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von Anonymer Benutzer

RzF - 12 - zu § 1 FlurbG

Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 22.03.1972 - III F 130/71

Aktenzeichen III F 130/71 Entscheidung Urteil Datum 22.03.1972
Gericht Flurbereinigungsgericht Kassel Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zu den Voraussetzungen eines Weinbergflurbereinigungsverfahrens.
2. Zur Form der Einladung zur Aufklärungsversammlung.

Aus den Gründen

Die von den Klägern gerügten Fehler in der Aufklärungsversammlung, insbesondere auch in der Bekanntmachung von Termin und Gegenstand der Aufklärungsversammlung liegen nicht vor. Die voraussichtlichen Verfahrensbeteiligten sind in geeigneter Weise eingehend aufzuklären. § 5 Abs. 1 FlurbG stellt in dieser Vorschrift frei, in welcher Form die Behörde die Aufklärung durchführt. Es hängt von den örtlichen Verhältnissen und den Umständen des Verfahrens ab, ob die gewählte Form der Aufklärung geeignet ist, den Zweck der Aufklärung zu erfüllen. In welcher Form die beabsichtigte Aufklärung, hier Termin und Erörterungsgegenstand der Aufklärungsversammlung, bekanntgemacht wird, ist nicht durch das Flurbereinigungsgesetz vorgeschrieben. Insbesondere ist eine persönliche und schriftliche Verständigung der einzelnen Teilnehmer weder vorgeschrieben, noch aus sonstigen Gründen erforderlich, wie die Kläger meinen.

Das Hess. Amt für Landeskultur hatte in seiner öffentlichen Bekanntmachung vom 23. Dezember 1970 ausgeführt, daß "in der Feldlage St." in der Gemarkung K. die Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens beabsichtigt sei, und daß eine Gebietskarte, aus der das vorgesehene Flurbereinigungsgebiet hervorgeht, in der Zeit vom 7.1. bis 14.1.1971 in den Bürgermeisterämtern K., G. und R. ausliege.

Die öffentliche Bekanntmachung mit dem Hinweis auf die Gebietskarte entspricht den gesetzlichen Erfordernissen von § 5 FlurbG. Es war hier weder nötig, die betroffenen Grundstückseigentümer vorher zu ermitteln und dann einzeln anzuschreiben, noch war erforderlich, in der Bekanntmachung die einzelnen Parzellen mit der genauen Katasterbezeichnung aufzuführen. Der in einer öffentlichen Bekanntmachung gegebene Hinweis auf die im Gemeindebüro öffentlich ausliegende Karte ist allgemein verständlich und die Einsichtnahme in eine solche Karte ist besser geeignet, dem einzelnen Gewißheit darüber zu schaffen, welche Grundstücke dem Flurbereinigungsgebiet zugeordnet sein sollen, als die Wiedergabe von Flurstücksnummern, die erfahrungsgemäß nicht jedermann zu allen Zeiten geläufig sind. Der vom Vorsteher des Hess. Amts für Landeskultur in D. gefertigte Vermerk über die Aufklärungsversammlung vom 14.1.1971 (Bl. 86, 87 des Stehordners) gibt deren Verlauf wieder; die Kläger haben demgegenüber in der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugen können, daß die eingehende Aufklärung in geeigneter Weise über das geplante Flurbereinigungsverfahren einschließlich der voraussichtlich entstehenden Kosten unterblieben sei. Es steht vielmehr zur Überzeugung des Senats fest, daß der Zweck der beabsichtigten Flurbereinigung, der Gang des Verfahrens, die möglichen Wegebaumaßnahmen und insbesondere die Kostenpositionen nach der "Überschläglichen Kostenermittlung zum geplanten Weinbergsflurbereinigungsverfahren St. in K." erörtert und von den Versammlungsteilnehmern diskutiert worden sind. Es ist hier nicht zu beanstanden, daß die Aufklärungsversammlung für den 14. Januar 1971 auf 14.00 Uhr in die Gaststätte S. anberaumt war. Die Bekanntmachungsfrist von zwei Wochen gibt auch in einer ländlichen Gemeinde dem einzelnen ausreichende Zeit zur Entschließung, ob er sich die Zeit zur Teilnahme wegen der Bedeutung der Sache nehmen will oder, falls er durch auswärtige Beschäftigung zu festen Arbeitszeiten daran gehindert ist, durch einen anderen sich die notwendigen Informationen verschaffen will. Die Auswahl des Versammlungslokals hängt von den örtlichen Gegebenheiten ab, bei Versammlungen in Gaststätten ist der Getränkeausschank üblich.

Zunächst besteht kein Zweifel, daß die in das Flurbereinigungsverfahren einbezogenen Flächen ländlicher Grundbesitz im Sinne von § 1 FlurbG sind. Darunter sind alle im Zeitpunkt des Flurbereinigungsbeschlusses landwirtschaftlich genutzten Flächen zu verstehen; es kommt dabei nicht darauf an, ob die einbezogenen landwirtschaftlichen Flächen haupt- oder nebenberuflich bewirtschaftet werden, oder gar zum Teil brachliegen. Die Nutzung einzelner Grundstücke durch die Kläger als sogenannte Hobby-Winzer ändert daran nichts, denn deren Grundstücke werden durch diese spezifische Bewirtschaftungsform nicht zu Kleingärten im Rahmen städtischer Wohnsiedlungen. Das gegenwärtige Flurbereinigungsverfahren dient daher der Bereinigung der landwirtschaftlichen Flurverhältnisse und der Förderung der allgemeinen Landeskultur (§ 1 FlurbG); siehe hierzu BVerwG, Beschl. vom 28.12.1960 - I B 159.60 - in RdL 61, 80 und RzF - 2 - zu § 1 FlurbG).

Es ist zwar richtig, wie die Kläger vortragen, daß der Grundbesitz dieser Weinbergsflur, wie es in Weinbaugebieten häufig der Fall ist, auf sehr viele Einzelbesitzer so verteilt ist, daß viele Teilnehmer wie die Kläger jeweils nur eine Parzelle besitzen. Eine Zusammenlegung im Sinne des Flurbereinigungsgesetzes kann aber trotzdem stattfinden. Denn auch durch Zusammenlegung von Einzelflurstücken verschiedener Eigentümer, die Rebenaufbau betreiben wollen, zu einer einheitlichen Anbaufläche wird eine bessere Bewirtschaftung dieser Flurstücke ermöglicht und so der Rebenanbau intensiviert. Eine solche Zusammenlegung ist in der Rechtsprechung bisher als Zusammenlegung im Sinne von § 1 FlurbG beurteilt worden (so z.B. ständ. Rspr. des VGH Mannheim, zuletzt Urteil vom 25.2.1969 - VII 582/68 - mit weiteren Nachweisungen - in RzF - 9 - zu § 1 FlurbG).

Bei nahezu allen Grundstücken des Flurbereinigungsgebiets K. kommt, wie die Ortsbesichtigung bestätigt hat, nur die Bewirtschaftung als Weingarten in Betracht. Viele davon sind unwirtschaftlich geformt, weil sie für eine rationelle Bewirtschaftung zu kurz oder zu lang oder zu schmal sind, auch vielfach Raine, Mulden, Mauern oder Terrassen aufweisen, die eine moderne Bewirtschaftung als Weingarten stören. Solche für den modernen Weinbau erheblichen Bewirtschaftungshindernisse und Erschwernisse sind in der Flurbereinigung (§ 1 FlurbG) zu beseitigen. Man wird deren Beseitigung sowohl unter dem Begriff "wirtschaftlich gestaltet" (§ 1 FlurbG) als auch unter den ebenda aufgeführten Begriff "andere landeskulturelle Maßnahme" einordnen können. In § 50 Abs. 3 FlurbG zählt der Gesetzgeber ausdrücklich den Rebenneuaufbau zu den ertragsfördernden Maßnahmen i. S. des FlurbG. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Zusammenlegung von Grundstücken verschiedener Eigentümer zur Sicherung einer geschlossenen Rebenanbaufläche zugelassen und dazu ausgeführt, daß eine solche Zusammenlegung als wirtschaftliche Gestaltung unwirtschaftlich geformten ländlichen Grundbesitzes zu beurteilen ist (BVerwG, Beschl. vom 23.1.1967 - VI B 69.66 - in Buchholz, BVerwG 424.01 § 4 FlurbG Nr. 4).

Eine rentable und von vermeidbaren Risiken freie Gestaltung des Weinbaus ist gegenwärtig nur dann möglich, wenn eine maschinelle Bearbeitung, Düngung und Schädlingsbekämpfung durchführbar ist. Das hat das eingeholte betriebswirtschaftliche Sachverständigengutachten in Verbindung mit dem vorgenommenen Augenschein bestätigt, das ist heute im übrigen auch eine gesicherte und von anderen mit Weinbergsflurbereinigungen befaßten Oberverwaltungsgerichten in ihrer Rechtsprechung bestätigte betriebswirtschaftliche Erkenntnis (vgl. u.a. VGH Mannheim, Urteil vom 25.2.1969 - VII 582/68 -).

Die örtliche Besichtigung führte zu der Feststellung, daß - abgesehen von einzelnen mit Genehmigung des Regierungspräsidenten in D. ausgeführten Neu- und Wiederanpflanzungen (Jungermann und Rudolf Sturmfels) - keine Rede von einem ständigen Aus- und Neuanbau sein kann. Beträchtliche Teile des bisherigen Rebengeländes befanden sich vielmehr in einem durchaus mäßigen oder sogar schlechten und verwahrlosten Zustand; einzelne Flurstücke lagen brach. Rund 2/3 der Rebstöcke (ohne die oben genannten Neuanlagen) waren überaltert und abgängig. Die Voraussetzungen für einen vernünftigen Neuaufbau lassen sich, wie die Ortsbesichtigung bestätigt hat, nur schaffen durch die beabsichtigte Verbesserung und geringfügige Veränderung der vorhandenen Wege, von denen aus die Bearbeitung künftig auch mit Maschinen möglich ist, durch günstiger geformte Abfindungsflurstücke, die in ihrer Breite die im Weinbau heute üblichen Zeilenabstände zulassen und auch im übrigen keine behebbaren Bewirtschaftungshindernisse aufweisen, sowie durch Schaffen einer geschlossenen Rebenanbaufläche, wie das in dem bereits flurbereinigten Teil der Weinberglage St. geschehen ist.
Der Rebenanbau muß sich auch innerhalb der O. Weininsel auf die europäische Weinmarktordnung einstellen und seine Erzeugung so einrichten, daß die Winzer mit größtmöglicher Zuverlässigkeit einen Wein liefern, der in Qualität und Menge den durch Marktordnung und Marktlage gestellten Anforderungen innerhalb des engeren Anbaugebiets - d. i. hier die in die Weinbergsrolle eingetragene Lage "St." - entsprechen. Erfahrungsgemäß wird sich die derart allgemein angestrebte Qualitäts- und Quantitätssteigerung nicht allein durch Zusammenlegung und andere - wirtschaftlichere - Gestaltung der Grundstücke erreichen lassen; es werden auch umfangreichere Arbeiten, insbesondere Erdarbeiten erforderlich werden, die jedoch mit den heutigen technischen Hilfsmitteln der Flurbereinigungsbehörden in verhältnismäßig kurzer Zeit und mit vertretbaren Kosten zu bewältigen sind. Daß sich eine erhebliche Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung durch Weinbergsflurbereinigung erzielen läßt, ist in den deutschen Weinbaugebieten allgemein bekannt. Es ist durchaus gerechtfertigt, den entsprechenden Schluß auch hinsichtlich des noch nicht flurbereinigten, hier einer Flurbereinigung unterworfenen, u. a. den Klägern gehörenden Teils der Weinbergslage St. zu ziehen.

Wohl weisen die Kläger darauf hin, daß sie in der Mehrzahl Hobby-Winzer seien, die nur ihren Hausbedarf decken wollten; sie lassen dabei jedoch außer Acht, daß sich ihre eigenen Marktgewohnheiten rasch ändern können und daß andere Winzer des Flurbereinigungsgebiets ihre Erzeugnisse auf den Markt bringen wollen. Dieses Vorbringen der Kläger läßt sich infolgedessen nur als die Darlegung ihres negativen Interesses an der Flurbereinigung werten. Auf ihr Desinteresse kommt es indes nicht an.