Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 01.09.2004 - BVerwG 10 C 1.04 (früher 9 C 14.03) = AUR 2005, 199= BVerwGE 121, 373= NVwZ – RR 0582 (Lieferung 2006)

Aktenzeichen BVerwG 10 C 1.04 (früher 9 C 14.03) Entscheidung Urteil Datum 01.09.2004
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen = AUR 2005, 199 = BVerwGE 121, 373 = NVwZ – RR 0582  Lieferung 2006

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Im Wertermittlungsverfahren des Bodenordnungsverfahrens nach § 64 LwAnpG LwAnpG ist § 19 Absatz 2 Satz 3 Nr. 2 Sachenrechtsbereinigungsgesetz entsprechend anwendbar, wenn der Bodenordnungsplan Flächen einbezieht, auf denen sich stillgelegte Anlagen oder nicht mehr genutzte Gebäude befinden, deren alsbaldiger Abbruch erforderlich und zu erwarten ist. Gleiches gilt, wenn und soweit lediglich eine Zwischennutzung stattfindet, die in naher Zukunft mit der Beseitigung der Gebäude oder Anlagen beendet werden soll.
2. Im Sinne von § 19 Absatz 2 Satz 3 Nr. 2 Sachenrechtsbereinigungsgesetz ist ein alsbaldiger Abbruch nicht erst dann „erforderlich“, wenn die Bausubstanz aufstehender Gebäude oder baulicher Anlagen mit der Folge abbruchreif ist, dass eine polizeiliche Verantwortung des Eigentümers als Zustandsstörer besteht. Erforderlich ist ein Abbruch vielmehr auch dann, wenn die Gebäude oder Anlagen nach der Verkehrsanschauung eine wertlose Bausubstanz darstellen.
3. An die Prognose, ob der alsbaldige Abbruch von Gebäuden oder Anlagen im Sinne von § 19 Absatz 2 Satz 3 Nr. 2 Sachenrechtsbereinigungsgesetz „zu erwarten“ ist, dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Es reicht aus, wenn im Zeitpunkt der letzten mündlichen Behördenentscheidung ein alsbaldiger Abbruch nach den konkreten Umständen des Einzelfalls überwiegend wahrscheinlich ist.
4. Wenn nach § 19 Absatz 2 Satz 3 Nr. 2 Sachenrechtsbereinigungsgesetz die „gewöhnlichen Kosten“ des Abbruchs abzugsfähig sind, kommt darin zum Ausdruck, dass der Behörde ein Beurteilungsspielraum zukommt, in den die gerichtliche Prüfung mangels rechtlicher Maßstäbe nicht einzudringen hat, solange die Ermittlungen als methodisch einwandfrei bezeichnet werden können.

Aus den Gründen

Die Revision der Klägerin ist begründet. Der Befund des Flurbereinigungsgerichts, das Ergebnis der Wertermittlung sei in Anwendung von § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SachenRBerG nicht zu beanstanden, weil ein alsbaldiger Abbruch der aufstehenden Gebäude und baulichen Anlagen nicht im Sinne der genannten Vorschrift erforderlich sei, verstößt gegen Bundesrecht. Da die Feststellungen im Urteil nicht ausreichen, um dem Senat eine abschließende Entscheidung zu ermöglichen, ist die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Flurbereinigungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird zu prüfen und zu entscheiden haben, ob die dem Widerspruchsbescheid zugrunde liegende Wertermittlung ein rechtswidriges Ergebnis hat, weil die durch Abbruchkosten bedingte Wertminderung der Abfindungsgrundstücke zum Nachteil der Klägerin unzutreffend ermittelt worden ist.

1. Keinen Erfolg hat die Revision, soweit sie das Urteil des Flurbereinigungsgerichts mit dem Einwand angreift, bei der Wertermittlung habe das Erbbaurecht der Klägerin gesondert durch Festsetzung einer Abfindung zu ihren Gunsten berücksichtigt werden müssen.

Im Widerspruchsbescheid ist das Erbbaurecht der Klägerin unter Hinweis auf § 49 FlurbG Abs. 1 Satz 2 FlurbG (i.V.m. § 63 Abs. 2 LwAnpG) aufgehoben worden; es sei „entbehrlich geworden, nachdem sich die Beteiligten in der Widerspruchsverhandlung ... entsprechend verständigten". Als Bestandteil dieser Verständigung sieht der Widerspruchsbescheid es offensichtlich an, dass die Klägerin in vollem Umfange für den Wert der ihr als Eigentum zugewiesenen Abfindungsgrundstücke aufkommen muss.

Das Erbbaurecht, das unstreitig einen Wert hat, soweit es durch den Hallenneubau ausgenutzt worden ist, wird auf diesem Wege von der Klägerin mit der Folge abgelöst, dass ihre Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses erlischt. Der Widerspruchsbescheid gelangt insoweit zu der - rechtlich nicht zu beanstandenden - Bewertung, der Erbbauzins entspreche der Höhe nach in etwa einem Nutzungsentgelt, das für die tatsächlich in Anspruch genommenen Flächen zu entrichten wäre, so dass nach Saldierung dieser Beträge keine Abfindungsansprüche verbleiben. Dem steht auch nicht die Aussage des Widerspruchsbescheids entgegen, dass eine "Abfindung für das entbehrlich gewordene Recht zur Nutzung der durch den "Schwarzbau" in Anspruch genommenen Flächen" nicht erfolge. Indem die Klägerin vom Erbbauzins freigestellt wird, ist hinsichtlich der in Ausnutzung des Erbbaurechts erlangten wirtschaftlichen Vorteile die angestrebte Wertgleichheit nämlich in der Tat ohne Festsetzung einer Abfindung erreicht. Im Übrigen, soweit das Erbbaurecht auf sonstigen Flächen lastet, ist das Erbbaurecht aber ebenso wenig abzufinden. Dies hat das Flurbereinigungsgericht zumindest im Ergebnis zutreffend erkannt.

Der Senat folgt dem Flurbereinigungsgericht darin, dass dabei die Anwendbarkeit des § 49 Abs. 1 Satz 2 FlurbG auf die vorliegende atypische Fallgestaltung eines durch die Zuweisung von Grundeigentum abgelösten Erbbaurechts letztlich dahingestellt bleiben kann. Mit den zuvor erörterten Einschränkungen durfte das Flurbereinigungsgericht das Erbbaurecht jedenfalls als wirtschaftlich wertlos behandeln und der Klägerin die von ihr insoweit beanspruchte Abfindung in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Widerspruchsbescheid versagen. Die dem zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen sind für das Revisionsgericht trotz der von der Revision erhobenen Verfahrensrügen bindend (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO).

Auch in Ansehung der im Nichtabhilfebeschluss vom 8. September 2003 enthaltenen Äußerung des Flurbereinigungsgerichts, die Frage des Erbbaurechts sei in den mündlichen Verhandlungen breit erörtert worden, wobei auch die später im Urteil näher begründete Bewertung als im Bereich des Möglichen liegend zur Sprache gekommen sei, erweist sich die im Urteil getroffene Feststellung, das Erbbaurecht an den einem anderen Eigentümer als der Klägerin zugeteilten Flächen sei von der Flurneuordnung "unberührt" geblieben, zwar als aktenwidrig; denn sie ist unvereinbar mit der im Widerspruchsbescheid verfügten Schließung des betreffenden Erbbaugrundbuchs, die ausdrücklich mit der Begründung vorgenommen worden ist, das Erbbaurecht werde aufgehoben. Dementsprechend wird die aus dem angeblichen Fortbestand des Erbbaurechts hergeleitete Folgerung, die Klägerin werde "insoweit durch eine unterbliebene Bewertung des Erbbaurechts nicht in ihren Rechten verletzt, da sich an ihrem Rechtsstand nichts ändert", von der Klägerin mit Recht als überraschend gewertet. Die darin liegende Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör bleibt aber folgenlos, weil sie sich nicht auf das Gesamtergebnis des Verfahrens, sondern nur auf einzelne Feststellungen bezieht, auf die es für die Entscheidung nicht ankommt (stRspr, z.B. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1981 - BVerwG 7 C 78.80 - BVerwGE 62, 6 <10 f.>). Für die Klage abweisende Entscheidung in gleicher Weise tragend ist nämlich die weitere Feststellung des Flurbereinigungsgerichts, "unabhängig von den bereits angestellten Überlegungen" sei das Erbbaurecht weitgehend entwertet; es sei nach dem im Wege der Vertragsauslegung zu ermittelnden Inhalt rechtlich so begrenzt, dass es "wirtschaftlich ersichtlich wenig wert" sei.

Bei dieser Vertragsauslegung handelt es sich um eine Tatsachenfeststellung, an die das Revisionsgericht gebunden ist, wenn die Auslegung nicht einen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2003 - BVerwG 2 C 23.02 - Buchholz 316 § 54 VwVfG Nr. 14, S. 3 m.w.N.). Dem Revisionsgericht ist danach zwar eine Überprüfung der Auslegung auf Beachtung der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB nicht verwehrt (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1989 - BVerwG 8 C 17.87 - BVerwGE 84, 157 <162>). Diese gebieten namentlich nicht beim Buchstaben des Vertragstextes stehen zu bleiben, sondern der Sinn der vertraglichen Regelung unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu erforschen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 21.89 - BVerwGE 84, 257 <264>). Entgegen der Ansicht der Revision erlauben die genannten Maßstäbe es aber nicht, das vom Flurbereinigungsgericht für richtig befundene Ergebnis der Vertragsauslegung als unbeachtlich anzusehen.

§ 3 Nr. 3 des Vertrages mag - wie die Revision einwendet - nur die übliche Wendung über die "schonende Ausübung" des Erbbaurechts enthalten. Dennoch konnte der Vertrag vom Flurbereinigungsgericht ohne Rechtsverstoß so ausgelegt werden, dass daraus keine Verpflichtung der Beigeladenen zu 1 zu entnehmen ist, der Klägerin die Baufreiheit für das damals geplante Gesamtprojekt zu garantieren. Hierfür lässt sich auch anführen, dass die Flurstücke, auf die sich das Erbbaurecht bezog, für eine problemlose Verwirklichung des klägerischen Gesamtprojekts von vornherein ungeeignet waren. Die genannten Flurstücke bildeten nämlich keine zusammenhängende Fläche, sondern waren von Flächen durchzogen, die sich im Eigentum der beigeladenen Stadt P. befanden, und verfügten zudem über keine gesicherte Erschließung zur M. Straße hin, an der die bisherige Zufahrt zum Gelände der GPG lag. Zugleich blieb in dem Vertrag auch das weitere Schicksal der vorhandenen Bebauung einschließlich der alten Versorgungsleitungen ungeklärt. Auch dies stellte für die Klägerin erkennbar ein erhebliches Investitionshemmnis dar, zu dessen Bewältigung der Erbbaurechtsvertrag nicht beiträgt. Der Widerspruchsbescheid äußert deswegen nicht ohne Grund die Vermutung, die Klägerin habe sich mit dem Erbbauvertrag möglicherweise ein dem dinglichen Nutzungsrecht der GPG ähnliches Recht verschaffen wollen, obwohl dies rechtlich nicht möglich gewesen sei. Fest steht jedenfalls, dass der Erbbaurechtsvertrag ein Torso bleiben musste, wenn es der Klägerin in der Folgezeit nicht gelang, ihn durch den Abschluss weiterer Vereinbarungen mit den anderen Eigentümern des ehemaligen Geländes der GPG sinnvoll zu ergänzen. Unstreitig ist das ursprüngliche Projekt der Klägerin aber im Anfangsstadium stecken geblieben. Angesichts dessen waren die vertraglichen Rechte, soweit die Klägerin von ihnen bis dahin keinen Gebrauch gemacht hatte, bei Erlass des Bodenordnungsplans bereits inhaltsleer und damit wirtschaftlich wertlos. Zumindest im Ergebnis ist die Entscheidung des Flurbereinigungsgerichts somit in diesem Punkt nicht zu beanstanden.

2. Zu Recht wendet sich die Revision jedoch gegen die dem Urteil des Flurbereinigungsgerichts zugrunde liegende Auslegung des § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SachenRBerG.

a) Der Senat stimmt dem Flurbereinigungsgericht darin zu, dass die genannte Vorschrift im Wertermittlungsverfahren (vgl. § 27 ff. FlurbG) entsprechend heranzuziehen ist, wenn in die Bodenordnung Flächen einbezogen werden, auf denen sich stillgelegte Anlagen oder nicht mehr genutzte Gebäude befinden, deren - wie es in § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SachenRBerG heißt - "alsbaldiger Abbruch erforderlich und zu erwarten ist". Gleiches gilt, wenn und soweit lediglich eine Zwischennutzung stattfindet, die in naher Zukunft mit der Beseitigung der Gebäude oder Anlagen beendet werden soll. Die Bewertungsregeln, die das Vergleichswertverfahren nach § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 29 Abs. 2 FlurbG zur Verfügung stellt, reichen nicht aus, um den im Bodenordnungsverfahren nach § 64 LwAnpG in diesen Fällen auftretenden Interessenkonflikt zwischen Boden- und Gebäudeeigentümer einem angemessenen Ausgleich zuzuführen. Aufgrund der zu DDR-Zeiten erfolgten Bebauung " besteht insoweit eine Art Zwangsgemeinschaft" (so BVerfG, Beschluss vom 22. Februar 2001 - 1 BvR 198/98 - ZOV 2001, 92 = VIZ 2001, 330), die unter Wahrung der schutzwürdigen Interessen der Beteiligten aufgelöst werden soll. Da diese Interessen im Grundsatz gegenläufig ausgerichtet sind, muss im Rahmen der Bodenordnung eine Neugestaltung der Eigentumsverhältnisse angestrebt werden, die einseitige Bevorzugungen oder Benachteiligungen vermeidet. Dies können die für das Vergleichswertverfahren maßgeblichen Bewertungsregeln nicht leisten, weil sie den Konflikt, der aus der Trennung zwischen Boden- und Gebäudeeigentum erwächst, nicht kennen.

So ist für Altstandorte zwar aus §. 5 Abs. 5 Satz 2 WertV die Bewertungsregel abzuleiten, dass Sanierungskosten, die aufgewandt werden müssen, um diese Flächen erneut zu nutzen, einen Abschlag nach § 14 WertV erfordern; dieser kann unter Umständen dazu führen, dass der Bodenwert zusammenschrumpft oder sich sogar ein negativer Bodenwert bildet (vgl. Kleiber/Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 4. Aufl. 2002, § 5 WertV Rn. 144, S. 830). Nicht beantwortet ist damit aber die Frage, zu wessen Lasten dieser Abschlag gehen soll, wenn es gilt, die Trennung von Boden- und Gebäudeeigentum, die sich auf der Grundlage der sozialistischen Eigentumsordnung entwickelt hat, im Bodenordnungsverfahren zu überwinden. Das noch von der Volkskammer erlassene Landwirtschaftsanpassungsgesetz (Gesetz vom 29. Juni 1990, GBI DDR l S. 642) beantwortet diese Frage ebenfalls nicht, und zwar auch nicht durch die Verweisung auf das Flurbereinigungsrecht (§ 63 Abs. 2 LwAnpG). Hieraus ist vielmehr lediglich zu entnehmen, dass der damalige Gesetzgeber weder dem Boden- noch dem Gebäudeeigentümer eine Präferenzstellung einräumen wollte, weil sich beide wie die gleichberechtigten Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens gegenüberstehen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1998 - BVerwG 11 C 5.97 - BVerwGE 108, 202 <215> <= RzF - 1 - zu § 58 Abs. 2 LwAnpG>). Damit ist das Wertermittlungsverfahren hinsichtlich der Altstandorte mit einer Regelungslücke behaftet, die nur durch den Rückgriff auf die einen angemessenen Interessenausgleich zwischen Boden- und Gebäudeeigentümer anstrebende Regelung des § 19 SachenRBerG zu schließen ist.

Der Senat hat bereits entschieden, dass die Wertermittlung im Bodenordnungsverfahren unter entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 2 Satz 1 und 2 SachenRBerG in der Weise zu erfolgen hat, dass unbebaute, aber baureife Grundstücke zum Wertvergleich herangezogen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2003 - BVerwG 9 C 5.02 - BVerwGE 118, 92 <94> <= RzF - 37 - zu § 64 LwAnpG>). Dort hat der Senat es zugleich gebilligt, dass im Bodenordnungsverfahren der Abzug nach § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SachenRBerG für eine dem Nutzer zuzurechnende Baureifmachung durch den Vermessungs- oder Erschließungsaufwand vorgenommen wird (a.a.O., S. 98 f.). Es bestehen keine Bedenken, ebenso die Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Abs. 4 SachenRBerG heranzuziehen, um den zwischen Boden- und Gebäudeeigentümer bestehenden Interessenkonflikt einer ausgewogenen Lösung zuzuführen. Dies gilt auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - ausnahmsweise allein die Bewertung von Abfindungsgrundstücken in Rede steht. Zwar darf bei einer entsprechenden Anwendung des § 19 SachenRBerG nicht übersehen werden, dass diese Vorschrift die Regeln zur Bodenwertermittlung enthält, die den vom Nutzer an den Bodeneigentümer zu zahlenden Ankaufpreis bzw. Erbbauzins bestimmen (vgl. § 19 Abs. 1 SachenRBerG). Im Bodenordnungsverfahren ist damit die Bewertung der mit Gebäudeeigentum belasteten Einlagegrundstücke vergleichbar. Soweit aber im Bodenordnungsplan Altstandorte als Abfindungsgrundstücke zugeteilt werden, bei denen Boden- und Gebäudeeigentum ursprünglich auseinander fielen, ist auch die diesbezügliche Bodenwertermittlung von dem typischen Interessengegensatz geprägt, der durch die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse aufgelöst werden soll. Für die entsprechende Anwendbarkeit von § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Abs. 4 SachenRBerG kann es demnach keinen Unterschied machen, ob ein Einlage- oder ein Abfindungsgrundstück zur Bewertung ansteht. In beiden Fällen ist gleichermaßen der in genannter Vorschrift vorgesehene Ausgleich anzustreben. Offen bleiben kann, ob Abweichendes gilt, falls Altstandorte zu bewerten sind, die in das Verfahrensgebiet einbezogen worden sind, ohne dass dort eine Zusammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum erforderlich ist. Dieser Fall liegt hier nicht vor.

b) Nicht zu folgen ist dem Flurbereinigungsgericht, soweit es aus dem in § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SachenRBerG enthaltenen Merkmal "erforderlich" eine "objektive Erforderlichkeit" des alsbaldigen Abbruchs der aufstehenden Gebäude oder baulichen Anlagen in dem Sinne herleitet, dass diese abbruchreif sein müssen, was nur der Fall sein soll, wenn sie wegen fehlender Standsicherheit oder aus anderen Gründen alsbald abgerissen werden müssen, um eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu vermeiden oder zu beseitigen.

Das Flurbereinigungsgericht geht bei seiner Auslegung der genannten Vorschrift im Ansatz zutreffend davon aus, dass nicht auf eine "subjektive Erforderlichkeit" des Abbruchs abgestellt werden kann, es also nicht entscheidend darauf ankommt, ob der Bodeneigentümer eine Freilegung des Grundstücks für wünschenswert hält. Hierfür gibt schon der Wortlaut der Vorschrift nichts her. Dieser rechtfertigt jedoch umgekehrt auch nicht die vom Flurbereinigungsgericht angenommene einschränkende Auslegung des Merkmals "erforderlich". Wenn eine derartige Einschränkung gewollt gewesen wäre, hätte der Gesetzgeber Anlass gehabt, dies klarzustellen. Der Nebensatz ("soweit diese Kosten im gewöhnlichen Geschäftsverkehr berücksichtigt werden") deutet im Gegenteil darauf hin, dass eine wirtschaftliche Betrachtungsweise Platz greifen soll, die entscheidend darauf abstellt, ob auf dem Immobilienmarkt die fälligen Abrisskosten als Wert mindernd angesehen werden. Letzteres ist auch dann der Fall, wenn der Abriss erforderlich ist, um das Grundstück wieder einer Nutzung zuzuführen, die einen angemessenen Ertrag abwirft. Es geht in der Sachenrechtsbereinigung darum, auch diejenigen Grundstücke wieder verkehrsfähig zu machen, die durch eine Bausubstanz belastet sind, deren weitere Nutzung nach den Marktverhältnissen als nicht sinnvoll erscheint. Das ist aber nicht erst dann der Fall, wenn die Bausubstanz abbruchreif ist, dass eine polizeiliche Verantwortung des Eigentümers als Zustandsstörer besteht. Erforderlich ist ein Abbruch vielmehr auch dann, wenn die Gebäude oder Anlagen nach der Verkehrsanschauung insoweit eine wertlose Bausubstanz darstellen, als sie im Rahmen ihres Nutzungszwecks keiner wirtschaftlich sinnvollen Verwendung mehr zugeführt werden können (vgl. zum Ruinengrundstück im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG BGH, Urteil vom 20. September 2002 - V ZR 270/01 - VIZ 2003, 92 <93>).

Die Annahme, dass der Gesetzgeber in der Tat eine wirtschaftliche Betrachtungsweise - wie sie vorstehend umrissen worden ist - angestrebt hat, wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt, die diese Intention ausdrücklich ansprechen (vgl. BTDrucks 12/5992, S. 210). In diesem Zusammenhang hat die Bundesregierung ferner hervorgehoben, dass "die Kosten eines erforderlichen Abbruchs eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage dem Übergang von sozialistischer Plan- zur Marktwirtschaft zuzuordnen" sein können. An anderer Stelle wird betont, dass die Kosten der Freilegung des Grundstücks auch dann zu einer Verminderung des Bodenwerts führen können, wenn "aus der auf dem Grundstück vorhandenen Bebauung kein dem Bodenwert angemessener Ertrag erzielt werden kann, was insbesondere bei mit alten Gewerbe- und Industriebauten überbauten Grundstücken der Fall sein wird" (so BTDrucks 12/5992, S. 119). Der Fall, dass ein Abbruch "aus öffentlich-rechtlichen Gründen erforderlich wird" (so der Rechtsausschuss in BTDrucks 12/7425, S. 66), ist zwar auch gesehen worden. Er war aber nicht der primäre Grund für die Regelung, die in § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SachenRBerG getroffen worden ist. Vielmehr hat der Gesetzgeber vorrangig in den Blick genommen, dass die "Wertminderung des Grundstücks durch die Abbruchkosten ... die Kehrseite der durch den Übergang zur Marktwirtschaft eingetretenen Bodenwertsteigerungen" (so BTDrucks 12/552, S. 119) darstellt und es dem Grundprinzip des Entwurfs entspricht, den angestrebten Interessenausgleich zwischen Boden- und Gebäudeeigentümer durch die Teilung des vorhandenen Bodenwerts herbeizuführen. Letzteres hat später in der Regelung des § 19 Abs. 4 Satz 1 SachenRBerG Ausdruck gefunden, die zum einen verhindert, dass der Bodenwert durch den Abzug nach § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SachenRBerG gegen Null sinkt oder sogar negativ wird (vgl. BTDrucks 12/7425, S. 67), während zum anderen § 19 Abs. 4 Satz 2 SachenRBerG eine sachgerechte Teilung der Nachteile zwischen Boden- und Gebäudeeigentümer sicherstellt (vgl. BTDrucks 12/5992, S. 210), indem der Bodeneigentümer von einem Abzug für Abbruchkosten freigestellt wird, sofern deren Entstehung im Einzelfall dem Gebäudeeigentümer zuzurechnen ist.

3. Ausgehend von seinem Verständnis des § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SachenRBerG hat das Flurbereinigungsgericht zu der Frage, für welche Gebäude und Anlagen auf den Flurstücken 96/2 und 4/3 ein alsbaldiger Abbruch erforderlich und zu erwarten ist, keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Es wird sich dieser Prüfung auch nicht mit der Begründung entziehen können, mehr als die im Widerspruchsbescheid bereits zu ihren Gunsten in Ansatz gebrachten Abbruchkosten in Höhe von 180 000 DM könne die Klägerin nicht fordern. Der Senat hat erwogen, ob sich das klageabweisende Urteil unter diesem Aspekt trotz der fehlerhaften Auslegung des § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SachenRBerG im Ergebnis als richtig erweist (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Das trifft jedoch nicht zu, weil die Höhe der im vorliegenden Fall in Abzug zu bringenden "gewöhnlichen Kosten des Abbruchs" streitig ist und sich ohne eine Sachaufklärung, die dem Flurbereinigungsgericht vorbehalten bleiben muss, nicht feststellen lässt. Für die weitere Prüfung durch das Flurbereinigungsgericht hält der Senat folgende rechtliche Hinweise für angebracht:

a) Nach § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SachenRBerG muss der alsbaldige Abbruch der Gebäude oder Anlagen "zu erwarten" sein. Damit wird der Flurneuordnungsbehörde eine Prognose abverlangt, ob ein Abbruch, der erforderlich erscheint, auch tatsächlich in absehbarer Zeit erfolgen wird. An diese Prognose dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Es reicht aus, wenn im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ein alsbaldiger Abbruch nach den konkreten Umständen des Einzelfalls überwiegend wahrscheinlich ist. Dies ist etwa anzunehmen, wenn der Abbruch durch eine behördliche Ordnungsverfügung angeordnet worden ist oder aber der Eigentümer aus eigenem Entschluss einen Abbruch anstrebt, um auf den freigelegten Flächen ein Bauvorhaben zu verwirklichen, dessen alsbaldige Realisierung gesichert erscheint.

Die Realisierbarkeit eines Bauvorhabens an der Stelle der vorhandenen Gebäude oder Anlagen kann nicht bejaht werden, wenn und soweit einem Abbruch rechtliche Hindernisse entgegenstehen, die der Eigentümer bis auf weiteres nicht ausräumen kann. In Betracht kommt, dass der Eigentümer öffentlich-rechtlichen Bindungen (z.B. des Denkmalschutzes) unterliegt, die einen Abbruch verbieten. Ebenso kann er aber durch privatrechtliche Vereinbarungen an einem Abbruch gehindert sein. Das kann im vorliegenden Fall bezüglich des Schornsteines der Fall sein, der langfristig an Mobilfunkbetreiber vermietet ist. Hinsichtlich des Gebäudes (ehemalige Werkstatt und Garagen), das nach den Angaben im Widerspruchsbescheid "Geschäftsräume eines Gemüsegroßhandels" enthält, ist die Frage, ob ein alsbaldiger Abbruch zu erwarten ist, derzeit offen. Es wird Sache der Klägerin sein, insoweit den Nachweis zu führen, dass die mit dem genannten Betrieb bestehenden Verträge (z.B. weil sie nur eine Zwischennutzung bis zum Abbruch vorsehen) sie nicht an einem kurzfristigen Abbruch hätten hindern können.

Auch faktische Hindernisse (z.B. die Insolvenz des Eigentümers) können einem alsbaldigen Abbruch entgegenstehen. Darüber hinaus ist ein alsbaldiger Abbruch dann nicht zu erwarten, wenn und soweit die zukünftig geplante Nutzung der Flächen einen Abbruch entbehrlich erscheinen lässt. Dies wird im vorliegenden Fall insbesondere hinsichtlich des unterirdischen Leitungssystems der GPG zu prüfen sein, weil dadurch nicht jede Überbauung im Zuge der zukünftig geplanten Nutzung (z.B. mit Parkplätzen für den Hallenneubau) ausgeschlossen ist. Es kommt nicht darauf an, ob ein Abbruch abstrakt als Wert steigernde Maßnahme anzusehen wäre. Entscheidend ist, ob die konkret anstehende Investitionsplanung auf den Abbruch angewiesen ist. Die Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SachenRBerG billigt einen Abzug für Kosten eines Abbruchs nämlich nicht, wenn er lediglich "auf Vorrat" erfolgen würde. Auch in dieser Hinsicht liegt die Darlegungs- und Beweislast bei der Klägerin. Wenn das von ihr im Prozess beigebrachte Gutachten des Sachverständigen Dipl.-lng. M.-K. vom 31. Oktober 2000 bei der Ermittlung der Abbruchkosten nur oberirdische Rohrleitungen berücksichtigt, spricht dies zunächst gegen die Annahme, dass auch die Entfernung der unterirdischen Rohrleitungen alsbald erwartet werden konnte.

b) Da die Abrisskosten noch nicht angefallen sind, müssen sie von der Flurneuordnungsbehörde prognostisch ermittelt werden. Wenn nach § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SachenRBerG die "gewöhnlichen Kosten" des Abbruchs abzugsfähig sind, kommt darin zu Ausdruck, dass der Flurneuordnungsbehörde ein Beurteilungsspielraum zukommt, in den die gerichtliche Prüfung mangels rechtlicher Maßstäbe nicht einzudringen hat, solange die Ermittlungen als methodisch einwandfrei bezeichnet werden können. Dies ist im vorliegenden Fall nicht zweifelsfrei, weil die in dem Gutachten vom 31. Oktober 2000 genannten Kostenansätze nicht mit den Ergebnissen der behördlichen Ermittlungen übereinstimmen. Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass einzelne Kostenansätze des genannten Gutachtens ihrerseits in Frage gestellt werden können.

Die nach § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SachenRBerG erforderliche Kostenermittlung muss nicht in jedem Fall durch ein Sachverständigengutachten abgestützt sein. Gutachten dieser Art berücksichtigen den "gewöhnlichen Geschäftsverkehr" (vgl. § 29 Abs. 2 FlurbG, § 194 BauGB), was letztlich bedeutet, dass sich unvermeidlich Wertspannen ergeben, die nur durch eine Schätzung auf einen "spitzen" Wert zurückgeführt werden können (vgl. Kleiber/Simon/Weyers, a.a.O., § 194 BauGB Rn. 118 ff., S. 433 f.). Aus diesem Grunde ist die Flurneuordnungsbehörde nicht gehindert, innerhalb der Verkehrswertspannen auch auf anderem Wege zu einer Kostenschätzung zu gelangen. Die Widerspruchsbehörde hat im vorliegenden Fall versucht, ihre Kostenermittlung auf die zu den Akten gelangten Kostenvoranschläge (Schreiben der Fa. JKS-AB vom 15. Februar 2000, Bl. 108 Rs. BA l; Schreiben der Fa. P. G. vom 6. April 2000, Bl. 21 BA A) zu stützen. Das Flurbereinigungsgericht wird zu prüfen haben, ob diese Kostenvoranschläge verbindliche Festpreise nennen und alle für die Freilegung der Flächen beachtlichen Positionen berücksichtigen. Wenn dies zu bejahen ist oder aber verbleibende Unsicherheiten von der Flurneuordnungsbehörde im Wege einer angemessenen Pauschalierung hinreichend berücksichtigt worden sind, könnten methodische Bedenken gegen ihre Kostenschätzung allenfalls unter dem Gesichtspunkt angemeldet werden, dass nicht eine genügende Anzahl von Vergleichspreisen ermittelt worden ist (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 WertV). Um dies zu klären, wird das Flurbereinigungsgericht auch eine Befragung des von der Klägerin hinzugezogenen Sachverständigen zu erwägen haben.