Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 29.09.2005 - 13 A 05.741 = RdL 2006, 67= BayVBl 2006, 250= NuR 2006, 457 (Lieferung 2007)

Aktenzeichen 13 A 05.741 Entscheidung Urteil Datum 29.09.2005
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen RdL 2006, 67 = BayVBl 2006, 250 = NuR 2006, 457  Lieferung 2007

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die (geringfügige) Änderung eines Flurbereinigungsgebiets darf auch zum Zweck der bodenordnerischen Unterstützung für den Ausbau einer Staatsstraße erfolgen.
2. Der von der Änderung betroffene Eigentümer kann sein Begehren, ihn von der Flurbereinigung auszunehmen, nicht auf das Anliegen der Bewahrung der Umwelt stützen; er hat aber einen Anspruch auf Würdigung aller ermessensrelevanten Gesichtspunkte.

Aus den Gründen

Die Erweiterung des Verfahrensgebiets steht auch im Einklang mit den allgemeinen Zwecken der Flurbereinigung und den besonderen Zwecken des Verfahrens T.. Nach § 1 FlurbG dient die Flurbereinigung der Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie der Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Landentwicklung. Die Förderung dieser Zwecke bedeutet, dass die Flurbereinigungsbehörde mit den Mitteln der Regelflurbereinigung allerdings nur einen Neuordnungsbeitrag zur Koordination dieser Anliegen leisten darf. Die behördliche Aufgabe ist darauf beschränkt, durch Bodenordnung die Durchführung der außerhalb des Flurbereinigungsverfahrens erfolgenden Fremdplanungen zu erleichtern, hierzu beizutragen (BVerwG vom 14.3.1985 BVerwGE 71, 108/113 f.). Zu solchen Planungen zählt auch der öffentliche Verkehr, dessen Erfordernissen die Flurbereinigungsbehörde nach § 37 Abs. 2 FlurbG bei der Durchführung der Neugestaltungsmaßnahmen Rechnung zu tragen hat, u.a. die hier geplante Verbreiterung einer Staatsstraße (BayVGH vom 7.7.1983 RdL 1984, 71/72 <Anm. der Redaktion: richtig RdL 1985, 71/72> <= RzF - 6 - zu § 21 Abs. 1 FlurbG>; siehe auch VGH BW vom 8.12.1971 = RzF - 8 - zu § 7 Abs. 1 FlurbG). Die Bereitstellung von Flächen für Gemeinbedarfseinrichtungen und Verbesserung der Verkehrsverhältnisse ist in der Begründung des Flurbereinigungsbeschlusses vom 29. Juni 1979 ausdrücklich als ein Verfahrenszweck genannt. Der geplante Ausbau der St 2198 innerhalb des Flurbereinigungsgebiets war gemäß der nach § 5 Abs. 3 FlurbG ergangenen Stellungnahme der Regierung von Oberfranken vom 22. August 1978 (Az. 800-2/021 - 8 - Gro.) ein konkret zu berücksichtigendes Projekt.


Die Interessen der Kläger als Teilnehmer werden durch die nachträgliche Beiziehung zusätzlicher Flächen nicht stärker als bisher beeinträchtigt. Da die Kläger bereits vor dem Änderungsbeschluss Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens waren, bestand ihre Mitwirkungspflicht aus § 2 Abs. 1 FlurbG schon früher. Auch sonst wirkt sich die Änderung des Flurbereinigungsgebiets für die Kläger nicht nachteilig aus. Nach Auskunft der beigeladenen Teilnehmergemeinschaft sollen sie das über 500 m lange Einlageflurstück 315 bis auf einen ca. 8 m breiten Streifen am westlichen, ca. 90 m breiten Ende voraussichtlich unverändert wieder zugeteilt erhalten. Da sie insoweit unstreitig nicht zum Landabzug oder zu den Ausführungskosten herangezogen werden, besteht (auch) im Umfang des Werts des für den Straßenausbau benötigten Grundstücksstreifens ein Ausgleichsanspruch, der nach Auskunft der Beigeladenen durch Ausweisung einer Landabfindung entlang der nördlichen Grenze des Einlageflurstücks 315 befriedigt werden soll (zur Geringfügigkeit bei im wesentlichen unveränderter Abfindung vgl. BVerwG vom 29.3.1968 Buchholz 424.01 § 8 FlurbG Nr. 2).


Soweit die Kläger ohne Darlegung der örtlichen Verhältnisse auf die FFH-Problematik hinweisen, vermag dies das Begehren nach Aufhebung des Änderungsbeschlusses nicht zu stützen. Da der einzelne Teilnehmer nur geltend machen kann, in seinen Rechten durch den Flurbereinigungsbeschluss bzw. dessen Änderung verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO), kann er auch nur sein eigenes Interesse wahrnehmen, aber nicht einen Verstoß gegen Umweltschutzvorschriften geltend machen (vgl. BVerwG vom 26.9.1975 Az. V B 35.73 = RzF - 17 - zu § 4 FlurbG; siehe auch BayVGH vom 15.10.1976 AgrarR 1977, 209/210 <= RzF - 23 - zu § 37 Abs. 2 FlurbG>).


Der angefochtene Änderungsbeschluss verstößt auch nicht gegen das Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (Art. 40 BayVwVfG, § 114 VwGO). Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass die Flurbereinigungsbehörde infolge unzureichender Sachverhaltsermittlung wesentliche Umweltschutz-Gesichtspunkte außer Betracht gelassen hat (vgl. Art. 24 Abs. 1 BayVwVfG, Art. 49a Abs. 1 BayNatSchG). Von den Klägern ist in der Klage weder substantiiert dargelegt noch erkennbar gemacht worden, dass die Flurbereinigung im erweiterten Verfahrensgebiet eine Beeinträchtigung der FFH-Erhaltungsziele mit sich bringen oder nach sich ziehen könnte. Es gibt auch objektiv keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die mit der Verfahrensgebietsänderung bezweckte Bereitstellung von Land zum Straßenbau zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Natur- und Biotopschutzes im Sinn von Art. 13c Abs. 1 BayNatSchG i.V.m. der FFH-Richtlinie führen würde (vgl. hierzu Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle, Naturschutzrecht in Bayern, RdNrn. 17 f. zu Art. 13c und Komm. zu Art. 13b).


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Ein Ermessensfehler ergibt sich auch nicht etwa daraus, dass sich der Beklagte widersprüchlich verhalten hätte. Der angefochtene Änderungsbeschluss steht nicht in einem unüberbrückbaren Gegensatz zum Änderungsbeschluss vom 9. Mai 1988. Dass damals sämtliche Flurstücke der Gemarkung W. aus dem Verfahrensgebiet herausgenommen wurden, weil deren Eigentümer die Flurbereinigung für ihre Gemarkung nicht für erforderlich hielten, spricht nicht gegen die Zweckdienlichkeit der späteren Einbeziehung von 10 Flurstücken dieser Gemarkung, weil bei der streitgegenständlichen Änderung nicht die Interessen der Landwirte (§ 37 Abs. 1 FlurbG), sondern die öffentlichen Verkehrsinteressen (§ 37 Abs. 2 FlurbG) im Vorgrund stehen.


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Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 3 GG ist nicht gegeben. Danach ist eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Sie ist auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver, durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet (BVerfG vom 22.5.2001 BVerfGE 104, 1/9). Dieses Problem stellt sich jedoch schon deshalb nicht, weil es sich bei dem hier angeordneten und durchgeführten Regelflurbereinigungsverfahren (§ 37 FlurbG) im Unterschied zur Unternehmensflurbereinigung (§ 87 FlurbG) nicht um eine Enteignung, sondern um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinn von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG handelt (vgl. BVerfG vom 24.3.1987 BVerfGE 74, 264/281 <= RzF - 50 - zu § 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG> bzw. BVerwG vom 3.11.1988 BVerwGE 80, 340/341 <= RzF - 40 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG>; s. auch BVerfG vom 22.5.2001 a. a. O.).