Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13.11.1958 - I C 132/57 = Buchholz BVerwG 424.01 § 37 FlurbG Nr. 1= NJW 1959 S. 643

Aktenzeichen I C 132/57 Entscheidung Urteil Datum 13.11.1958
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen Buchholz BVerwG 424.01 § 37 FlurbG Nr. 1 = NJW 1959 S. 643  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. § 37 Abs. 2 erster Halbs. FlurbG gibt der Flurbereinigungsbehörde nur insoweit eine Ermächtigung zur Gestaltung der rechtlichen Verhältnisse im Flurbereinigungsgebiet, als es sich um Maßnahmen handelt, zu denen die Flurbereinigungsbehörde auf Grund anderer Bestimmungen des FlurbG ermächtigt ist.
2. Der allgemeine Vorteil, den die Flurbereinigung bietet, kann nur unter besonderen Umständen als Ausgleich für konkrete Nachteile, die ein Beteiligter erleidet, herangezogen werden. Regelmäßig ist ein meßbarer Nachteil durch entsprechende Vorteile anderer Art auszugleichen.

Aus den Gründen

Bei der Prüfung der Frage, ob die Flurb.Behörde befugt ist, Fensterrechte zu begründen, ist von folgenden Erwägungen auszugehen: Der Aufgabenbereich der Flurb.Behörde ergibt sich aus dem Begriff der Flurbereinigung. Er bestimmt den Umfang und die Grenzen der behördlichen Tätigkeit. Der Begriff der Flurbereinigung ist in § 1 FlurbG und nicht in § 37 FlurbG festgelegt. Er besagt: "Zur Förderung der landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Erzeugung und der allgemeinen Landeskultur kann zersplittert oder unwirtschaftlich geformter ländlicher Grundbesitz nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zusammengelegt, wirtschaftlich gestaltet und durch andere landeskulturelle Maßnahmen verbessert werden (Flurbereinigung)." Die vom Gesetzgeber zur Erledigung dieses Auftrags für erforderlich und für zulässig gehaltenen Maßnahmen sind im wesentlichen in § 37 Abs. 1 FlurbG näher bezeichnet. Diese Vorschrift wird im einzelnen durch andere Bestimmungen des FlurbG erweitert oder ergänzt. Im Rahmen dieser Bestimmungen ist die Flurb.Behörde nach § 37 Abs. 2 erster Halbs. FlurbG ermächtigt, rechtliche Regelungen zu treffen. Der Auffassung, daß diese Bestimmung eine selbständige ermächtigende Grundlage für Eingriffe in das Eigentum und für die rechtliche Gestaltung der gegebenen Verhältnisse darstelle, vermag der Senat nicht zu folgen. § 37 Abs. 2 erster Halbs. gibt der Flurb.Behörde nur insoweit eine Ermächtigung zur Gestaltung der rechtlichen Verhältnisse im Flurbereinigungsgebiet, als es sich um Maßnahmen handelt, zu denen die Flurb.Behörde auf Grund anderer Bestimmungen des FlurbG ermächtigt ist. Das ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des § 37 Abs. 2 erster Halbs. FlurbG, der durch das Wörtchen "dabei" auf die in § 37 Abs. 1 FlurbG genannten Maßnahmen Bezug nimmt. Soweit der OBAnw. und der Vertreter der Beklagten aus dieser Bestimmung eine weitergehende Ermächtigung ableiten wollen, kann ihnen nicht gefolgt werden. Gegen eine solche Auslegung müßten rechtsstaatliche Bedenken geltend gemacht werden. Die Flurb.Behörde kann nicht jedwede Anordnung treffen, die sie im Rahmen ihres weitgespannten Tätigkeitsgebietes für notwendig und zweckmäßig erachtet. Ein solcher Schluß von dem zu erstrebenden Ziel auf die Befugnis, vom Zweck auf die Mittel, wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Die Flurb.Behörde muß sich vielmehr in jedem Fall auf eine konkrete Vorschrift des FlurbG stützen können, die die einzelne Maßnahme zuläßt. Dazu bedarf es keines kasuistischen Katalogs, der die zulässigen Maßnahmen aufzählt. Die Regelung, wie sie in § 37 Abs. 1 Satz 2 FlurbG und in anderen Bestimmungen des Gesetzes durch weitgefaßte Begriffe, die die verschiedensten in Betracht kommenden Maßnahmen decken, getroffen ist, kann bei den Besonderheiten der Flurbereinigung nicht beanstandet werden. Dabei bleibt allerdings zu beachten, daß § 37 Abs. 1 Satz 1 nur eine allgemeine Richtlinie für die Ausübung der im nachfolgenden Satz genannten Befugnisse darstellt; denn der Auftrag, die Flur neu zu gestalten, ergibt sich bereits aus § 1 FlurbG. Aus § 37 Abs. 2 erster Halbs. FlurbG allein kann die Bestellung der Fensterrechte somit nicht gerechtfertigt werden.

Dagegen könnte die Vorschrift des § 37 Abs. 1 Satz 2 FlurbG in Frage kommen, der der Flurb.Behörde unter anderem auferlegt, "alle sonstigen Maßnahmen" zu treffen, durch welche die Grundlagen der Wirtschaftsbetriebe verbessert werden oder der Arbeitsaufwand vermindert und die Bewirtschaftung erleichtert wird. Da in der angef. Entsch. in dieser Richtung ausreichende Feststellungen fehlen, mußte das Urteil aufgehoben und die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Flurbereinigungsgericht zurückverwiesen werden.

Dabei wird der erste Richter berücksichtigen müssen, daß eine Verbesserung der Grundlagen des Wirtschaftsbetriebes, eine Verminderung des Arbeitsaufwandes oder eine Erleichterung der Bewirtschaftung nicht bei jeder Maßnahme vorliegt, die im Interesse eines Beteiligten liegt, wie das Flurbereinigungsgericht offenbar meint. Das Gericht muß auch dem Einwand der Kläger nachgehen, die Fenster seien teilweise für ein Gast- und ein Fremdenzimmer vorgesehen. Die Begründung eines Fensterrechts für diese Zwecke kann regelmäßig nicht als eine Maßnahme angesehen werden, die auf eine mit der Flurbereinigung erstrebte Verbesserung der Agrarstruktur abzielt. Der Gesichtspunkt des Flurbereinigungsgerichts, durch die Bestellung des Fensterrechts solle für die Zukunft der bisherige Streit zwischen den Klägern und der Beigeladenen über die Fenster beseitigt werden, ist für sich allein gesehen keine ausreichende Begründung für die behördliche Maßnahme. Es ist nicht Aufgabe der Flurbereinigung, private Streitigkeiten zu schlichten. Ihr Eingreifen kann in einem solchen Fall nur dann gerechtfertigt sein, wenn die von ihr durchgeführte Maßnahme unter den oben genannten Voraussetzungen zulässig ist und dadurch der Streit aus der Welt geschafft wird.

Liegen die Voraussetzungen für ein Eingreifen der Flurbereinigungsbehörde grundsätzlich vor, so müssen die Belange der von der Maßnahme Betroffenen gegeneinander abgewogen werden (wird ausgeführt).

Das Flurbereinigungsgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt, daß die durch die Bestellung des Fensterrechts begründete Wertminderung des Anwesens der Kläger nicht entschädigt werden müsse. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Eine im Rahmen der Flurbereinigung auftretende Wertminderung muß entweder durch Landzuteilung, geldliche Entschädigung oder andere Vorteile ausgeglichen werden. Das Flurbereinigungsgericht geht offenbar bei seinen Überlegungen von § 49 Abs. 3 FlurbG aus. Danach ist eine durch Aufhebung eines Rechts entstehende Wertminderung nur dann zu berücksichtigen, wenn sie erheblich ist. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Ob diese Bestimmung mit Art. 14 GG in Einklang steht, bedarf daher keiner Entscheidung. Die Auffassung, daß die Wertminderung durch die gute Zusammenlegung ausgeglichen werde, kann nicht überzeugen. Wie der Senat im Urteil vom 30.9.1958 RzF - 3 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG - BVerwG I C 6/57 - entschieden hat, kann der allgemeine Vorteil, den die Flurbereinigung bietet, nur unter besonderen Umständen als Ausgleich für konkrete Nachteile, die ein Beteiligter erleidet, herangezogen werden. Regelmäßig ist ein meßbarer Nachteil durch entsprechende Vorteile anderer Art auszugleichen. Gründe dafür, daß die allgemeinen Vorteile, die die Kläger durch die Flurbereinigung erlangt haben, hier ausnahmsweise als Ausgleich für die Belastung mit dem dinglichen Recht angesehen werden können, sind nicht ersichtlich.