Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 12.02.1998 - 13 A 96.2608

Aktenzeichen 13 A 96.2608 Entscheidung Urteil Datum 12.02.1998
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Abhilfe liegt nur dann vor, wenn dem Begehren des Widerspruchsführers entsprochen, ihm inhaltlich Rechnung getragen wird.
2. Eine "Verböserung" (reformatio in peius) im Rahmen der Widerspruchsbehandlung durch die Ausgangsbehörde ist keine Abhilfe; sie ist eine Planänderung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, die nur bis zur Ausführungsanordnung (§ 61 und § 63 FlurbG) zulässig ist.

Aus den Gründen

Der Beschluß vom 6. Juni 1995 kann keinen Bestand haben, da die Beklagte zu diesem Zeitpunkt nur befugt war, den Flurbereinigungsplan gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 FlurbG zu ändern, ihre Entscheidung aber keine Abhilfe im Sinne dieser Bestimmung darstellte.

Vom Zeitpunkt des Eintritts des neuen Rechtszustandes an - im Flurbereinigungsverfahren T. war dies aufgrund der vorzeitigen Ausführungsanordnung vom 15. August 1994 der 1. Oktober 1994 - kann die Flurbereinigungsbehörde den Flurbereinigungsplan grundsätzlich nur noch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 64 FlurbG ändern; die umfassende Planänderungsbefugnis nach § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG erlischt mit diesem Stichtag (BVerwG vom 29.4.1976 <RzF - 11 - zu § 60 Abs. 1 FlurbG>). Daneben kann die Flurbereinigungsbehörde nach dem Stichtag den Flurbereinigungsplan ändern, um gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 FlurbG begründeten Widersprüchen abzuhelfen (BVerwG vom 12.6.1986 <RzF - 17 - zu § 60 Abs. 1 FlurbG>).

Nach § 18 Abs. 2 FlurbG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung des Flurbereinigungsgesetzes - AGFlurbG - sind der Teilnehmergemeinschaft die Aufgaben und Befugnisse der Flurbereinigungsbehörde zur Neugestaltung des Verfahrensgebietes, insbesondere zur Erstellung des Flurbereinigungsplanes übertragen. Ausgenommen von der Übertragung sind u.a. die Aufgaben und Befugnisse nach § 64 FlurbG (vgl. Art. 2 Abs. 2 AGFlurbG). Die Beklagte war deshalb nach dem 1. Oktober 1994 zur Änderung des Flurbereinigungsplanes nur berechtigt, wenn dadurch einem begründeten Widerspruch abgeholfen wurde (§ 60 Abs. 1 Satz 1 FlurbG).

Diese Voraussetzung erfüllte der Beschluß vom 6. Juni 1995 nicht, da mit der Rückgängigmachung der Zuteilung der neuen Flurstücke 589 und 858 dem vom Kläger wegen der Erschließung dieser beiden Grundstücke erhobenen Widerspruch vom 6. Juni 1994 nicht im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 FlurbG abgeholfen wurde. Eine Abhilfe liegt vor, wenn dem Begehren des Widerspruchsführers ganz oder teilweise entsprochen wird (vgl. BayVGH vom 12.2.1982 BayVBI 1982, 439); dem Begehren muß inhaltlich Rechnung getragen werden (vgl. Eyermann/Rennert, Verwaltunsgerichtsordnung, 10. Aufl. 1998 RdNr. 11 zu § 72). Abhelfen können hätte die Beklagte dem Verlangen des Klägers deshalb dadurch, daß sie den Flurbereinigungsplan dahin geändert hätte, die Wege Flurstücke 588/12 und 867 - neu - anstatt als beschränkt öffentliche Wege beispielsweise als öffentliche Feld- und Waldwege auszuweisen. Ziel des Widerspruchs des Klägers war es, die ihm zugeteilten Flurstücke 589 und 858 so zu erschließen, daß er sie als Acker bzw. Wiese zweckmäßig nutzen konnte. Diesem Begehren wurde inhaltlich nicht dadurch Rechnung getragen, daß die Zuteilung dieser Grundstücke rückgängig gemacht wurde. Mit dem Beschluß vom 6. Juni 1995 wurde dem Verlangen des Klägers weder ganz noch teilweise entsprochen. Durch ihn war dem Kläger vielmehr gleichzeitig eine andere Beschwer erwachsen, die er zum Gegenstand des aufrechterhaltenen Widerspruchs und der nachfolgenden Klage gemacht hat. Die Entscheidung vom 6. Juni 1995 stellt eine "Verböserung" für den Kläger dar, da sein Widerspruch vom 6. Juni 1994 zum Anlaß genommen wurde, den ihn begünstigenden Verwaltungsakt "Zuteilung der neuen Flurstücke 589 und 858" aufzuheben. Eine solche "Verböserung" ist zwar im Widerspruchsverfahren nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. Eyermann/Rennert, a.a.O. RdNr. 17 zu § 68). Im Flurbereinigungsverfahren ist jedoch, wie dargelegt, die Teilnehmergemeinschaft als Flurbereinigungsbehörde nach dem Eintritt des neuen Rechtszustandes zu einer Planänderung, die ihrem Inhalt nach keine Abhilfe im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 FlurbG darstellt, nicht mehr befugt (vgl. zu alldem auch BVerwG vom 29.5.1980 RdL 1981, 41/42, das die Verböserung durch die Ausgangsbehörde unter die Planänderungsbefugnis des § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG einordnet ).