Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 24.10.1972 - III F 43/69
Aktenzeichen | III F 43/69 | Entscheidung | Urteil | Datum | 24.10.1972 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Kassel | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Anlage eines Skigeländes dient dem öffentlichen Interesse. |
2. | Ein öffentliches Interesse kann nur dann zu einer Änderung des Flurbereinigungsplanes nach § 64 FlurbG führen, wenn dieses Interesse auch bei seinem Vorhandensein vor der Ausführungsanordnung eine Änderung erlaubt hätte. |
3. | § 40 FlurbG erfaßt lediglich die Anlagen, die geeignet sind, die Befriedigung der grundlegenden Lebensbedürfnisse in einem Flurbereinigungsgebiet unmittelbar zu sichern und zu verbessern. |
4. | § 37 Abs. 1 und 2 FlurbG eröffnen keine Möglichkeit, Land für ein Skigelände bereitzustellen. |
5. | Zur Frage der Gleichwertigkeit einer Abfindung bei Auswirkungen von Bergbau, der unter Altbesitz bzw. Abfindungsstücken eines Teilnehmers umgegangen ist. |
Aus den Gründen
Es kann zwar zunächst als unstreitig gelten, daß das Grundstück Flur 9 Nr. 304 zur Anlage eines gemeindlichen Skigeländes Verwendung finden soll. Und mit dem Kulturamtsvorsteher (vgl. dessen Stellungnahme Bl. 9 der Beschw.-Akten) ist unzweifelhaft, daß die Anlage eines Skigeländes der Förderung der öffentlichen Gesundheit und somit einem öffentlichen Interesse dient. Indes kann ein öffentliches Interesse zu einer Änderung des Flurbereinigungsplans nach § 64 FlurbG nur dann führen, wenn dieses Interesse auch bei seinem Vorhandensein vor der Ausführungsanordnung eine Änderung des Flurbereinigungsplans erlaubt hätte. § 64 FlurbG - der eng auszulegen ist, wie sich aus Rechtsprechung und Literatur ergibt (vgl. statt vielen Seehusen u.a., 2. Aufl. zu § 64 FlurbG) - will nicht irgendwelche Änderungsbefugnisse der Flurbereinigungsbehörde erweitern, sondern hat im Gegenteil zum Vorteil der Teilnehmer am Verfahren eine Beschränkung der Änderungsmöglichkeiten zum Ziel.
Mithin kann ein öffentliches Interesse nur dann eine Änderungsmöglichkeit eröffnen, wenn dadurch der sich aus den sonstigen Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes ergebende Rahmen der Änderungsbefugnisse nicht überschritten wird.
Das ist hier jedoch der Fall. Der Senat hat bereits in einem früheren Urteil vom 21.4.1967 - III F 189/65 ausgeführt, daß eine Gemeinde keinen Anspruch darauf hat, für einen Sportplatz Land ausgewiesen zu bekommen. Weder § 39 noch § 40 eröffnen diese Möglichkeit. Auch ein Skigelände dient nicht dem gemeinschaftlichen sondern dem öffentlichen Interesse, so daß § 39 FlurbG schon ausscheidet. § 40 FlurbG scheidet ebenso aus, denn unter die in § 40 FlurbG angeführten Anlagen sind nach dem genannten Urteil Sportanlagen nicht zu fassen. Die beispielhafte Aufzählung weist eindeutig auf einen Kreis von Anlagen, der geeignet ist, die Befriedigung der grundlegenden Lebensbedürfnisse in einem Flurbereinigungsgebiet unmittelbar zu sichern und zu verbessern. Zu diesen Anlagen gehören aber nicht Sportanlagen in Form der hier vorgesehenen Ski- und Abfahrtsstrecke, die allenfalls über ihren Anziehungswert im Rahmen des Fremdenverkehrs für die Einwohner der Gemeinde H. allgemeine Bedeutung gewinnen kann. Schon die Tatsache, daß § 47 RUO die Bereitstellung von Land zur Anlage von Spiel- und Sportplätzen vorgesehen hat, der im übrigen nahezu gleichlautende § 40 Satz 1 FlurbG, der an seine Stelle getreten ist, aber nicht mehr, deutet auf den Willen des Gesetzes hin, Sportanlagen nicht ohne weiteres zu den Anlagen nach § 40 FlurbG gezählt zu sehen.
Auch § 37 Abs. 2 FlurbG eröffnet keine Möglichkeit zur Bereitstellung von Land für eine solche Sportanlage. Es bedarf vielmehr einer konkreten Vorschrift des Flurbereinigungsgesetzes, um solche Maßnahmen zu ermöglichen, denn die Flurbereinigungsbehörde kann im Rahmen ihres weitgespannten Tätigkeitsbereichs nicht jede Maßnahme treffen, die für notwendig und zweckmäßig gehalten wird (Hess. VGH, Urt. a.a.O. und BVerwG Urteil vom 13.11.1958 - NJW 59/643 = RzF - 1 - zu § 37 Abs. 2 FlurbG).
Auch § 37 Abs. 1 FlurbG bietet keine Handhabe, denn nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird in der durch Abs. 1 gegebenen Richtlinie nicht etwa die Förderung außerlandwirtschaftlicher, besonders kommunaler Interessen angesprochen (vgl. Urteil vom 30.4.1969 - III F 41/66 in RzF - 8 - zu § 37 Abs. 1 FlurbG). Das Interesse der beigeladenen Gemeinde H. an der Erstellung der Skianlage ist aber gerade ein solches, das aus den kommunalen Belangen, hier dem Willen zur Stärkung des Fremdenverkehrs, herrührt. Ein nicht vorhersehbares wirtschaftliches Interesse eines Beteiligten i.S. des § 64 FlurbG, insbesondere ein solches der Gemeinde liegt ebenfalls nicht vor, denn bereits vor der Ausführungsanordnung - nämlich seit der Beschwerde der Beigeladenen im Anhörungstermin nach § 59 FlurbG - war dem H. D. der Wunsch der Gemeinde zur Anlage des Skigeländes bekannt. Dennoch wurde später die Ausführungsanordnung erlassen, ohne daß bis zu diesem Zeitpunkt die erkannte Absicht der Gemeinde verwirklicht worden wäre.
Außerdem verletzt die nun von der Spruchstelle vorgesehene Abfindung den klägerischen Abfindungsanspruch. Nach § 44 Abs. 2 sind bei der Landabfindung unter anderem alle Umstände zu berücksichtigen, die auf den Ertrag, die Benutzung und die Verwertung der Grundstücke wesentlichen Einfluß haben.
Dazu ist festzustellen, daß der klägerische Altbesitz nur ein einziges Grundstück aufweist, unter dem Bergbau umgegangen ist. Dort ist jedoch keine Bergschadensgefahr gegeben, da der Bergbau in großer Tiefe mit sehr geringem Stollenquerschnitt vorgenommen wurde. Das den Klägern nunmehr zugeteilte Grundstück Flur 2 Nr. 83/2 ist dagegen - wie die amtliche Auskunft des Leiters des Bergamtes W. und die Ortsbesichtigung ergeben haben - mit Bergschäden behaftet, die in Form einer Trichterkette infolge von Einstürzen von Süden nach Norden über das Grundstück sichtbar sind. Hier ist auch weiterer Schaden und damit verbundene Gefahren für alle, die das Grundstück betreten oder nutzen, gegeben. Wie die Auskunft des Leiters des Bergamtes W. ergibt, gilt dies auch für den Teil, der zwischen der in der Karte angegebenen Grenze des "Schwerspatrechts" und der Grundstücksgrenze liegt, weil infolge der Schräglage der Sedimente bis zu 70 % nicht auszuschließen ist, daß sich die Einbrüche nach Osten hin im Grundstück fortsetzen oder neu auftreten. Eine sich daraus ergebende Verschlechterung der Abfindung gemessen am Altbesitz brauchen die Kläger nach der genannten Vorschrift nicht hinzunehmen.