Flurbereinigungsgericht Greifswald, Urteil vom 22.01.2003 - 9 K 18/96 = AUR 2003, S. 384
Aktenzeichen | 9 K 18/96 | Entscheidung | Urteil | Datum | 22.01.2003 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Greifswald | Veröffentlichungen | = AUR 2003, S. 384 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | In Bodenordnungsverfahren nach § 64 LwAnpG sind die Wertermittlungsvorschriften der §§ 19 ff. SachenRBerG und zur Bemessung der Abfindung die Vorschriften der §§ 68 ff. SachenRBerG, insbesondere der Halbteilungsgrundsatz, analog anzuwenden. |
2. | Die in § 70 Abs. 1 S. 2 SachenRBerG genannten Fälle der Nutzungsänderung sind rechtlich selbständig. § 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SachenRBerG ist ein eigenständig und abschließend geregelter Tatbestand. Ob im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung eine gewerbliche oder eine Wohnnutzung des Gebäudes vorlag, ist an Hand der tatsächlich ausgeübten Gebäudenutzung zu beurteilen, nicht an Hand von rechtlichen Wertungen, z. B. des Steuer- oder Bauplanungsrechts. |
Aus den Gründen
Soweit die Klage der weiteren Miterben zulässig ist, bleibt sie ohne Erfolg, die streitbefangene Abfindungsregelung ist nicht rechtswidrig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Die Abfindung ist mangels einer Nutzungsänderung i.S.d. § 70 Abs. 1 Satz 2 SachenRBerG nach dem Halbteilungsgrundsatz zu berechnen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Abfindung in Geld auch in Verfahren auf der Grundlage des § 64 LwAnpG nach den §§ 68 ff. SachenRBerG zu bemessen (vgl. Urt. v. 30.03.1999, - 9 K 8/96 -). Der Senat hat an dieser Rechtsauffassung auch in Ansehung des Urteils des BVerwG vom 17.12.1998 - 11 C 5.97 - RzF - 1 - zu § 58 Abs. 2 LwAnpG festgehalten.
Die Senatsrechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass die der Bestimmung der Abfindung zugrundeliegende Wertermittlung für die Fälle, in denen getrenntes Gebäude- und Grundeigentum zusammengeführt werden, nicht unterschiedlichen Regeln folgen darf, je nachdem ob es sich um ein Verfahren nach dem SachenRBerG oder um ein Bodenordnungsverfahren nach § 64 LwAnpG handelt. Denn in beiden Verfahren geht es um die jeweils gleichgelagerte Frage der Ermittlung des Verkehrswertes für Grund und Boden, der mit einem in selbständigem Gebäudeeigentum eines anderen stehenden Gebäude bebaut ist. Das Sachenrechtsbereinigungsgesetz enthält spezielle gesetzliche Bestimmungen für die Ermittlung des Bodenwertes in diesen Fällen. Eine davon abweichende den allgemeinen Bestimmungen des FlurbG folgende Wertermittlung in Bodenordnungsverfahren des § 64 LwAnpG würde zu einem sachlich nicht begründbaren Wertungswiderspruch zu der vom Gesetzgeber angeordneten Problemlösung im gleichgelagerten Verfahren nach dem SachenRBerG führen. Der Senat wendet daher auch im Bodenordnungsverfahren nach § 64 LwAnpG die Wertermittlungsvorschriften der §§ 19 ff. SachenRBerG analog an. Dies verlangt dann zwingend die analoge Anwendung der Vorschriften über den Halbteilungsgrundsatz (§§ 68 ff. SachenRBerG) im Verfahren nach § 64 LwAnpG. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Gesetzgeber auch diese Regelungen des SachenRBerG nicht in das LwAnpG inkorporiert hat. Er sieht aber wegen der bei der Wertermittlung und Abfindungsbemessung in beiden Verfahren gleichgelagerten Konfliktsituation trotz der unterschiedlichen Zielsetzung der Regelungszwecke beider Gesetzeswerke die Notwendigkeit, eine dem Gleichheitsprinzip entsprechende Lösung zu finden, die hier in der analogen Anwendung der Bestimmungen des SachenRBerG über die Wertermittlung und den Halbteilungsgrundsatz im Bodenordnungsverfahren nach § 64 LwAnpG zu finden ist.
Die Abfindung beträgt regelmäßig die Hälfte des nach den §§ 19 ff. SachenRBerG ermittelten Bodenwertes (§ 68 Abs. 1 SachenRBerG analog). Anderes gilt, wenn die Nutzung des Grundstücks geändert wird (§ 70 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG analog). Wann eine solche Nutzungsänderung vorliegt, bestimmt sich nach § 70 Abs. 1 Satz 2 SachenRBerG analog. Die dort tatbestandlich näher aufgeführten drei Fälle der Nutzungsänderung sind rechtlich selbständig. Insbesondere der in § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SachenRBerG geregelte Tatbestand ist abschließend und nicht nur ein Beispielsfall für die in der Nr. 3 genannten allgemein gehaltenen Nutzungsänderungen. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 70 Abs. 1 Satz 2 SachenRBerG, der die einzelnen Tatbestände der so genannten schädlichen Nutzungsänderungen alternativ aufzählt. Einen Anhaltspunkt dafür, dass die Nr. 1 der Vorschrift nur ein Beispielsfall für den Anwendungsbereich der Nr. 3 der Vorschrift sein soll, findet sich auch in der Systematik der Norm nicht. Durch die Anknüpfung jeweils an das abstrakte Nutzungsrecht selbst und - alternativ - die tatsächliche Nutzung zum gleichen Stichtag sowohl in Nr. 1 wie in Nr. 3 wird deutlich, dass die Nr. 1 die Änderung einer durch den Inhalt des Nutzungsrechts rechtlich vorgegebenen oder tatsächlich ausgeübten Nutzung zu Wohnzwecken abschließend regelt. Lag eine solche Wohnnutzung am Stichtag 2. Oktober 1990 vor, ist für die Anwendung der Nr. 3 kein Raum mehr. Der Tatbestand der Nr. 2 scheidet deswegen aus, weil die tatsächliche Nutzung zu Wohnzwecken keine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung darstellt. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Nr. 1 selbst. Denn dort wird die Wohnnutzung und die Nutzung zu land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken als einander ausschließende Nutzungsarten behandelt.
§ 70 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG knüpft einmal daran an, dass ein Nutzungsrecht zu Wohnzwecken bestellt wurde. Daran fehlt es hier offensichtlich, da die LPG das Grundstück auf der Grundlage des eine umfassende Nutzung erlaubenden § 18 LPG-Gesetz 1982 nutzte. Eine Nutzungsänderung sieht die Vorschrift auch dann als gegeben an, wenn ein am 2. Oktober 1990 zu Wohnzwecken genutztes Gebäude nunmehr einem gewerblichen Zweck dient. Der Senat hat keinen vernünftigen Zweifel daran, dass das Ledigenwohnheim der ehemaligen LPG am Stichtag zu Wohnzwecken genutzt wurde (vgl. Mietaufstellung durch das Immobilienbüro M., Bl. 136 Beiakte B). Ob im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung eine gewerbliche oder eine Wohnnutzung des Gebäudes vorlag, ist an Hand der tatsächlichen ausgeübten Gebäudenutzung zu beurteilen. Eine rechtliche Betrachtung an Hand der Wertungen z.B. des Steuerrechts oder des Bauplanungsrechts scheidet aus. § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SachenRBerG stellt nach seinem Wortlaut und seinem Sinn und Zweck ausschließlich auf die konkrete Nutzung des Gebäudes ab und damit auf das tatsächliche Geschehen (so auch Bischoff in: Eickmann, Sachenrechtsbereinigung, Stand 11/94, § 70 SachenRBerG, Rdnr. 7). Maßgeblich ist die konkrete Nutzung des Gebäudes durch den das Gebäude unmittelbar selbst Nutzenden.
Wohnnutzung liegt dann vor, wenn die Nutzung dem Zwecke der Unterbringung von Menschen mit dem Ziel der Schaffung und Bewahrung eines Lebensmittelpunktes dient. Eine solche Nutzung liegt hier vor. Das Gebäude dient ausweislich des in den Akten befindlichen Mietvertrages mit dem Diakonischen Werk und den - von den Klägern nicht bestrittenen - Darlehen der Beigeladenen der auf Dauer angelegten Unterbringung von Menschen, die in diesem Gebäude ihren Lebensmittelpunkt gegründet haben und über einen längeren Zeitraum dort beibehalten. Eine gewerbliche Nutzung des Gebäudes wird dadurch ausgeschlossen.
Der Halbteilungsgrundsatz ist auch dann nicht anzuwenden, wenn der Nutzer das Gebäude nach Ablauf des 20. Juli 1993 erworben hat und zum Zeitpunkt des der Veräußerung zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts die in § 29 Abs. 3 SachenRBerG bezeichneten Voraussetzungen vorlagen (§ 70 Abs. 4 Satz 1 SachenRBerG). Daran fehlt es. Das von den Beigeladenen nach dem 20. Juli 1993 erworbene Grundstück war im Zeitpunkt des Abschlusses des der Veräußerung zugrundeliegenden Vertrages bebaut und das Gebäude, wie die Nutzung des selben durch Mietparteien zum damaligen Zeitpunkt zeigt, auch nutzbar. Im übrigen haben die Beigeladenen das Gebäude umgebaut und damit - eine frühere Unnutzbarkeit unterstellt - das Gebäude i.S.d. § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SachenRBerG wiederhergestellt.Anmerkung
Das in AUR 2003, S. 384 angegebebene Datum des Urteils - 30.03.1999 - ist unrichtig.