Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 19.06.1986 - 13 A 83 A.337
Aktenzeichen | 13 A 83 A.337 | Entscheidung | Urteil | Datum | 19.06.1986 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht München | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Mit Berücksichtigung des Belangs der wertgleichen Abfindung (§ 44 Abs. 1 FlurbG) ist der flurbereinigungsrechtliche Gestaltungsauftrag nur grundsätzlich erfüllt. |
2. | Daneben ergibt sich aus dem Wesen rechtsstaatlicher Planung auch für das Fachplanungsrecht Flurbereinigung das Gebot gerechter Abwägung aller von der Flurbereinigungsplanung berührten Belange (§ 37 Abs. 1 Satz 1 und § 44 Abs. 2 Halbsatz 1 FlurbG). |
3. | Zu diesen Belangen zählen die Gestaltungswünsche der Teilnehmer nach § 57 FlurbG, sofern sie sich im Rahmen der Gesamtkonzeption der § 1, § 37 FlurbG bewegen und die Verbesserung der eigenen betriebswirtschaftlichen Verhältnisse zum Ziele haben, wie die Schaffung einer rückwärtigen Hofausfahrt. |
Aus den Gründen
Die Klage ist zulässig und im Umfang des zuletzt gestellten Klageantrages auch begründet, da die Planentscheidung insoweit auf einem unrichtigen Abwägungsergebnis beruht (vgl. § 114 VwGO; § 146 Nr. 2 FlurbG).
Dabei geht es nicht darum, daß die Beklagte den in die Abwägung einzustellenden Belang der wertgleichen Abfindung (§ 44 Abs. 1 FlurbG) verkannt hätte. Das stellen die Kläger - wie ihr Klageantrag ergibt - auch nicht mehr in Frage. Unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Wertgleichheit der Abfindung könnten sie die erstrebte Erweiterung ihrer Hofstelle im Rechtsmittelverfahren nicht verlangen, da sich die Neuordnung beim Anwesen in den Grenzen der vorgefundenen Situation (Einlage-, Forderungs- und Zuteilungswert der Flurstücke 1 und 2 blieben im wesentlichen unverändert) hält und das Gesetz seinen auf Verbesserung nachteiliger Verhältnisse ausgerichteten Planungsgrundsätzen über die Neugestaltung des Flurbereinigungsgebietes (§ 37 Abs. 1 FlurbG) keine für den einzelnen Teilnehmer anspruchsbegründende Verbindlichkeit beilegt (BVerwGE 57, 31, 39). - Das Recht des Teilnehmers, die für ihn vorgesehene Abfindung der gerichtlichen Kontrolle zu unterstellen, erschöpft sich jedoch nicht in der Erfüllung dieses (§ 44 Abs. 1 FlurbG) Planungsgrundsatzes. Vielmehr kann er, da sein Eigentum Gegenstand der durch die Flurbereinigungsplanung zu bewirkenden Veränderungen ist und die Planungsziele auch auf die Einzelabfindung des Teilnehmers ausgerichtet sind, auch zur Entscheidung stellen, ob weitere ihn betreffende Belange in die Abwägung eingestellt und sachgerecht gewichtet worden sind. Dieses Gebot gerechter Abwägung aller von der Planung berührten Belange ergibt sich aus dem Wesen einer rechtsstaatlichen Planung und gilt dementsprechend allgemein (BVerwGE 34, 301/307; 41, 67; 56, 110/123; Korbmacher, DÖV 1978, S. 589/594). Aus den Besonderheiten des Fachplanungsrechts Flurbereinigung ergeben sich insoweit keine Abweichungen (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 1 und § 44 Abs. 2 Halbsatz 1 FlurbG). Der im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.12.1978 (BVerwGE 57, 192 RzF - 7 - zu § 146 Nr. 2 FlurbG) entschiedene Fall bot keinen Anlaß, auch zu der Frage Stellung zu nehmen, ob ein zwar gleichwertig abgefundener Teilnehmer gleichwohl eine Planänderung im Interesse der Arbeitserleichterung deshalb anstreben kann, weil der von ihm eingestellte Belang nicht sachgerecht abgewogen worden ist. Denn nach den hierfür maßgeblichen Ausführungen des Urteils (BVerwGE a.a.O. S. 197) ist der mit dem Gestaltungsauftrag verfolgte Zweck im Rahmen der bei der Neuordnung abzuwägenden Interessen der Teilnehmer - nur - grundsätzlich erreicht, wenn die Gleichwertigkeit der Gesamtabfindung gewährleistet ist; es werden aber dann Fallgestaltungen aufgezeigt, in denen trotz gleichwertiger Abfindung ein unzweckmäßiger Ermessensgebrauch vorliegen kann, dem sich das Gericht annehmen muß (§ 146 Nr. 2 FlurbG). In diese Richtung aber weist der Vortrag der Kläger, der darauf abhebt, daß eine gerechte Abwägung ihrer rechtlich geschützten Belange nicht stattgefunden habe.
Zu den Belangen (als Planungsleitlinien zur Verbesserung der bestehenden Verhältnisse), die in die für die Gestaltung der Abfindung eines Teilnehmers vorzunehmende Abwägung einzustellen sind, zählen die Gestaltungswünsche nach § 57 FlurbG, sofern sie sich im Rahmen der Gesamtkonzeption der § 1, § 37 FlurbG bewegen, die Verbesserung der eigenen betriebswirtschaftlichen Verhältnisse zum Ziel haben und rechtzeitig an die Flurbereinigungsbehörde herangetragen worden sind (BayVGH vom 19.11.1982, RdL 1984, S. 39 - das Urteil hat inzwischen Rechtskraft erlangt, Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.04.1986 - BVerwG 5 B 113.83 -RzF - 14 - zu § 57 FlurbG).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund rügen die Kläger zu Recht, daß die unterlassene Verbesserung der nachteiligen Verhältnisse im Bereich ihres Anwesens auf einem unrichtigen Abwägungsergebnis beruht. Dafür sind folgende Überlegungen maßgebend:
Die Kläger haben rechtzeitig bei den Abfindungsverhandlungen am 17.02.1976 auf die beengten und erschließungsmäßig ungünstigen Verhältnisse bei ihrer Hofstelle hingewiesen und die Forderung gestellt, die Neuordnung in diesem Bereich durch Vergrößerung ihres Hofgrundstücks so vorzunehmen, daß sie im Anschluß an die östliche Scheunentenne nach Süden hin eine rückwärtige Hofausfahrt anlegen können. Dieser von den Klägern eingestellte Belang ist am Flurbereinigungsgesetz orientiert; die Vergrößerung der Hofstelle zur Schaffung einer rückwärtigen Ausfahrt aus dem Hofraum gehört ohne weiteres zu den Maßnahmen, durch welche die Grundlagen der Wirtschaftsbetriebe verbessert, der Arbeitsaufwand vermindert und die Bewirtschaftung erleichtert werden (§ 37 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 FlurbG). Nun hat die Beklagte den klägerischen Belang zwar in ihre Abwägung einbezogen (§ 37 Abs. 1 Satz 1, § 44 Abs. 2 Halbsatz 1 FlurbG). Das Abwägungsergebnis leidet aber unter dem Mangel, daß bei der Abwägung zu Unrecht ein rechtliches Hindernis, nämlich die gebotene wertgleiche Abfindung für den Besitzstand des Beigeladenen, zur Berücksichtigung des klägerischen Gestaltungswunsches angenommen worden ist; denn der Besitzstand H. kann - wie noch darzulegen ist - auch bei einem Eingriff in das Flurstück 4 wertgleich abgefunden werden. Diese Fehleinschätzung durch die Beklagte führt zur Fehlgewichtung des klägerischen Belanges und damit zu einem unrichtigen Abwägungsergebnis. § 144, 146 Nr. 2 FlurbG geben dem Flurbereinigungsgericht die Befugnis, den Planungsfehler zu korrigieren und die gebotene Gestaltung selbst vorzunehmen (BVerwGE 57, 192/198), ohne daß sich der Beigeladene auf die ihm gegenüber eingetretene Unanfechtbarkeit des Flurbereinigungsplanes berufen kann, da jede Abfindung bis zur Schlußfeststellung unter dem Vorbehalt möglicher Änderungen steht (BVerwG vom 25.05.1961 RzF - 10 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG, RdL 1961, 274 und vom 26.05.1978, BVerwGE 56, 1/2 RzF - 12 - zu § 8 Abs. 1 FlurbG).
Der gerichtliche Augenschein hat die Darstellung der Kläger über die bestehenden ungünstigen Erschließungsverhältnisse bei ihrem Anwesen bestätigt. Abgesehen von den im Lichte der Verkehrssicherheit als unbefriedigend anzusehenden Verhältnissen im Bereich der - einzigen - Hofeinfahrt von der Staatsstraße 2299 her, wie sie im Schreiben des Straßenbauamtes W. vom 31.03.1980 (Widerspruchsakt Nr. 13; VGH-Akt S. 22) zutreffend angesprochen werden, ist für die klägerische Hofstelle, so wie sie aufgrund der vorhandenen Anlagen eingerichtet ist und geführt wird, eine rückwärtige Zu- und Abfahrt zweckmäßig, damit der Betrieb rationell bewirtschaftet werden kann. Er ist auf Getreideanbau ausgerichtet. Im östlichen Scheunenbereich sind entlang der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Tenne beidseitig Getreidesilos eingebaut, die über einen Beschickungsschacht mit Förderschnecke im Tennenbereich gefüllt werden. Dazu kommen im klägerischen Betrieb vorhandene schwere und lange Fahrzeuge zum Einsatz, die - bislang - nach Beendigung des Abladevorganges wieder rückwärts in den freien Hofraum über mehrere Wendevorgänge gebracht werden müssen, da eine Weiterfahrt durch die Tenne und im rechten Winkel zur Ortsstraße Flurstück 3256 wegen der geringen Breite (4,10 m) des zur Verfügung stehenden Grundstücksstreifens (Flurstück 2) nicht möglich ist. Die Schaffung einer rückwärtigen Ausfahrt auf eigenem Grund durch die Tenne im westlichen Scheunenbereich oder unter Inanspruchnahme des zwischen Wohnhaus und Scheune befindlichen Stallgebäudes ist im Hinblick auf die vorhandene Siloanlage mit Förderschnecke im östlichen Scheunenbereich unzweckmäßig und darüber hinaus wegen des zu erwartenden höheren Kostenaufwands (vgl. auch das Schreiben der Regierung von U. vom 20.07.1976 - Widerspruchsakt Nr. 13 -) unwirtschaftlich.
Die Frage, ob den Klägern gleichwohl die Schaffung einer - wenn auch kostenmäßig und betriebswirtschaftlich ungünstigeren - rückwärtigen Ausfahrt auf eigenem Grund zuzumuten ist, stellt sich nicht, da das Flurstück 4 des Beigeladenen, das für eine zweckmäßige Ausfahrt in Anspruch genommen wird, nicht dem besonderen Schutz des § 45 FlurbG unterliegt; es ist keine Hoffläche im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG, da es nicht dazu bestimmt ist, der Betriebsführung des Anwesens des Beigeladenen zu dienen; es wird ausschließlich als Garten genutzt (BVerwG vom 26.09.1969, RzF - 10 - zu § 45 Abs. 1 FlurbG). Dann aber ist die Frage nach der Zulässigkeit eines Eingriffs in ein eingebrachtes Grundstück für den Abwägungsvorgang und die in ihn einzustellenden Belange nur unter dem Gesichtspunkt der wertgleichen Abfindung (§ 44 FlurbG) bedeutsam, wobei unter diesem Gesichtspunkt grundsätzlich kein Teilnehmer die unveränderte Wiederzuteilung seines Altbesitzes verlangen kann.
Nach den Feststellungen des Gerichts beim Augenschein wird die Zuteilung der in beiliegendem Kartenausschnitt näher dargestellten Teilfläche von 0,0095 ha (1 425 Wertverhältniszahlen - WVZ -) aus dem Flurstück 4 an die Kläger ihrer Forderung nach Vergrößerung der Hofstelle zur Anlegung einer zweckmäßigen rückwärtigen Ausfahrt gerecht. Sie wird nun über die Fahrt durch die Tenne im östlichen Scheunenbereich zur Ortsstraße 3256 möglich, wobei der Radius für die neu anzulegende Ausfahrt bezogen auf die Größe der im klägerischen Betrieb verwendeten Fahrzeuge ausreichend groß bemessen, aber in diesem Ausmaß auch notwendig ist.
Die betriebswirtschaftliche Zweckmäßigkeit (§ 37 Abs. 1 FlurbG) einer rückwärtigen Ausfahrt kann nicht mit dem Hinweis auf die Zuteilung des ortsnah gelegenen Flurstücks 352 an die Kläger in Frage gestellt werden, auf dem sie bereits eine Maschinenhalle errichtet haben. Die Kläger führen ihren Betrieb von der Hofstelle aus; das Erntegut wird nach wie vor dort eingebracht und gelagert. Von der zweckmäßigen Erschließung der Hofstelle hängt es aber wesentlich ab, ob ein landwirtschaftlicher Betrieb rationell wirtschaften kann (BayVGH vom 22.02.1979, RzF - 27 - zu § 37 Abs. 1 FlurbG). Daß Maschinen nach dem Einsatz zur Entlastung der Hofstelle auf dem Flurstück 352 abgestellt werden, ändert daran nichts; dieser Umstand bedingt vielmehr einen zusätzlichen Aus- und Einfahrtsvorgang.