes hingewiesen: In Übereinstimmung mit dem Oberverwaltungsgericht Münster, a.a.O. hält der Senat an seiner in dem Urteil vom 24.10.1963 - 3 C 20/63 - dargelegten Rechtsauffassung fest, daß die Flurbereinigungsbehörde zur Aufstellung von Wählerlisten für die Wahl des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft anhand der Grundbucheintragungen nicht verpflichtet ist. Es genügt vielmehr, wenn die wahlberechtigten Teilnehmer über ihre Legitimation ausreichend aufgeklärt werden und die Kontrolle der Wahlberechtigung durch geeignete ortskundige Wahlhelfer ausgeübt wird. Auch bei dieser Art der Kontrolle ("Selbstkontrolle") sieht es der Senat allerdings im Interesse einer ordnungsgemäßen Wahldurchführung für erforderlich an, daß eine Anwesenheitsliste geführt wird, damit die an der Wahl beteiligten Personen bei eventuellen Einwendungen gegen die Wahlberechtigung festzustellen sind.